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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Freimaurerei

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Freimaurerei (Geschichte bis zum 18. Jahrhundert).

Repräsentation (einer Art von Gesandtschaften) und tauschen ihre Verhandlungen (Protokolle) gegeneinander aus. Die zu einem Logenbund (Großloge) vereinigten Logen haben eine gemeinsame Verfassung, welche fast überall auf rein demokratischer Grundlage ruht. Nur bei den Großlogen schwedischen Systems ist eine hierarchische Verfassung üblich. Gewisse Grundgesetze gelten für die ganze Brüderschaft im allgemeinen, außerdem hat aber jeder Logenbund und jede einzelne Loge ihre besondern Gesetze (Lokalgesetze). Isolierte (unabhängige) Logen stehen unter keiner Großloge; Provinziallogen heißen die Logen einer Provinz, die unter einer Großloge stehen. Will ein Freimaurer wieder aus der Loge treten, so "deckt" er die Loge, d. h. erklärt seinen Abgang. Mitglieder, die ihre Pflichten nicht erfüllen, werden "gestrichen" oder wegen sittlicher oder maurerischer Vergehen "ausgeschlossen". Die meisten Symbole der F. sind der Baukunst entlehnt und haben eine sittliche Bedeutung. Die Freimaurer erkennen sich untereinander an Zeichen, Griff und Wort, und es sind selbst gewisse Erkennungs- (Paß-) Worte für jeden Grad bestimmt. Ein Notzeichen darf nur in Lebensgefahr und in höchster Not angewendet werden und verpflichtet jeden Bruder zur Hilfeleistung. Bedeutungsvoll sind auch gewisse Zahlen, vor allen als "heilige Zahl" die 3, dreimal 3 oder 9, ferner die 5 und 7. Außer den Arbeits- (Aufnahme- und Beförderungs-) Logen gibt es Instruktions- und Festlogen (Johannis- und Stiftungsfest). Trauerlogen werden zum Gedächtnis verstorbener Brüder abgehalten. Die Logentage pflegen im Logenkalender verzeichnet zu sein, welcher der Logenliste, dem Verzeichnis sämtlicher Brüder, angehängt ist. Nach Festlogen und Aufnahmen werden oft Tafellogen gehalten. Die Brüder bleiben dabei in ihrer Bekleidung und beobachten ein vorgeschriebenes Ritual; Reden (Toaste), Musik und Gesang besonderer Freimaurerlieder würzen das Mahl. Geschieht das Zusammenspeisen ohne maurerische Bekleidung, so heißt es ein Brudermahl. Wie sich die Tafelloge zum Brudermahl verhält, so zur eigentlichen Loge der Logenklub, d. h. eine meist wöchentliche Versammlung, woran nur Maurer teilnehmen, jedoch ohne maurerische Bekleidung und Ritual, und wobei maurerische Gegenstände besprochen werden. Unter Schwestern versteht die F. neben den leiblichen Schwestern der Brüder auch deren Gattinnen und Bräute; manche Logen vereinen sie bei feierlichen, außerordentlichen maurerischen Begebenheiten zu Schwesterlogen. Die französische Maurerei hat auch Adoptionslogen, an denen Frauen und Männer zugleich teilnehmen.

Geschichte der Freimaurerei.

