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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gortyn; Gortys; Görtz

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Gortyn - Görtz.

Wege glückte, so schritt er zum Krieg. Während desselben befand er sich im Hauptquartier des Kaisers und kehrte erst im Dezember 1877 mit demselben nach St. Petersburg zurück. Seitdem schloß er sich ganz der panslawistischen Partei an. Der Friede von San Stefano war sein Werk. Unmittelbar darauf, im Frühjahr 1878, erkrankte er heftig, gerade während Rußland sich genötigt sah, den Frieden von San Stefano der Genehmigung Europas zu unterbreiten; kaum genesen, begab er sich im Juni zum Berliner Kongreß als erster Bevollmächtigter Rußlands, wohnte indessen wegen seines leidenden Gesundheitszustands nur einigen Kongreßsitzungen bei und gab, durch das Ergebnis des Kongresses in seiner Eitelkeit tief gekränkt, seine Unzufriedenheit sehr deutlich kund. Die Schuld an Rußlands Mißerfolgen maß er Bismarck bei, beschuldigte ihn und Deutschland der Undankbarkeit und bemühte sich, von unversöhnlichem Groll beherrscht, eine Koalition mit Frankreich zu stande zu bringen, um Deutschlands Macht zu stürzen. Doch scheiterten seine Ränke an Bismarcks Überlegenheit. Seit 1880 lebte er seiner Kränklichkeit wegen meist in Baden-Baden und behielt sein Amt nur dem Namen nach. Nachdem er 3. April 1882 unter lebhaftem Dank seitens des Zaren seine Entlassung erhalten, starb er 11. März 1883 in Baden-Baden und wurde in Petersburg beigesetzt. Mit einer Fürstin Urussow seit 1838 vermählt, hatte G. zwei Söhne, von denen der ältere, Michael, geb. 1839, seit Januar 1879 Gesandter in Madrid, der andre, Konstantin, geb. 1841, Hofstallmeister ist.

Gortyn (Gortyna), im Altertum eine der bedeutendsten Städte Kretas, unweit des Lethäos (jetzt Hierapotamo), mit Tempeln des Apollon Pythios, der Artemis und des Zeus, kämpfte lange mit Knosos um die Oberherrschaft auf der Insel und war unter der Herrschaft der Römer deren Hauptstadt. Ruinen finden sich beim Dorf Hagii-Deka. Neuerdings wurde G. bekannt durch eine 1884 von Halbherr und Fabricius dort gefundene Inschrift aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrh. v. Chr., welche, in ältestem Dorisch und mit einem fast rein phönikischen Alphabet geschrieben, hochinteressante gesetzliche Bestimmungen enthält. Vgl. Bücheler und Zitelmann, Das Recht von G., herausgegeben und erläutert (Frankf. a. M. 1885); Zitelmann in der "Deutschen Rundschau" 1886, August.

Gortys (Gortyna), im Altertum Stadt im westarkadischen Gebiet Kynuria, an einem Zufluß des Alpheios, mit einem berühmten Asklepiostempel, von dem sich noch Reste beim heutigen Atzikolo finden. G.' Name ist neuerdings auf das südlicher gelegene Karytäna übertragen worden.

Görtz (Schlitz, genannt von G.), altadlige. Familie, die im frühen Mittelalter die reichsunmittelbare Herrschaft Schlitz an der Fulda erwarb und bei dem Hochstift Fulda die Erbmarschallswürde bekleidete, wurde 1677 in den Reichsfreiherren- und 1726 in den Reichsgrafenstand erhoben. Durch die Rheinbundsakte kam die Herrschaft unter großherzoglich hessische Oberhoheit; später aber wurden der Familie die standesherrschaftlichen Rechte und dem Haupte derselben 1829 das Prädikat Erlaucht verliehen. Die Familie teilt sich in zwei Linien, in die ältere zu Schlitz oder die standesherrliche und die jüngere in Braunschweig und Hannover, die sich G.-Wrisberg nennt. Die namhaftesten Glieder der Familie sind:

