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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Galizien

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Galizien (Bergbau, Industrie und Handel, Bildungsanstalten).

verwüstet, und manche Gegenden im O., besonders um Tarnopol und Czortkow, leiden Holzmangel. Die Viehzucht Galiziens ist bedeutend, wenn sie auch noch vielfach der Vervollkommnung bedarf. Auf den ausgedehnten Weiden des Gebirges, wo eine Art Sennwirtschaft betrieben wird, gedeiht zahlreiches und treffliches Rindvieh (eine große, weißgraue Art mit langen Hörnern), das als Mastvieh viel nach den westlichen Kronländern, namentlich auch auf den Wiener Markt, ausgeführt wird. In den Ebenen nimmt in neuester Zeit die Zucht veredelter Schafe sehr zu und produziert geschätzte Wolle. Auch die galizischen Pferde sind von guter Rasse und zeichnen sich namentlich durch Leichtigkeit und Abhärtung aus. Außerdem werden Ziegen und Geflügel, besonders Gänse, in großer Menge gezogen; nicht minder ist die Bienenzucht von erheblichem Umfang, und das podolische Wachs wird fast dem türkischen gleichgesetzt. Nach der Zählung von 1880 bestand der Viehstand Galiziens in 735,262 Pferden, 1011 Maultieren und Eseln, 2,242,861 Stück Rindvieh, 609,253 Schafen, 13,225 Ziegen, 674,302 Schweinen und 295,686 Bienenstöcken. Die Fischerei in den zahlreichen Flüssen und Teichen des Landes ist sehr lohnend und auch die Jagd noch wichtig. An wilden Tieren finden sich in den Wäldern der Karpathen noch jetzt Wölfe, Luchse und Bären, von denen 1881: 94, resp. 39 und 15 erlegt wurden. Eine Art Schildlaus liefert die sogen. polnische Kochenille, die man am Weggras sammelt und zum Färben verwendet.

[Bergbau und Salinenwesen.] Unter den Bodenschätzen des Landes nehmen Steinsalz und Steinkohlen die erste Stelle ein. Das Salz ist in dem äußern Kranz der Karpathen im W. bei Wieliczka und Bochnia, im O. bei Stebnik, Bolechow, Lacko, Dolina, Drohobycz, Delatyn, Kossow und Kalusz (Kalisalz) in großer Mächtigkeit vorhanden. Zusammen wurden 1884 in elf Salinen, welche 1655 Arbeiter beschäftigten, 513,211 metr. Ztr. Steinsalz, 460,946 metr. Ztr. Sudsalz und 200,484 metr. Ztr. Industriesalz im Wert von 9,148,422 Gulden gewonnen. Die Kohlengruben liegen im Krakauer Gebiet und ergaben bei einer Verwendung von 1415 Arbeitern 1884: 4 Mill. metr. Ztr. Steinkohle. Eisenerz wird gleichfalls im westlichen Teil des Landes, 1884 in sechs Bergwerken mit 244 Arbeitern, in einer Menge von 150,000 metr. Ztr. gewonnen und teilweise in zwei Eisenschmelzwerken zu 58,800 metr. Ztr. Roheisen verhüttet. Außerdem wurden 1884: 87,000 metr. Ztr. Braunkohle, 900 metr. Ztr. Schwefel, 19,000 metr. Ztr. Bleierz und 137,000 metr. Ztr. Zinkerz gewonnen und aus letztern in zwei Zinkhütten 21,400 metr. Ztr. metallisches Zink und 21,700 metr. Ztr. Zinkweiß im Wert von 690,000 Gulden erzeugt. Von großer Wichtigkeit ist die Gewinnung von Petroleum, welche in G. zwar schon lange bekannt ist, aber vordem kaum gewürdigt wurde und erst, nachdem das Mineralöl seit etwa 1859 ein so hervorragender Gegenstand des Welthandels geworden ist, auch hier bedeutenden Aufschwung nahm. Das bisher aufgeschlossene Ölgebiet beträgt mehr als 9000 Hektar; die reichhaltigsten Gruben sind im südöstlichen Teil des Landes, im Bezirk Kolomea, und bei Boryslaw im Bezirk Drohobycz gelegen. Seit einigen Jahren sind systematische und bergmännisch betriebene Bohrarbeiten eingeleitet und Dampfmaschinen zum Bohren und Pumpen des Petroleums aufgestellt worden. Die Zahl der Raffinerien belief sich 1884 auf 57, welche jährlich ungefähr 200,000 metr. Ztr. raffiniertes Mineralöl erzeugen. Von sonstigen Mineralien werden Marmor, Alabaster, Schleifsteine und andre nutzbare Steinarten gewonnen.

