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Gänseblümchen - Gänsehaut.
Gänsezucht hat in neuerer Zeit in mehreren Teilen Deutschlands erheblich abgenommen, weil vielfach die Gemeindehutungen aufgehoben worden sind. Die Gans gelangt nämlich nicht zur höchsten Vollkommenheit ohne hinreichende Bewegung im Freien. Es eignet sich aber nicht jede Fläche zur Gänsehut, weil die Gans das Gras bedeutend verunreinigt und ihre flüssigen Ausleerungen den Rasen verbrennen. Wasserreichtum begünstigt die Gänsezucht, weil die Wasserpflanzen reiche Nahrung bieten. Die Gans wird sehr früh fortpflanzungsfähig und bleibt es 20, nach Wright sogar 40 Jahre; zu junge G. zeigen wenig Lust und Ausdauer beim Brüten, und alte, welche zwar trefflich die Küchlein führen, haben völlig ungenießbares Fleisch. Man läßt deshalb die Zuchtgänse nur 3-4 Jahre brüten und ersetzt sie dann durch neue. Auf 2-6 G. rechnet man einen Gänserich. Die Legezeit beginnt im Januar oder Februar, und eine Gans legt, meist einen Tag um den andern, 12-20 Eier und mehr, welche man fortnimmt und frostfrei aufbewahrt, bis sich die Gans zum Brüten anschickt. Das Nest bereitet man aus einem flachen Korb und Stroh an einem ruhigen, trocknen, nicht zu hellen Ort zu ebener Erde und beschickt es mit nicht mehr als 13 Eiern. In die Nähe stellt man Futter, etwas Grünes und Wasser. Die Brütezeit dauert 27-28 Tage, bisweilen etwas länger. Die zuerst auslaufenden Küchelchen bringt man in einen mit Federn oder Wolle ausgefütterten Korb in die Nähe eines warmen Ofens, bis die andern ausgekrochen sind. Die Jungen fressen in den ersten 24 Stunden nicht, bekommen dann hart gekochte, zerhackte Eier mit fein gewiegten Nesseln und in einem flachen Gefäß reines Wasser. Bald darauf füttert man sie mit Gerstenmehl, Kleienmehl, mit Milch zu einem Teige gekneteten und mit gehackten Nesseln oder anderm Grünzeug gemischten Brotkrumen. Nach 8-14 Tagen läßt man sie, nachdem der Tau vollständig verschwunden ist, auf einem geschützten Grasplatz ins Freie, gibt dann auch allmählich gekochte und zerquetschte Kartoffeln mit Kleie, jungen Klee, Kohlblätter, Gemüseabfälle, Rüben, Möhren etc., alles sehr fein gehackt. Bis zur Ausbildung des Gefieders sind die Jungen vor Nässe und Kälte sorgfältig zu schützen. Nach der Ernte werden die G. häufig auf die abgemähten Felder getrieben (Stoppelgänse), und gegen den Oktober sind sie ausgewachsen. In oder nach der Erntezeit rupft man die jungen G. zum erstenmal, wobei man ihnen die Federn unter und seitwärts von der Brust und unten am Bauch auszieht; man muß aber die Daunen stehen lassen und ihnen nach dem Rupfen acht Tage lang Körnerfutter geben. Zu Michaelis rupft man sie zum zweitenmal und gibt dann bis Martini gleichfalls besseres Futter. Im Herbst füttert man junge und alte G. mit Malztrebern aus Bierbrauereien, geschnittenem Kohl, Kohlstrünken, gestampften Kartoffeln, Kleie, gelben Rüben etc. Zur Mast bringt man die G. in Pommern im Oktober in engere Räume und gibt ihnen einige Wochen so viel Hafer, wie sie konsumieren mögen. Im südlichen Frankreich werden die G. zweimal täglich mittels eines Trichters mit gequelltem Mais gestopft. In 4-6 Wochen verbraucht eine Gans 30 Lit. Mais. Nach dem Stopfen bewegen sich die G. frei im Stall und erhalten alle zwei Tage frisches Stroh. An andern Orten werden die G. eine Zeitlang mit Hafer gefüttert und dann mit Nudeln aus schwarzem Mehl und Erbsen gestopft. Über die Mästung der G. zur Bereitung der Gänseleberpasteten s. d. Man erreicht bei der Mast ein Gewicht von 8-10, selbst 12 und ausnahmsweise 14 kg. Die G. liefern Bett- und Schreibfedern. Das Fleisch von einjährigen Gänsen ist sehr zart, aber, wenn es fett ist, etwas schwer verdaulich. Es kommt auch gepökelt und geräuchert (Gänsebrüste, Gänsekeulen), besonders aus Pommern, Westfalen, dem Elsaß und den Vogesen, in den Handel. Die Leber der gemästeten G. wird allen andern Teilen vorgezogen. Die Römer verstanden bereits die Kunst, sie durch Fütterung mit Mehl, Milch und Feigen zu vergrößern und schmackhaft zu machen. Die größten Lebern benutzt man gegenwärtig zur Bereitung der Gänseleberpasteten (Straßburg, Kolmar, Toulouse). Das Gänsefett ist sehr leicht schmelzbar und wird allgemein wie Butter benutzt, von den Juden namentlich auch an Stelle des Schweineschmalzes.