Der Ursprung des Freimaurerbundes ist früher mit Unrecht auf den Salomonischen Tempelbau, auf die ägyptischen und griechischen Mysterien, den Pythagoreerbund, die Essäervereine, die römischen Collegia oder Sodalitia der Bauleute, die Druiden, die Culdeers (s. d.), die Ritterorden des Mittelalters, namentlich die Tempelherren, zurückgeführt worden. Erst die neuere historische Kritik der deutschen Forscher Kloß, Keller, Fallou, Lachmann, Findel u. a. hat das frühere Dunkel gelichtet und den Nachweis geliefert, daß die Wurzeln des Bundes kaum über das 13. Jahrh. hinausreichen. Der Freimaurerbund ist hervorgegangen aus der Brüderschaft der Steinmetzen und deren Bauhütten (s. d.), die anfangs mit den Klöstern, namentlich denen der Benediktiner, im engsten Zusammenhang standen, später aber sich unabhängig machten und unter sich den Bund deutscher Steinmetzen unter der Leitung von vier Haupthütten schlossen, unter denen Straßburg den obersten Rang einnahm. Die vorhandenen Steinmetzordnungen, deren älteste, die Straßburger, dem Jahr 1459 angehört, deuten bereits auf eine über ganz Deutschland und die Schweiz verzweigte Verbrüderung, welche durch das Geheimnis des Grußes und des Handschenks sowie durch das eidliche Gelöbnis der Verschwiegenheit nach außen abgeschlossen und durch eine gemeinsame, 1498 vom Kaiser Maximilian sanktionierte Gesetzgebung zusammengehalten wurde. An der Spitze der Steinmetzbrüderschaft stand nach alter Sitte ein frei nach Verdienst gewählter Vorsteher, Stuhlmeister, der in jedem Jahr neu gewählt wurde und "nach Handwerksgebrauch und Gewohnheit" alle Streitigkeiten schlichtete. Die übrigen Brüder standen sich als solche gleichberechtigt gegenüber. Der Geselle war verpflichtet, den Lehrling in seiner Kunst zu unterrichten. Jeden Monat fand eine Versammlung statt, bei welcher alle Angelegenheiten beraten und Gericht gehalten wurde. Zu Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrh. fand zwischen Deutschland und Großbritannien ein fortwährendes Hinüber- und Herüberwandern der Bauleute statt, und die deutsche Bauhütte gelangte so nach diesen Inseln. Die englischen Bauleute waren aber nicht so frei wie die deutschen, sondern standen unter polizeilicher Aufsicht und wurden vom Gesetz als Handwerker betrachtet. Die älteste Urkunde der englischen Maurer ist die von Halliwell im Britischen Museum entdeckte aus dem 15. Jahrh. Allmählich verfielen die Bauhütten mit der Abnahme der Baulust, mit der fortschreitenden Bildung seit der Reformation und der Unterdrückung der mit ihnen in geistiger Wechselwirkung stehenden altevangelischen Gemeinden; es gab für sie kein Geheimnis mehr, das Band der Brüderschaft ward immer lockerer. Nun aber bereitete sich der Beginn einer neuen Epoche des Bundes vor. Mit dem Ende des 16. und zu Anfang des 17. Jahrh. schlossen nämlich auch gelehrte Laien (angenommene Maurer, accepted masons) sich den Logen der Freemasons an. Diese waren von bedeutendem Einfluß auf die Umgestaltung der alten Brüderschaft, insbesondere zur Zeit, als die Paulskirche zu London aufgeführt wurde. Nach ihrer Vollendung schmolz die Zahl der Logen in Südengland bis auf wenige zusammen. Die übrigbleibenden Mitglieder, zum großen Teil angenommene, sahen ein, daß die Verbindung einen geistigen Schatz berge, der wert sei, erhalten zu werden. Die religiösen und politischen Stürme der unmittelbaren Vergangenheit hatten überdies die Notwendigkeit der Duldung nahegelegt und an Mäßigung, Versöhnung und Gerechtigkeit gemahnt, und das Zeitalter der Aufklärung hatte Ideen gezeitigt, deren beste nur ein Gefäß brauchten, um für die Nachwelt fruchtbar gemacht zu werden. So drängte die ganze geistige Bewegung der Zeit zu einer neuen Organisation. Man beschloß, die Werkmaurerei in Geistesmaurerei umzuwandeln. Vier alte Werkmaurerlogen in London und Westminster vereinigten sich 1716 und 1717 zu einer Großloge, zur Wahl eines Großmeisters (sayer) und zu einer Neugestaltung in Kultus und Verfassung und zwar unter der Leitung des Predigers J. ^[James] Anderson, des Naturforschers Theoph. Desaguliers und des Altertumforschers G. Payne. Man behielt den Namen "Freimaurer" bei, ebenso das Wappen der alten Masons, das Siegel des Geheimnisses (Zeichen, Wort und Griff) und die mythische Urgeschichte, wesentlich eine Geschichte der Baukunst; die Gesetze wurden, den neuen Verhältnissen entsprechend, weiter entwickelt