[Industrie und Handel.] Von eigentlicher Industrie ist in G. nur wenig die Rede. Eine größere Fabrikindustrie hat sich in dem westlichsten, an Schlesien angrenzenden Teil entwickelt, wo Biala der Hauptsitz der Tucherzeugung ist (mit etwa 24,000 Spindeln und 320 Kraftstühlen). Eine große Ausdehnung hat die Branntweinbrennerei mit 525 Unternehmungen, welche hauptsächlich Kartoffeln als Rohstoff verarbeiten und über den Bedarf des Landes produzieren. Es bestehen 185 Bierbrauereien, aber nur wenig größere. Außerdem besitzt G. einige Maschinenfabriken (in Biala für die Tucherzeugung, in Lemberg und Krakau für die Landwirtschaft, Müllerei, Bäckerei, Brennerei), 16 Glashütten (für ordinäres Hohl- und Tafelglas), zahlreiche Ziegel- und Kalkbrennereien, Sägewerke, 7 Papierfabriken (mit 11 Papiermaschinen), 2 Rübenzuckerfabriken, 5 ärarische Tabaksfabriken und 50 Dampfmühlen (neben 3700 Wasser- und Windmühlen), endlich zahlreiche kleine Gerbereien und Unternehmungen für Seifen-, Kerzen- und Zündhölzchenerzeugung. Die Leinweberei und Halinatucherzeugung bildet namentlich im östlichen Teil des Landes eine Nebenbeschäftigung der Landbevölkerung. Der Handel, der sich, wie erwähnt, größtenteils in den Händen der Juden befindet, ist ziemlich lebhaft. Zur Ausfuhr kommen meist nur Rohprodukte: Getreide, Klee- und Ölsaat, Holz, Vieh (besonders Mastochsen), Salz, Petroleum und Spiritus. Dagegen wird fast der ganze Bedarf an Industrieartikeln aus dem westlichen Österreich eingeführt. Von Bedeutung ist der Transitverkehr zwischen Westösterreich und Deutschland und den Ländern am Schwarzen Meer, welcher durch die großen Eisenbahnlinien, die G. durchziehen, vermittelt wird. Es sind dies die Karl Ludwigs-Bahn von Krakau über Lemberg nach Brody und Podwoloczyska (Anschlüsse nach Rußland gegen Kiew und Odessa), die Lemberg-Czernowitzer Bahn (Anschluß nach Rumänien gegen Jassy und Galatz) und die Galizische Transversalbahn (von Saybusch über Sandec u. Stanislau nach Hussiatyn). Nach Ungarn führen aus G. drei Eisenbahnlinien, welche die Karpathen bei Zwardon, Leluchow und Lupkow mittels Tunnels durchschneiden. Eine vierte Linie von Stryi nach Munkács ist im Bau. Die Gesamtlänge der Bahnen in G. beträgt 2462 km. Außerdem bestehen 12,500 km meist gut gebauter und vortrefflich erhaltener Straßen. Zudem sind die meisten Flüsse schiff- oder flößbar; die Regulierung der Weichsel, die oft meilenweit von den vor Überschwemmung schützenden Dämmen begleitet ist, die des San und Dnjestr sind im Werk. Die Länge der Wasserstraßen beträgt 1070 km. Banken und Kreditinstitute (hauptsächlich für den Bodenkredit) bestehen in G. sieben mit einem eingezahlten Aktienkapital von 6,5 Mill. Gulden und einem Pfandbriefumlauf von über 100 Mill. Gulden. Die Sparkassen haben sich noch wenig eingebürgert, es sind deren 22 mit einem Einlagenstand von 36 Mill. Gulden vorhanden. An Bildungsanstalten besitzt G. 2 Universitäten, zu Lemberg und Krakau, mit je 900 Hörern, eine technische Hochschule zu Lemberg (200 Studenten), eine Kunstschule zu Krakau (125 Studierende), 4 theologische Lehranstalten; 17 Obergymnasien, 4 Untergymnasien und 3 Realgymnasien, 5 Oberrealschulen und eine Unterrealschule, 6 Bildungsanstalten für Lehrer und 3 für Lehrerinnen (Zahl der Schüler an allen Mittelschulen 14,030); 2 Handelsschulen, eine Staatsgewerbeschule, eine