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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Fixsterne

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Fixsterne (Doppelsterne, veränderliche Sterne).

An mehreren Stellen des Himmels, wo das freie Auge nur einen einfachen Stern wahrnimmt, bemerkt man mit dem Fernrohr zwei oder auch mehr einander sehr nahe stehende Sterne. Man bezeichnete solche nur durch das Fernrohr zu trennende Sterne als Doppelsterne oder, wo drei und mehr zusammenstanden, als mehrfache Sterne, eine Benennung, die sich zunächst bloß auf die äußere Erscheinung bezog und die Entscheidung, ob solche Sterne wirklich in einer nähern gegenseitigen Verbindung stehen, unberührt ließ. Es blieb vorderhand ganz unentschieden, ob die Doppelsterne nahe nebeneinander oder nur von unserm Standpunkt aus in fast gleicher Richtung hintereinander, vielleicht in sehr großem wirklichen Abstand, zu denken seien. Nähere Untersuchungen zeigen jedoch, daß mehrere Doppel- und vielfache Sterne nicht bloß scheinbar, sondern wirklich einander verhältnismäßig sehr nahe stehen; man nannte diese letztern physische Doppelsterne und unterschied von ihnen die bloß scheinbar benachbarten als optische Doppelsterne. Herschel der ältere teilte die Doppelsterne nach der von ihm beobachteten Distanz in vier Klassen, deren erste die Sterne bis 4 Sekunden, die zweite bis 8 Sekunden, die dritte bis 16 Sekunden, die vierte bis 32 Sekunden Distanz enthielt, in welcher Progression fortschreitend erst die achte Klasse Sterne von 5-8 Minuten Abstand umfaßt, die vom scharfen, unbewaffneten Auge noch unterschieden werden können. Struve bezeichnet im allgemeinen bloß die ersten vier Herschelschen Klassen, also bis zu 32 Sekunden mittlerer oder bis jetzt beobachteter Distanz, als Doppelsterne, macht aber darunter acht Abteilungen. Er durchmusterte von 1824 bis 1835 mit dem großen Fraunhoferschen Refraktor den in Dorpat sichtbaren Himmel bis zu 15° südlicher Abweichung, etwa 120,000 Sterne, und fand unter diesen 3112 Doppelsterne seiner acht Klassen, was ungefähr die sechsfache Zahl aller vor ihm mit der Distanz von höchstens 32 Sekunden bekannten ist. Diese verzeichnete er in seinem Katalog vom Jahr 1827, und 1837 erschien sein Hauptwerk: "Mensurae micrometricae stellarum duplicium", welches die wiederholten Mikrometermessungen von 2641 Doppelsternen, durchschnittlich jeden viermal bestimmt, enthält. Von den ca. 6000 gegenwärtig bekannten Doppelsternen sind ein Zehntel als sich bewegend, mithin als physische Doppelsterne erkannt worden. Nach dem jetzigen Stande der Beobachtungen scheint sich die größte Anzahl der Doppelsterne auf der nördlichen Halbkugel des Himmels und zwar in der Andromeda, dem Bootes, Großen Bären, Luchs und Orion zu befinden; die südliche Halbkugel des Himmels außerhalb des südlichen Wendekreises ist nachdem jüngern Herschel arm daran. Eine merkwürdige Eigentümlichkeit der Doppelsternsysteme ist die Farbenverschiedenheit, welche häufig zwischen den zusammengehörigen Sternen stattfindet. Struve fand, daß von 596 Doppelsternen bei 375 Paaren beide Sterne gleich hell und gleichfarbig und zwar weiß sind; 101 Doppelsterne zeigen ähnliche Farben der Komponenten, und bei 120 Paaren, also einem Fünftel der ganzen untersuchten Anzahl, sind beide Sterne von ganz verschiedener Farbe, meist gelb und blau oder auch grün und blau. Von einer Anzahl Doppelsterne hat man Bahnen und Umlaufszeiten berechnet, und nachstehend geben wir eine Tabelle solcher Bahnen. Es bezeichnet dabei ☊ den Knoten, d. h. den Positionswinkel der Durchschnittslinie der Himmelskugel (oder ihrer Tangentialebene am Hauptstern) und der Bahnebene (der Knotenlinie); λ die Entfernung des Knotens vom Periastron; γ die Neigung der Bahnebene gegen die Himmelskugel; e die Exzentrizität; T die Zeit des Durchganges durch das Periastron; P die Umlaufszeit (Periode) in Jahren; a die scheinbare große Halbachse der Bahn in Bogensekunden.

