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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gallus; Gallusgerbsäure; Gallussäure; Gallwespen

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Gallus, St. - Gallwespen.

G. 25 Jahre alt war (351), erhob ihn Constantius zum Cäsar und übergab ihm die Beschützung des Orients, indem er ihm Antiochia zur Residenz anwies. Da er sich aber seiner Stellung durch Willkür und Grausamkeit völlig unwürdig erwies, ließ ihn Constantius, nachdem er sich seiner Person mit List bemächtigt, 354 zum Tod verurteilen und hinrichten.

3) Lucius Cornelius, röm. Dichter, geb. 69 v. Chr. zu Forum Julii in Gallien, Freund des Vergil. Durch Oktavian aus seiner Niedrigkeit emporgehoben, ward er wegen seiner großen Verdienste im Kriege gegen Antonius 30 v. Chr. zum ersten Statthalter von Ägypten ernannt. Allein infolge von Verleumdung und eigner Schuld in Ungnade gefallen, gab er sich 26 selbst den Tod. Er galt den Römern als Begründer der römischen Elegie durch seine vier Bücher Elegien auf seine Geliebte Lycoris (Cytheris), die bis auf unbedeutende Bruchstücke verloren sind. Nach G. benannte W. A. Becker seine Darstellung des häuslichen Lebens der Römer: "G., römische Szenen aus der Zeit Augusts". Vgl. Völker, "Commentatio de C. Galli vita et scriptis" (Bonn u. Elberf., 1840-44, 2 Tle.).

Gallus, St. (eigentlich Callo oder Gallunus oder Gilian, auch Gall von Hibernien genannt), Gründer des berühmten Klosters St. Gallen, ward im Kloster Bangor von Columbanus erzogen, begleitete diesen 595 nach dem Festland und durchzog mit ihm Franken, Burgundien und Alemannien. Als Columbanus 612 zu den Lombarden ging, blieb G. zurück, wirkte als Missionär am Bodensee, zog sich aber später als Einsiedler in das wildeste Gebirge zurück, wo er eine Kapelle gegründet haben soll. Seitdem sein Grab von irischen Pilgern aufgesucht wurde, erwuchs aus unscheinbaren Anfängen allmählich das Kloster St. Gallen. Sein Tag ist der 16. Oktober. Seine aus dem 8. Jahrh. stammende Lebensbeschreibung befindet sich in Pertz' "Monumenta Germaniae historica". Bd. 2, eine neuere Ausgabe von Meyer v. Knonau in den "Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte", Bd. 12 (St. Gallen 1870). Die Kunst stellt G. dar als Eremiten mit einem Bären zur Seite, der ihn bedient, weil G. ihm einen Dorn aus der Tatze gezogen hatte. Vgl. Rettberg, Observationes ad vitam St. Galli spectantes (Marb. 1842); Derselbe, Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. 2 (Götting. 1848); Ebrard, Die iro-schottischen Missionskirchen (Gütersloh 1873).

Gallusgerbsäure, s. Gerbsäuren.

Gallussäure C7H5O5^[C_{7}H_{5}O_{5}] findet sich in Galläpfeln, Granatwurzelrinde, Sumach, Dividivi, im Thee, überhaupt in vielen adstringierenden Pflanzen, auch in manchen Rotweinen und entsteht, wenn man Tannin mit verdünnter Schwefelsäure oder mit überschüssiger verdünnter Kalilauge behandelt oder Galläpfelauszug an einem mäßig warmen Ort gären läßt. Zu ihrer Darstellung kocht man am zweckmäßigsten Tannin so lange mit verdünnter Schwefelsäure, bis die Flüssigkeit kristallisiert. Die Ausbeute beträgt dann gegen 87 Proz. Die G. bildet lange, seidenglänzende, farb- und geruchlose Kristalle mit 1 Molekül Kristallwasser, schmeckt säuerlich herb, löst sich leichten kochendem Wasser und Alkohol, schwieriger in Äther, färbt Eisenchlorid tief schwarzblau, fällt nicht Leimlösung, wird bei 100° wasserfrei und zerfällt bei 200° in Kohlensäure und Pyrogallussäure. G. reduziert aus Gold- und Silberlösung die Metalle. Ihre Lösung verändert sich bei Luftabschluß nicht, bei Luftzutritt scheidet sich unter Kohlensäureentwickelung ein schwarzer Körper ab. Ihre Salze (Gallate) sind trocken und in saurer Lösung beständig, in alkalischer Lösung ziehen sie begierig Sauerstoff aus der Luft an und färben sich braun und schwarz. Die G. findet in der Photographie als Reduktionsmittel Anwendung.

