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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Friedrich

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Friedrich (Preußen: F. der Große).

griffen, hatten bei unleugbaren Vorteilen auch manche Nachteile im Gefolge. Obwohl selbst streng religiös, zeigte er sich den verschiedenen Konfessionen gegenüber tolerant. Um das Volksschulwesen erwarb er sich große Verdienste; dagegen verachtete er alle höhere Wissenschaft und verhöhnte sie sogar, indem er seinen gelehrten Hofnarren Gundling zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften ernannte.

In der auswärtigen Politik bewies der König eine geringere Selbständigkeit und errang auch nur im Anfang seiner Regierung einige Erfolge. Zunächst trat er 1713 dem Utrechter Frieden bei und erlangte außer der Anerkennung der preußischen Königswürde das Herzogtum Obergeldern. Fast wider Willen wurde er in den Nordischen Krieg verwickelt. Damit dieser von den deutschen Besitzungen Schwedens fern gehalten werde, schloß er im Oktober 1713, im Einverständnis mit dem schwedischen Befehlshaber, mit Rußland und Polen einen Vertrag ab, wonach Preußen gegen Zahlung von 400,000 Thlr. Kriegskosten Pommern bis zum Friedensschluß besetzen sollte. Obwohl er sich bereit erklärte, gegen Rückerstattung dieser Summe das Land an Schweden zurückzugeben, verlangte Karl XII. nach seiner Rückkehr aus der Türkei sofortige Räumung Pommerns ohne Entschädigung und schritt sogleich zur gewaltsamen Durchführung seiner Ansprüche. Nun sah sich F. W. zur Kriegserklärung genötigt (1715), und sein Heer unter Leopold von Dessau eroberte Rügen und Stralsund und zwang Karl XII. zur Flucht nach Schweden. Im Frieden von Stockholm (1. Febr. 1720) trat Schweden gegen Zahlung von 2 Mill. Thlr. Vorpommern bis zur Peene an Preußen ab. Seitdem hat F. W. keinen Krieg mehr geführt, nur während des polnischen Erbfolgekriegs ein Hilfskorps zum kaiserlichen Heer am Rhein geschickt. Er scheute sich, seine neuen Schöpfungen im Heer- und Staatswesen den Gefahren eines großen Kriegs auszusetzen und die aufs äußerste angestrengten Kräfte seines Landes vielleicht nutzlos zu erschöpfen. Daher versäumte er es, die Bedeutung seiner Militärmacht inmitten der Hauptstaaten Europas zu seinem Vorteil auszubeuten; vielmehr schloß er sich unter dem Einfluß des kaiserlichen Gesandten Seckendorf, des vom Wiener Hof bestochenen Ministers Grumbkow und seines Freundes Leopold von Dessau ganz an den Kaiser an, als dessen getreuen Lehnsmann er sich als deutscher Fürst ansah, während er die Ausländer, namentlich die Franzosen, ingrimmig haßte. In den Verträgen mit Österreich von Königs-Wusterhausen 1726 und Berlin 1728 erkannte er die Pragmatische Sanktion an und erhielt dafür die Erbfolge in Jülich und Berg zugesichert. Darüber zerschlugen sich die mit dem englischen Hof verabredeten Heiraten seiner Kinder, was zu den ärgerlichsten Familienstreitigkeiten Anlaß gab, da die Königin diese Heiraten lebhaft gewünscht hatte; Österreich aber belohnte ihn nur mit Undank, indem es 1738 Jülich und Berg an Pfalz-Sulzbach versprach. Obwohl also F. W. manche Gelegenheit zur Vermehrung seiner Macht versäumt hatte, so hatte er doch der Zukunft nichts vergeben, und ein Schatz von 9 Mill. Thlr. und ein großes, vortreffliches Heer setzten seinen Nachfolger in den Stand, seine Fehler wieder gut zu machen. F. W. war vermählt mit Sophie Dorothea von Hannover, die ihm sechs Söhne und mehrere Töchter gebar. Von den Söhnen überlebten ihn außer Friedrich II. Prinz August Wilhelm (1722-58), Prinz Heinrich (1726-1802) und Prinz Ferdinand (1730-1813); von den Töchtern heiratete Wilhelmine (1709-58) einen Markgrafen von Baireuth, Luise Ulrike (1720-82) den König Adolf Friedrich von Schweden. Die Königin und die Kinder hatten unter des Königs Heftigkeit viel zu leiden, obwohl F. W. auch als Familienvater die besten Absichten hatte und in den Tugenden der ehelichen Treue, der Einfachheit und Arbeitsamkeit seinen Unterthanen mit gutem Beispiel voranging. Rastlos thätig, gönnte er sich nur zweierlei Erholungen: das berühmte Tabakskollegium und die Jagd. Er war von regelmäßiger, wiewohl nicht großer Gestalt, wurde aber bald übermäßig dick, litt schon früh am Podagra, und seine Lebensweise, die Strapazen, die er sich zumutete, steigerten das Übel zur Wassersucht, so daß er, erst 51 Jahre alt, 31. Mai 1740 starb. Vgl. außer den (allerdings gehässigen) "Memoiren der Markgräfin Friederike Sophie Wilhelmine von Baireuth, 1706 bis 1742": F. Förster, F. Wilhelm I. (Potsd. 1835, 3 Bde.); dazu Urkundenbuch (1839, 2 Bde.); Stadelmann, F. Wilhelm in seiner Thätigkeit für die Landeskultur Preußens (Leipz. 1878); Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Bd. 4, Abt. 2-4 (das. 1869-70).