1) Georg Heinrich von, Minister Karls XII. von Schweden, geb. 1668, stand erst in holstein-gottorpschen Diensten und erwarb sich 1706 bei einer Sendung an Karl XII. nach Altranstädt das Vertrauen dieses Königs. Nachdem er 1709 oberster Verwalter der gottorpschen Besitzungen geworden, trat er 1714 in die Dienste Karls XII. Derselbe übertrug ihm 1715 die oberste Leitung der Finanzen und der auswärtigen Angelegenheiten, worauf G. hauptsächlich Verbesserung der zerrütteten Finanzen, allerdings durch bedenkliche Mittel, und eine russische Allianz gegen Polen, Dänemark und England erstrebte. Karls XII. Tod kreuzte die fast zur Reife gediehenen Pläne des Ministers, und derselbe ward von der unter Karls Nachfolgerin Ulrike Eleonore wieder zur Herrschaft gelangten Adelsoligarchie des Unterschleifs und der Verräterei beschuldigt und zum Tod verurteilt, den er 13. März 1719 auf dem Schafott mit würdiger Fassung erlitt. Nach seinem Tod wurde seine Unschuld anerkannt. Vgl. K. v. Moser, Rettung der Ehre und Unschuld des Freiherrn v. Schlitz, genannt v. G. (1776).

2) Johann Eustach, Graf von Schlitz, genannt v. G., ausgezeichneter Staatsmann, geb. 5. April 1737 auf dem väterlichen Stammschloß zu Schlitz in Hessen, studierte 1752-55 zu Leiden und Straßburg, trat 1755 in weimarische, dann in gothaische Staatsdienste und leitete 1762-75 die Erziehung der Prinzen Karl August und Konstantin von Weimar. 1778 vom König Friedrich II. von Preußen nach München und Zweibrücken gesandt, um die nach Maximilian Josephs Tod von Österreich in Vorschlag gebrachte Abtretung eines Teils von Bayern an jenen Staat zu hintertreiben, löste er diese schwierige Aufgabe, indem er den Herzog Karl von Zweibrücken zur Protestation gegen die Teilung bewog, und ward infolgedessen zum Wirklichen Staatsminister ernannt. 1779 erhielt er den Gesandtschaftsposten in Petersburg, wo er bis 1785 blieb, ohne jedoch die Abwendung der Kaiserin Katharina vom preußischen Bündnis hindern zu können. Nach Friedrichs II. Tod wurde er von Friedrich Wilhelm II. nach Holland geschickt, um die Zwistigkeiten zwischen der oranischen Familie und den Patrioten zu schlichten, hatte aber keinen Erfolg. Als preußischer Reichstagsgesandter in Regensburg 1788-1806 wohnte er dem Rastatter Friedenskongreß und der zur Vollziehung des Lüneviller Friedens in Regensburg zusammengetretenen außerordentlichen Reichstagsdeputation bei. Die Auflösung des Deutschen Reichs setzte ihn außer Thätigkeit; nach Abschluß des Tilsiter Friedens nahm er seine Entlassung und starb 7. Aug. 1821 in Regensburg. Er schrieb: "Mémoires ou précis historique sur la neutralité armée" (Basel 1801); "Mémoires et actes authentiques relatifs aux négociations qui ont précédé le partage de la Pologne" (Weim. 1810); "Mémoire historique de la négociation en 1778" (Frankf. 1812). Aus seinem Nachlaß erschienen: "Historische und politische Denkwürdigkeiten" (Stuttg. 1827-28, 2 Bde.).

3) Karl Heinrich, Graf von, geb. 15. Febr. 1822, großherzoglich hess. Generalmajor à la suite, machte 1844-47 eine Reise um die Welt, deren Beschreibung er (Stuttg. 1852, 3 Bde.; 2. Aufl. in 1 Bd., 1864) herausgab, ward 1850 hessischer Gesandter in Berlin, 1852 in Dresden, dann in Kassel, war lange Präsident der hessischen Ersten Kammer und starb 8. Dez. 1885. - Gegenwärtiges Haupt der ältern Linie zu Schlitz ist sein Sohn Graf Emil, geb. 15. Febr. 1851, Direktor der Kunstschule zu Weimar.

4) Hermann, Graf von G.-Wrisberg, geb. 5. April 1819 zu Hannover, studierte die Rechte, trat sodann in den herzoglich braunschweigischen Staats-^[folgende Seite]