Name des Sterns ☊ λ γ e T P a Berechner

42 Haar der Berenice 10,5° 0,0° 90,0° 0,075 1839,6 25,5 0,50" Doberck

ζ Herkules 214,3 284,9 43,7 0,148 1830,5 36,4 1,25 Villarceau

Σ 3121 23,5 141,6 75,3 0,380 1846,8 40,6 0,71 Doberck

η Nördliche Krone 10,5 227,9 65,6 0,474 1805,7 42,5 1,02 Villarceau

η Haar der Berenice 22,3 215,5 60,7 0,286 1850,3 43,7 0,96 Doberck

μ² Herkules 57,9 156,4 60,7 0,302 1877,1 54,2 1,46 Doberck

γ Südliche Krone 229,1 75,4 111,3 0,699 1882,7 55,6 2,40 Schiaparelli

ζ Krebs 1,5 266,0 63,5 0,235 1853,4 58,9 1,29 Mädler

109,0 199,0 20,7 0,353 1869,3 62,4 0,91 O. Struve

ξ Großer Bär 95,8 128,9 52,3 0,431 1816,9 61,6 2,44 Hind

ΟΣ 298 14,6 342,5 56,2 0,487 1812,9 68,8 0,89 Doberck

α Centaur 86,1 291,7 47,6 0,050 1851,5 77,0 15,5 Jacob

21,8 59,3 82,3 0,667 1874,9 85,0 21,80 Hind

25,5 45,9 79,4 0,533 1875,1 88,5 18,45 Doberck

λ Nördliche Krone 110,4 233,5 85,2 0,350 1843,7 95,5 0,70 Doberck

ζ Wage 12,2 89,3 68,7 0,077 1859,6 95,9 1,26 .

Σ 3062 39,1 92,1 32,2 0,447 1835,5 102,9 1,27 .

ω Löwe 148,8 121,0 64,1 0,536 1841,8 110,8 0,89 Doberck

ξ Bootes 26,4 117,8 36,9 0,708 1770,8 127,4 4,86 Doberck

4 Wassermann 340,2 235,0 56,6 0,461 1751,9 129,8 0,72 Doberck

γ Jungfrau 5,6 313,7 23,6 0,879 1836,4 182,1 3,58 Herschel

η Kassiopeia 39,9 223,3 53,8 0,576 1909,2 222,4 9,08 Doberck

36 Andromeda 93,8 115,7 51,9 0,654 1801,7 316,0 1,65 Doberck

γ Löwe 116,6 195,4 43,1 0,733 1741,0 407,0 1,98 Doberck

Kastor 27,8 297,2 44,6 0,329 1849,8 1001,2 7,43 Doberck

Die Erfahrung zeigt, daß auch hier die Bewegung, ebenso wie im Sonnensystem, nach dem Gravitationsgesetz von statten geht.

Veränderliche Sterne.

Eine ziemliche Anzahl von Fixsternen zeigt eine periodische Veränderlichkeit des Glanzes, bisweilen, wie schon bemerkt wurde, auch einen damit zusammenhängenden Farbenwechsel. Bei einigen hat man bereits die Dauer der Wechselperioden gemessen, andre erleiden dagegen seit mehreren Jahrzehnten oder auch Jahrhunderten entweder eine bloße Ab- oder Zunahme, andre zeigten den Lichtwechsel nur einmal