51) F. II., der Große, auch wohl der Einzige genannt, König von Preußen, Sohn des vorigen und der Königin Sophie Dorothea, ward 24. Jan. 1712 zu Berlin geboren. Sein Vater wollte aus ihm einen Fürsten machen, ganz wie er selber war, und schrieb daher einen genauen Erziehungsplan vor, welcher die geistige Bildung auf wenige Gebiete beschränkte, namentlich die Litteratur, klassische wie moderne, völlig ausschloß. Der junge Prinz wollte sich diesem engherzigen System nicht fügen, trieb heimlich verbotene Studien und gewöhnte sich, auch in andern Dingen den Willen seines Vaters zu mißachten: er zeigte wenig Interesse für die militärischen Exerzitien, neigte zu Luxus und Verschwendung und machte erhebliche Schulden. Der Streit wegen der englischen Heiraten, in dem der Kronprinz ganz auf der Seite seiner Mutter stand, weil sich ihm durch die Vermählung mit der Prinzessin Amalie eine Aussicht auf eine unabhängige Stellung als Statthalter Georgs II. in Hannover eröffnete, verbitterte das Verhältnis zwischen Vater und Sohn noch mehr. Der König, entschlossen, seinen Willen durchzusetzen, ließ sich endlich im Zorn zu den rohesten thätlichen Mißhandlungen auch in Gegenwart Fremder fortreißen, denen er sogar noch Hohn über des Sohnes Feigheit hinzufügte, daß er sich das gefallen lasse. Dies brachte in dem Kronprinzen den Entschluß, nach England zu fliehen, zur Reife; indes der 1730 auf einer Reise in das Reich unternommene Versuch mißlang, und ein aufgefangener Brief Friedrichs an Katte enthüllte dem König den ganzen Plan. Dieser, aufs äußerste entrüstet, mißhandelte den Sohn aufs empörendste und setzte, nachdem er ihn vom Rhein nach der Mark als Gefangenen hatte transportieren lassen, ein Kriegsgericht ein, um ihn als Deserteur zum Tod verurteilen zu lassen; ihm war der Gedanke unerträglich, daß seine mühsamen Schöpfungen im Staats- und Heerwesen durch einen solchen Nachfolger wieder zu Grunde gehen sollten. Indes das Kriegsgericht weigerte sich, über den Kronprinzen ein Urteil zu fällen, die fremden Höfe, auch der kaiserliche, verwendeten sich für das Leben Friedrichs, und so begnügte sich der König damit, ihn nach Küstrin in strenge Haft zu schicken. Der schreckliche Vorfall übte auf F., der auf den Tod gefaßt gewesen, die nachhaltigsten Wirkungen. Er beschloß, zu beweisen, daß der preußische Staat in seinen Händen wohl aufgehoben sein werde, und widmete sich in Küstrin mit Ernst und Eifer der strengsten Arbeit. Diese Umkehr