Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gemmi; Gemmingen; Gemmula; Gemona; Gemoniä; Gemsballen; Gemsbart

75

Gemmi - Gemsbart.

G. (Daktyliotheken, s. d.) an. Pompejus brachte die Daktyliothek des Königs Mithridates nach Rom und stellte sie in einem Tempel auf. Julius Cäsar stiftete sechs Daktyliotheken in dem Tempel der Venus Genitrix. Man trieb nun großen Luxus mit G., besetzte damit sogar Kleider, Gefäße, Kandelaber und Geräte aller Art. Der bedeutendste Gemmenschneider dieser Zeit war Dioskurides. Damals entstanden auch die sehr großen, überaus kostbaren Kameen, die jetzt in den Sammlungen zu Wien, Paris, Petersburg u. a. aufbewahrt werden. Die berühmtesten sind: der schon in alexandrinischer Zeit entstandene Cammeo Gonzaga in Petersburg (s. Tafel, Fig. 15), die Gemma Augustea mit der Darstellung der Familie des Augustus in Wien, der Pariser Cammeo mit demselben Gegenstand (s. Tafel, Fig. 17) und der niederländische mit der Familie des Claudius im Haag. Man fertigte selbst ganze Gefäße aus Edelstein und versah sie mit künstlerisch ausgebildeten Reliefs, wovon die hervorragendsten Beispiele das Mantuanische Gefäß (s. d.) in Braunschweig, die Farnesische Schale aus Sardonyx in Neapel u. ein Becher in Paris sind.

Antike G. aller Art, auch antike Nachbildungen derselben in Glas, sogen. Pasten, oft von vorzüglicher Arbeit, sind uns noch in sehr großer Anzahl erhalten. Zu Ende der römischen Kaiserzeit artete die Glyptik aus, wurde roh und diente häufig dem Aberglauben. Im Mittelalter verlor sich die Kunst beinahe, und erst gegen das Ende desselben erwachte zunächst in Italien das Interesse für antike Münzen und G. wieder. Es entstanden damals die Grundlagen der noch heute bestehenden großen Sammlungen im Besitz des italienischen Adels und in den Museen zu Berlin, Wien, Petersburg, Paris, London, Florenz, Neapel, Gotha, Dresden, Kassel, Kopenhagen, Haag. Die Liebhaberei dafür war besonders im 18. Jahrh. weit verbreitet. Damals entstand die große Sammlung des Barons Ph. v. Stosch (s. d.), welche nachmals an das Berliner Museum überging; ferner die Sammlung des Herzogs von Marlborough, die 1875 für 35,000 Guineen (735,000 Mk.) an den englischen Kohlenbergwerksbesitzer David Bronslow überging. Auch Kopien der G. in Glas und Abdrücke in Schwefel, Gips etc. wurden gefertigt und fleißig gesammelt. Am bekanntesten sind die Lippertschen Abdrücke, welche unter dem Namen Lippertsche Daktyliothek (3000 Abdrücke) noch heute benutzt werden. Daneben sind die Abdrücke von Tassie (Katalog von Raspe, 1792) und die "Impronte gemmarie del Istituto archeologico di Roma" hervorzuheben. Mit dem Interesse für antike G. entstand auch das Bedürfnis, sie nachzuahmen, woraus sich dann allmählich ein neuer Kunstzweig entwickelte, welcher im 16. Jahrh. zu hoher Blüte gelangte. Die bedeutendsten Gemmenschneider des "Cinquecento" sind: Vittorio Pisano, Compagni, Caradosso, Giovanni delle Carneoli, Marmitta Vater und Sohn, Belli, Daniel Engelhart und etwas später Caraglio, Cesari, Mondella, Nassaro (Fig. 24), Pescia, Saracchi, Trezzo, Coldoré (Fig. 30), Kilian und Schwaiger und im 17. und 18. Jahrh. Pilaja, Torricelli, Tortorino, Höfler, Antonio, Giovanni und Luigi Pichler (Fig. 21, 28 u. 29), Amastini, Cades, Cerbara (Fig. 22), Costanzi, Santarelli, Dorsch, Hecker, Natter, Brown (Fig. 32), Busch, Marchant (Fig. 23), Guay (Fig. 31), Jeuffroy (Fig. 33), Berini, Morelli, Girometti und Calandrelli (Fig. 27). Im Anfang unsers Jahrhunderts hatten besonders Goethe, dann Kestner in Rom, der Herzog von Luynes und der Herzog von Blacas eifrig antike G. gesammelt. Seitdem ist aber das Interesse für sie wesentlich erlahmt, trotz der wissenschaftlichen Anregung dazu, namentlich durch die Forschungen von Köhler und Brunn ("Geschichte der griechischen Künstler", Bd. 2, S. 441 ff.). Doch ist noch in letzter Zeit eine bedeutende, über 1000 G. von allen Völkern zählende Privatsammlung von Tob. Biehler (Baden bei Wien) angelegt worden. Vgl. O. Müller, Handbuch der Archäologie (3. Aufl., § 313-315); Frischholz, Lehrbuch der Steinschneidekunst (Münch. 1820); Krause, Pyrgoteles (Halle 1856, woselbst auch fast die gesamte Litteratur über Kunde antiker G. angegeben ist); King, Antique gems and rings (3. Aufl., Lond. 1872); Derselbe, Handbook of engraved gems (2. Aufl., das. 1885); Bucher, Geschichte der technischen Künste, Bd. 1 (Stuttg. 1875); Kluge, Handbuch der Edelsteinkunde (Leipz. 1860).