Im allgemeinen ist die Gans gegen Krankheiten sehr widerstandsfähig. Relativ oft werden Darmaffektionen (Darmkatarrh und Darmentzündung) beobachtet, zu welchen tierische Parasiten und spezifische Infektionsstoffe Veranlassung geben können. Bandwürmer, Saugwürmer und Rundwürmer werden in mehreren Arten im Darmkanal der G. angetroffen; sie erzeugen Appetitmangel und progressive Abmagerung. Zur Feststellung dieser parasitären Krankheiten ist die sorgfältige Sektion eines eingegangenen oder getöteten Tiers erforderlich. Die Abtreibung der Parasiten wird am besten mit Arekanußpulver (3,0 g mit Butter in Pillenform) bewirkt. Auf der Haut und im Gefieder der G. schmarotzen nicht selten Milben und Federlinge, welche die Tiere sehr belästigen und die Ernährung beeinträchtigen. Die Behandlung geschieht mit persischem Insektenpulver oder mit einer Abkochung von Anissamen. Daneben ist die Stallung zu reinigen und mit Kalkmilch unter Zusatz von Karbolsäure auszuweißen. Gefährlicher ist die Geflügelcholera (s. Hühnercholera). Auch vom Milzbrand und der Aphthenseuche werden die G. befallen. Ziemlich oft kommen Vergiftungen vor und zwar sowohl mit mineralischen (Arsenik, Quecksilber, Phosphor, Zink, Blei) als mit vegetabilischen Giften (Eibenbaum, Schierling, giftige Pilze und verschimmeltes Futter). Die Behandlung ist größtenteils auf die Prophylaxe zu richten; den kranken Tieren ist schwarzer Kaffee und Schleim in reichlichen Dosen einzugeben. Die nicht selten bei Gänsen auftretenden Krankheiten der Leber (Fettleber und Leberrupturen) stehen mit der intensiven Mästung im Zusammenhang, letztere ist daher nicht übermäßig lange fortzusetzen.
Gänseblümchen, s. Bellis. - Große Gänseblume, s. Chrysanthemum.
Gänsebrust (Pectus carinatum), eine fehlerhafte Gestaltung des knöchernen Brustkorbes, ist charakterisiert durch das kielförmige Vorstehen des Brustbeins, während die vordern Abschnitte der Rippen von der Seite her eingedrückt erscheinen, wodurch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Bau der Vogelbrust zu stande kommt. Die G. bildet sich in den frühsten Kinderjahren infolge der Rhachitis (s. d.).
Gänsefuß, Pflanzengattung, s. Chenopodium.
Gänsefußartige Gewächse, s. Chenopodiaceen.
Gänsefüßchen, s. Anführungszeichen.
Gänsehaut (Cutis anserina), eine bei Einwirkung von Kälte, Schreck, Furcht, zuweilen bei Ekel, unangenehmen Gehörseindrücken und hysterischen Krämpfen eintretende Erscheinung an der Haut, wobei kleine zerstreute Erhebungen, den Talgdrüsen entsprechend, auf derselben sichtbar werden. Die Erscheinung beruht auf krampfhaftem Zusammenziehen der mikroskopisch kleinen unwillkürlichen Hautmuskeln (Arrectores pilorum). Da sich gleichzeitig auch die