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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Frankreich

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Frankreich (Geschichte: Heinrich II., Franz II., Karl IX.).

pel eindrang, wurde durch Mangel, Krankheit und die Kaiserlichen völlig vernichtet (1528). So wurde Franz zu dem Frieden von Cambrai (1529) genötigt, in welchem er die Abtretung Burgunds durch Zahlung von 2 Mill. Goldthaler rückgängig machte, im übrigen die Festsetzungen des Vertrags von Madrid bestätigte und versprach, sich in deutsche und italienische Angelegenheiten nicht weiter einzumischen. So war Italien verloren.

Inzwischen hatte Franz durch das Konkordat des Jahrs 1516 die Freiheit der gallikanischen Kirche vernichtet, indem er dieselbe teils der päpstlichen, teils der königlichen Macht völlig unterordnete. Während er nach außen mit den Türken und den deutschen Protestanten unbedenklich Bündnisse gegen den Kaiser einging, verfolgte er im Innern Frankreichs den auch dort kräftig sich entwickelnden Protestantismus mit der äußersten Grausamkeit. Als Karl V. durch einen glänzenden Feldzug gegen die Seeräuber in Tunis zum Besten der Christenheit sein Heer und seine Geldmittel erschöpft hatte, griff Franz I., der "allerchristlichste König", im Bund mit den Türken ihn von neuem (1536) an. Auch dieser Krieg führte nur zu wechselseitigen Verwüstungen, und so verstand Franz I. sich unter päpstlicher Vermittelung zu dem Waffenstillstand von Nizza (1538), in welchem F. seine Bundesgenossen aufopferte, aber im einstweiligen Besitz der von ihm eroberten Landschaften Piemont und Savoyen blieb. Nach Karls V. unglücklicher Expedition gegen Algier erklärte ihm Franz zum viertenmal den Krieg. Aber trotz anfänglicher Überlegenheit nahm der Kampf infolge der politischen und strategischen Fehler Franz' I. bald eine üble Wendung, und eine verbündete kaiserlich-englische Armee rückte gegen Paris. So sah Franz sich zu dem Frieden von Crépy (18. Sept. 1544) genötigt, in welchem er nicht nur die Verträge von Madrid und Cambrai bestätigte, sondern auch versprach, dem Kaiser bei der Überwältigung der Türken und der Protestanten Hilfe zu leisten. Als Franz I. 31. März 1547 starb, waren alle seine politischen Pläne gänzlich gescheitert, Italien endgültig verloren und die französische Monarchie auf allen Seiten eingeengt von den zahlreichen Provinzen der habsburgischen Herrschaft, welche zur Universalmonarchie berufen zu sein schien.

Franz' I. einziger überlebender Sohn, Heinrich II. (1547-59), erlangte durch den Vertrag von Friedewalde (1551) mit den aufständischen Protestanten in Deutschland den Besitz der drei lothringischen Bistümer Metz, Toul und Verdun und behauptete ihn in einem neuen Krieg mit Karl V., der Metz 1552 vergeblich belagerte. Indes der Fortgang des Kampfes entsprach keineswegs diesem günstigen Anfang. 1557 drang eine spanische Armee unter dem Herzog Emanuel Philibert von Savoyen in das nördliche F. ein, schlug den Connetable Montmorency, der selbst gefangen genommen wurde, bei St.-Quentin (August 1557) und eroberte diese wichtige Stadt. Zwar bemächtigte sich Franz von Guise im Kampf gegen die mit den Spaniern verbündeten Engländer der letzten Besitzung derselben auf dem französischen Kontinent, Calais, sowie der spanisch-luxemburgischen Festung Diedenhofen (1558); aber im Feld erfochten die Spanier unter dem Grafen Egmond einen neuen Sieg bei Gravelingen. Die Erschöpfung beider Staaten, Frankreichs wie Spaniens, führte endlich 2. April 1559 den Frieden von Cateau-Cambrésis herbei, der F. den Besitz von Metz, Toul, Verdun und Calais bestätigte. Die durch den Frieden geschaffene Muße wollte Heinrich II. zu gänzlicher Ausrottung des immer kräftiger sich entwickelnden Protestantismus in F. benutzen; aber eine Wunde, die ihm im Turnier die Lanzenspitze des Grafen Montgomery verursachte, führte 10. Juli 1559 seinen Tod herbei.