Gemmi, ein Hochgebirgspaß (2302 m), der, die Berner Alpen überschreitend, aus dem Kanderthal (Berner Oberland) nach dem Wallis führt. Die Länge des an Abgründen vorüberführenden schmalen Pfades, welchen die Kantone Bern und Wallis 1736-41 gemeinschaftlich aussprengen ließen, beträgt 3 km. Der Weg gewährt eine erhabene Aussicht auf das wilde Gasterenthal und die Hohe Altels mit ihren Eismassen. Oberhalb Kandersteg umgeht er die Klus (1300 m), welche das Gasterenthal von der tiefern Stufe trennt, und folgt dem Schwarzbach bis in die Nähe seines Quellgletschers zu dem düstern Dubensee. Der Weg abwärts nach dem in schwindelnder Tiefe ruhenden Leuker Bad (1415 m) ist originell in die westliche Wand einer grausigen Bergspalte eingesprengt, oft so, daß er wie in Stockwerken sich wiederholt.

Gemmingen, Otto Heinrich, Freiherr von G.-Hornberg, ein seiner Zeit beliebter dramatischer Dichter, geb. 8. Nov. 1755 zu Heilbronn, war erst bei der kurpfälzischen Regierung in Mannheim beschäftigt und siedelte 1784 nach Wien über, wo er zuerst verschiedene litterarische Zeitschriften herausgab, dann (1799-1805) als badischer Gesandter fungierte. Darauf zog er sich auf seine Güter in Baden, später nach Heidelberg zurück, wo er nur seiner Familie und den Wissenschaften lebte. Er starb 15. März 1836. Als Dichter machte er sich besonders durch sein Diderots "Père de famille" nachgebildetes Schauspiel "Der deutsche Hausvater" (Mannh. 1782, 1791) bekannt, womit er die lange Reihe der rührenden Familienschauspiele eröffnete. Auch hat man von ihm eine "Mannheimer Dramaturgie" (Mannh. 1779); Shakespeares "Richard II." bearbeitete er für die deutsche Bühne (das. 1782).

Gemmula (lat.), in der Botanik das Federchen oder Knöspchen (plumula) am Embryo der Pflanzensamen; auch die Samenknospe (s. d.) oder das Eichen (ovulum) in der Blüte.

Gemona, Distriktshauptstadt in der ital. Provinz Udine, an der Eisenbahn Pontebba-Udine, hat eine schöne Hauptkirche, (1881) 2755 Einw., welche Seidenspinnerei, Wirkerei und Handel betreiben, und eine technische Schule.

Gemoniä (Gemoniae scalae, "Seufzertreppe"), ein mit Stufen versehener, abschüssiger Ort am Aventinischen Hügel in Rom, von dem die Leichname der Hingerichteten mittels eines Hakens hinabgeschleift wurden, um in den Tiber geworfen zu werden.

Gemsballen (Gemskugeln), s. Bezoar.

Gemsbart, die Haare auf dem Widerrist der Gemsen, welche zum Schmuck von Jagdhüten getragen werden und beim Bock besonders in der Brunstzeit eine beträchtliche Länge haben.