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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Friedrich

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Friedrich (Brandenburg).

machen, zog er den Kaiser mit in das Bündnis; da dieser sich indes in einem geheimen Vortrag mit Frankreich zur Neutralität verpflichtet hatte, so vereitelten die kaiserlichen Feldherren Montecuccoli und Bournonville in dem mit dem brandenburgischen Heer gemeinsam unternommenen Feldzug am Rhein und in Westfalen (1672-73) jeden feindlichen Zusammenstoß mit dem französischen Befehlshaber Turenne und verschafften diesem dadurch die Möglichkeit, tief in Westfalen einzudringen, so daß sich der Kurfürst genötigt sah, um seine westlichen Lande vor gänzlichem Ruin zu retten, vom Bündnis abzufallen und den übrigens günstigen Separatfrieden zu Vossem (16. Juni 1673) abzuschließen, ohne den Niederlanden mehr als eine indirekte Hilfe geleistet zu haben. Am 1. Juli 1674 schloß er sich allerdings von neuem der inzwischen sehr verstärkten Koalition gegen Frankreich an, aber auch der wieder in Gemeinschaft mit Bournonville unternommene Feldzug gegen Turenne im Winter 1674 auf 1675 endete statt mit Siegen und Eroberungen infolge der Uneinigkeit der Verbündeten mit dem kläglichen Rückzug aus dem Elsaß. Durch den von Frankreich veranlaßten Einfall der Schweden in die Marken zum Schutz seiner Lande vom Rhein abberufen, stellte der Kurfürst durch den Überfall bei Rathenow (25. Juni 1675) und den Sieg bei Fehrbellin (28. Juni) den brandenburgischen Waffenruhm im strahlendsten Glanz wieder her, eroberte 1675-78 nach und nach sämtliche Festungen Vorpommerns, namentlich nach hartnäckigem Widerstand durch eine schwierige Belagerung das stark befestigte Stettin, und trieb in einem anstrengenden Winterfeldzug 1678-79 die in Preußen eingefallenen Schweden nach Livland zurück, mußte aber den Preis dieser Anstrengungen und Opfer (ohne durch Hilfsgelder unterstützt zu werden, brachte er sein Heer zeitweise auf 40,000 Mann), das seit 1648 kaum verschmerzte Vorpommern, im Frieden von St.-Germain (29. Juni 1679) wieder herausgeben, da ihn seine Verbündeten, die Niederlande und der eifersüchtige kaiserliche Hof, im Stiche ließen und er mit Dänemark allein dem übermächtigen Frankreich gegenüberstand. Entrüstet über das Betragen seiner Verbündeten und jeden Widerstand gegen Ludwig XIV. für nutzlos haltend, schloß er sich nun eng an Frankreich an, verpflichtete sich sogar in einem geheimen Vertrag vom 25. Okt. 1679, Ludwig XIV. bei einer neuen Kaiserwahl seine Stimme zu geben, und lehnte trotz der Reunionen und andrer Gewaltthätigkeiten Ludwigs jede Beteiligung an einer Koalition gegen den neuen Verbündeten hartnäckig ab. Im Gegenteil trat er gegen Spanien, das ihm die Zahlung der schuldigen Subsidien verweigerte, feindselig auf, indem er seine Flotte auf spanische Schiffe, wiewohl ohne großen Erfolg, Jagd machen ließ, geriet mit den Holländern ebenfalls über nicht gezahlte Hilfsgelder und über die in Guinea angelegten Kolonien in heftige Streitigkeiten und erhob an den Kaiser den Anspruch auf Entschädigung für seine Erbrechte auf Schlesien. Doch als 1685 die großen Gefahren, die der evangelischen Religion drohten, offenbar wurden, in England ein katholischer König, Jakob II., den Thron bestieg, Ludwig XIV. durch die Aufhebung des Edikts von Nantes die Protestanten in seinem Reich unterdrücken wollte, vergaß der Kurfürst seine gerechten Beschwerden und schloß mit den Generalstaaten und dem Kaiser ein neues Bündnis, indem er gegen Abtretung des kleinen Schwiebuser Kreises auf seine schlesischen Erbansprüche verzichtete und sogar ein Hilfskorps von 8000 Mann gegen die Türken schickte. Durch das Potsdamer Edikt vom 8. Nov. 1685 lud er die aus Frankreich flüchtenden Protestanten zur Ansiedelung in seinen Staaten ein, und mehr als 15,000 folgten seinem Ruf und vergalten die gastliche Aufnahme mit der Begründung nützlicher Industriezweige, namentlich in Berlin. Den Ausbruch des neuen Kriegs mit Frankreich erlebte der Kurfürst nicht mehr. Er starb 9. Mai 1688 nach schwerem Todeskampf, aber im vollen Bewußtsein dessen, was er geleistet und was seinem Nachfolger zu thun noch übrigblieb, an der Brustwassersucht, die sich aus der Gicht entwickelt hatte, an welcher der Kurfürst seit langem gelitten.