Gallwespen (Cynipidae Westw.), Insektenfamilie aus der Ordnung der Hautflügler, unscheinbare, kleine Tierchen mit kleinem, fast kreisrundem, tief unten stehendem Kopf, fadenförmigen, nicht gebrochenen Fühlern, drei Nebenaugen auf dem Scheitel, mäßig entwickelten Mundteilen, hoch gewölbtem Thorax und seitlich stark zusammengedrücktem, meist kurzem Hinterleib. Die Legeröhre des Weibchens ist eine feine, zum Teil sehr lange, an der Bauchseite entspringende, mit der Spitze aufwärts gerichtete, im Innern des Leibes gewundene Borste. Bei manchen Arten tragen die Weibchen verkümmerte oder gar keine Flügel und stehen deshalb gewissen kleinen Schlupfwespen nahe; zu mehreren Arten hat man bisher keine Männchen aufgefunden. Die meisten G. verwunden mit ihrem Legebohrer Blätter, Zweige, Wurzeln verschiedener Pflanzen, um ihre Eier in dem Pflanzengewebe abzulegen, und werden dadurch zu Erzeugern der Gallen (s. d.). Andre (Einmieter, Astergallwespen, Inquilinen) legen ihre Eier in die schon fertigen Gallen andrer Arten, und manche übertragen sie auf Larven andrer Insekten. Die Eier der G. sind viel dicker als der feine Legebohrer, sie laufen in einen langen Stiel aus, in welchen durch Druck der Inhalt des Eies während seines Durchganges durch die Legeröhre entleert wird, um nachher wieder in dasselbe zurückzutreten. Die Larven sind dick, nackt, etwas gekrümmt, mit hornigem Kopf, kräftigen Oberkiefern, augenlos und verpuppen sich in der Galle, meist ohne einen Kokon zu spinnen; das Insekt verläßt nach kurzer Puppenruhe die Galle, indem es ein rundes Loch bohrt. Weitaus die meisten G. leben auf Eichen, andre auf Ahorn, Vogelbeerbaum, wilden Rosen, Brombeeren, einige auf gewissen Kräutern; die Arten sind meist auf bestimmte Pflanzen, selbst auf bestimmte Pflanzenteile angewiesen und erzeugen charakteristische Gallen. Bei vielen Arten liefert die Wintergeneration parthenogenetisch Männchen und Weibchen, welche sich geschlechtlich fortpflanzen, aber nur Weibchen liefern. Die Zahl der parthenogenetischen Individuen ist größer als die der zweigeschlechtlichen. Bei vielen Arten findet Dimorphismus statt, und bisher als verschiedenartig aufgefaßte Tiere haben sich als zusammengehörige Generationen einer und derselben Art erwiesen. Meist entwickeln sich Sommer und Wintergeneration im Lauf eines Jahrs, bei manchen dimorphen Arten fordert die Entwickelung beider Generationen vier Jahre. Die Gattung Eichengallwespe (Cynips L.) ist charakterisiert durch den mehr oder weniger zottig behaarten Rücken des Mittelleibes, das große, fast halbkugelige Schildchen, den sitzenden, runden, zusammengedrückten Hinterleib und die nach vorn schwach verdickten Fühler. Man kennt nur die Weibchen. Die gemeine Gallapfelwespe (C. [Dryophanta] scutellaris Oliv., s. Tafel "Hautflügler"), 4 mm lang, schwarz, auf dem Schildchen, an Beinen und Kopf rostrot, mit rauhhaarigen Fühlern und Beinen, sticht die noch völlig unentwickelten Eichenblattknospen an, um bei jedem Stich ein Ei in dieselben zu legen; daraus entstehen die rotbäckigen, etwas höckerigen Gallen auf der Unterseite der Eichenblätter, in welchen die Fliege meist überwintert. Außer dieser erzeugen noch mehrere andre Cynips-Arten Gallen auf Eichenblättern. (C. corticis L. erzeugt becherförmige Gallen