Religionskämpfe.

Litteratur und Kunst hatten sich im 16. Jahrh. in F. am originellsten, reichsten und volkstümlichsten entfaltet. Unter dem Einfluß der ungeheuern Bewegung, erst auf dem Gebiet des Wissens, dann auf dem Gebiet des Glaubens, dort der Renaissance, hier der Reformation, entwickelte der französische Geist sich mit einer Kraft, einer Vielseitigkeit und Genialität, die, wenn auch noch vielfach durch Irrtümer und Fehler entstellt, nie wieder ihresgleichen in diesem Land hatten. Das Interesse an Wissenschaft, Schrifttum und Kunst trat in den Vordergrund des öffentlichen wie des privaten Lebens. Der französische Protestantismus hatte sich naturgemäß mit dem französisch redenden Genf in Verbindung gesetzt und deshalb die Calvinische, reformierte Richtung mit ihrer kühnen, demokratischen, kriegerischen Färbung angenommen. Die Verfolgungen hatten ihn bedeutend gefördert; die hervorragendsten Führer der geistigen Bewegung, Künstler, Edelleute, selbst königliche Prinzen, waren zum größten Teil offene oder heimliche Protestanten. Indem aber das niedere Volk noch in seiner überwiegenden Masse am Katholizismus festhielt, war der Konflikt unvermeidlich. Die Stellung des Königtums in demselben war schwierig, da die Träger der Krone ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren und zwischen den streitenden Parteien hin- und herschwankten. Vergeblich suchte eine Partei, die "Politiker" unter dem Kanzler L'Hôpital, welche die Einheit und das Wohl des Vaterlandes über die religiösen Streitigkeiten stellte, Einfluß u. Macht zu erringen.

Schon die kurze Regierung von Heinrichs schwächlichem ältesten Sohn, Franz II. (1559-60), war erfüllt mit den Streitigkeiten der französischen Reformierten (Hugenotten), an deren Spitze das prinzliche Haus Bourbon (herstammend von einem jüngern Sohn Ludwigs des Heiligen) stand, und der eifrig katholischen Partei, die von der ehrgeizigen Familie Guise, einer Seitenlinie des lothringischen Herzogshauses, geleitet wurde. Da Franz II. kinderlos starb, folgte ihm sein zehnjähriger Bruder Karl IX. (1560 bis 1574) unter der Vormundschaft seiner Mutter Katharina von Medicis, einer leidenschaftlichen, herrschsüchtigen, aber wankelmütigen Frau. Der Übermacht der Guisen gegenüber begünstigte sie zunächst die Protestanten, denen sie in dem sogen. Januaredikt von 1562 fast völlige Gleichberechtigung mit den Katholiken verlieh. Der hierüber auf das äußerste ergrimmte Franz von Guise führte, indem er die protestantischen Bewohner des Städtchens Vassy überfallen und ermorden ließ (1. März 1562), den Ausbruch der religiösen Bürgerkriege (Hugenottenkriege, s. d.) herbei. Nach kurzem Schwanken stellte der Hof sich auf die Seite der Katholiken; der Führer der Protestanten, der mutige Prinz von Condé, ward in der Schlacht bei Dreux (19. Dez. 1562) geschlagen und gefangen genommen. Da aber auch Franz von Guise bei der Belagerung von Orléans durch Meuchelmord fiel, so wurde der Streit einstweilen durch den Frieden von Amboise (März 1563) beendet, freilich nur, um bei der immer entschiedenern Hinneigung der Königin-Mutter zu den extremen Katholiken schon 1567 wieder auszubrechen. Die Schlacht bei St.-Denis blieb unentschieden; da aber der Pfalzgraf Johann Kasimir dem Prinzen von