F. W. war bis in das Greisenalter eine stattliche Erscheinung: eine schöne Gestalt von würdiger Haltung, ein imposanter Kopf mit wallendem Haar, später langlockiger Perücke, einer Adlernase, strahlenden, geistvollen Augen. Sein Temperament war lebhaft und leicht erregbar bis zum Jähzorn, sein Benehmen liebenswürdig und wohlwollend gegen seine Umgebung, würdevoll gegen Fremde. Im Krieg lebte er einfach und teilte mit seinen Soldaten alle Mühen und Entbehrungen, im Frieden liebte er Pracht und Feierlichkeiten. Er war zweimal vermählt, 1646-67 mit Luise Henriette, Prinzessin von Oranien, von der ihn nur ein Sohn, der Kurprinz Friedrich, überlebte, seit 1668 mit der verwitweten Herzogin Dorothea von Lüneburg, gebornen Prinzessin von Holstein-Glücksburg, die ihm sieben Kinder gebar. Der Wunsch des Kurfürsten, auch seine vier Söhne zweiter Ehe, Philipp (1669-1711), Karl (1672-95), Albrecht (1673-1731) und Christian (1677-1734), mit fürstlichem Besitz auszustatten, um den Bestand seiner Dynastie und die davon abhängige Erhaltung des neugegründeten Staats zu sichern, erweckte das Mißtrauen des Kurprinzen gegen die Stiefmutter, welche der letztere beschuldigte, in eigennützigem Interesse diesen Plan veranlaßt zu haben; über das Testament des Kurfürsten, welches hierüber Bestimmungen traf, entstanden häßliche Zwistigkeiten in der kurfürstlichen Familie, welche die letzten Jahre F. Wilhelms verbitterten. Auch sonst mußte er sich überzeugen, daß viele seiner Maßregeln keinen Erfolg gehabt, daß namentlich die kriegerische Politik seit 1672 viele Früchte seiner friedlichen Thätigkeit wieder zerstört hatte. Trotzdem ist das Ergebnis seiner langen, vielbewegten Regierung ein bedeutendes zu nennen, wenn man die Lage seiner Staaten 1640 mit der auswärtigen Stellung und der innern Organisation Brandenburgs 1688 vergleicht. Sein Reiterstandbild, ein Meisterwerk Schlüters, befindet sich auf der Langen Brücke zu Berlin. Vgl. Pufendorf, De rebus gestis Friderici Wilhelmi (Berl. 1695); L. v. Orlich, Geschichte des preußischen Staats im 17. Jahrhundert (das. 1838-39, 3 Bde.); Derselbe, F. W., der Große Kurfürst (das. 1836); Förster, Geschichte F. Wilhelms, des Großen Kurfürsten (4. Aufl., das. 1855); Pierson, Der Große Kurfürst (das. 1873); Kaehler, Der Große Kurfürst (das. 1875); J. G. ^[Johann Gustav] Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Teil 3: "Der Staat des Großen Kurfürsten" (2. Aufl., Leipz. 1870-72); H. Peter, Der Krieg des Großen Kurfürsten gegen Frankreich 1672-75 (Halle 1870); Moritz Meyer, Die Handwerkerpolitik des Großen Kurfürsten und König Friedrichs I. (Minden 1884); "Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten F. Wilhelm von Brandenburg" (Berl. 1864 ff., 10 Bde.); ferner Volksschriften von Hiltl (Leipz. 1880), Stein (Halle 1885) u. a.

12) F. III., Sohn des vorigen, erster König von Preußen, s. unten bei Preußen 49).