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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Graphische Statik

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Graphische Künste - Graphische Statik.

Nachahmer gefunden hat. Fasol in Wien versuchte den Bildersatz vermittelst Punkte und schraffierter Linien und nannte sein Verfahren Stigmatypie, hat damit aber bei aller Künstlichkeit doch keine künstlerischen Erfolge erzielen können. Moulinet und Monpied in Paris hatten vor ihm das Gleiche mit typographischen Linien zu erreichen gestrebt. Für Blinde wurde die Typhlotypographie (Ektypographie) erfunden. Der Musiknotendruck wurde zwar schon frühzeitig von der typographischen Presse kultiviert; allein erst durch die Bemühungen Breitkopfs, Schelters, Duvergers u. a. gelang es, Typen zu schaffen, die den Anforderungen der Neuzeit entsprechen. Noch ist des Naturselbstdrucks (s. d.) zu gedenken, der, allerdings nur auf der Kupferdruckpresse herstellbar, von Auer (s. d.) in Wien ausgebildet ward.

Die Lithographie, welche so wesentlich als Rivalin der Typographie auftrat, machte auf den ihr eigentümlichen Gebieten nicht minder bedeutende Fortschritte: wie sie der letztern in allen Fällen überlegen war, wo es sich um Herstellung von Schrift und Bild bei verhältnismäßig kleiner Auflage handelte, ermöglichte sie auch durch billige Herstellung die Vervielfältigung von Zeichnungen, die sonst nur im Kupferstich ausführbar, daher sehr kostspielig waren. Die Erfindung und Einführung von Liniier-, Guillochier- und Reliefkopiermaschinen gab diesen Arbeiten eine ungeheure Mannigfaltigkeit, und die in Verbindung damit hergestellten Gravierarbeiten wetteiferten in Feinheit der Linien mit dem Kupfer- und Stahlstich. Auch der Farbendruck fand hier weit leichter Anwendung. Dondorf, Winckelmann, Seitz, Hölzel, Hagelberg, Lemercier in Paris, Delarue in London, Prang in Boston u. a. leisteten und leisten noch in Polychromie und Chromolithographie Außerordentliches. Der sonst allein dem Kupferstich überwiesene Landkarten- und Notendruck fiel gar bald zum größten Teil der Lithographie anheim; Becker u. Komp. in London erfanden den Omnigraphen, eine Graviermaschine für Schrift in jeder Größe (1841), und Wagner in Hannover (1855) ein Papier, welches trocken bedruckt werden konnte, wodurch nicht nur der Eindruck verschiedener Farben, sondern auch das genaue Aneinanderschließen mehrerer Blätter ermöglicht wurde. - Das Zink, welches in den meisten Fällen den Stein zu ersetzen im stande ist, hat, wie schon oben bemerkt, zu mancherlei Übertragungen gedient, und die Bestrebungen richteten sich immer wieder auf dieses der Lithographie eigentümliche Gebiet. Die Kunst, ältere Drucke oder selbst Handschriften aufs neue abdrucken zu können, um dadurch selten gewordene Kunstblätter, Urkunden etc. zu vervielfältigen und gewissermaßen dasselbe auf billigerm Weg zu leisten als die Stereotypie, ward von verschiedenen unter mancherlei Namen erstrebt. So nannte Appel sein Verfahren das des "Wiedererstehens" (s. Anastatischer Druck); d'Ester und Camphausen in Köln wählten für ein ähnliches Verfahren den ungefähr gleichbedeutenden Namen Palingraphie. Aloys und Schilling bezeichneten den Zweck ihres Verfahrens durch die Benennung Lithotypie, und das 1863 von Helfmann in Valparaiso angewandte Verfahren zur Wiedererzielung gleichartiger Abdrücke wurde Homöographie genannt. Die Photographie findet auch bei der Lithographie und Zinkographie die ausgedehnteste Anwendung. Der Kupferstich wurde durch die fortschreitende Entwickelung der andern graphischen Künste immer mehr auf sein eigentliches Gebiet, auf die Wiedergabe der Meisterwerke in Zeichnung und der Gemälde von größern Dimensionen, verwiesen. Ebenso sind die Manier des Kupferstichs, welche das Ätzen mit dem Stichel verbindet, und das Radieren mit der Nadel auf Kupfer stark in Aufnahme gekommen, um so mehr, als man jetzt in der Galvanoplastik das Mittel besitzt, diese leicht abnutzbaren Platten für den Druck zu vervielfältigen oder galvanisch zu verstählen. Die für die Lithographie bestimmten Maschinen dienen auch dem Kupferstecher, und namentlich war die von Collas erfundene Reliefkopiermaschine, auch die numismatische genannt, zuerst für Kupferstich bestimmt. Als Surrogate des Kupferstichs rief die Galvanoplastik die Galvanographie (s. d.) und die Stylographie (s. d.) hervor. Die Photogalvanographie (s. d.) wird ebensowohl für Kupfer- wie für Stahlstich benutzt. Der Stahlstich, welcher von Haus aus nur die Eigentümlichkeiten des Materials zu überwinden hatte, gewann in technischer Beziehung viel durch neue verbesserte Ätzmittel. An Ausbreitung hat er jedenfalls den Höhepunkt schon hinter sich, da er seit der großen Vervollkommnung des Holzschnittes und der typographischen Reproduktionsverfahren immer weniger als Illustrationsmittel verwendet wird. Auch der Stahlstich erhielt seinen Naturselbstdruck, indem Niepce und Talbot die Stahlplatte mit einer durch das Licht zersetzbaren Schicht bedeckten und nun Pflanzen oder Gewebe darauf festpreßten; durch einen chemischen Prozeß, der die vom Licht nicht zersetzten Teile auflöst und ätzt, entsteht dann das Bild. Man hat dieses Verfahren, zu dessen Vervollkommnung man auch die Photographie zu Hilfe genommen, photographischen Stahlstich genannt. Am weitesten hatte es hierin der schon erwähnte Paul Pretsch gebracht, der seine Platten nach Belieben erhaben für die Buchdruckpresse oder vertieft in Kupfer oder Stahl zu erzeugen vermochte und der in Joseph Leipold, gegenwärtig Direktor der Banknotendruckerei zu Lissabon, einen talentvollen Schüler und Nachfolger gefunden hat. Die als Surrogat des Stahlstichs von Bromeis und Böttcher 1844 erfundene Glasätzkunst oder Hyalographie (s. d.) lieferte sehr feine, fast zu feine Bilder, hat aber keine große Verbreitung gefunden. Vgl. Waldow, Encyklopädie der graphischen Künste (Leipz. 1880 ff.); Scamoni, Handbuch der Heliographie etc. (2. Aufl., Petersb. 1872); Weishaupt, Gesamtgebiet des Steindrucks (5. Aufl., Weim. 1875); Schnauß, Der Lichtdruck und die Photolithographie (3. Aufl., Düsseld. 1886); Mönch, Handbuch der Chemigraphie und Photochemigraphie (das. 1886); de Lostalot, Les procédés de la gravure (Par. 1882).

Graphische Statik (Graphostatik), eine Behandlungsweise der Statik (s. d.), bei welcher an die Stelle der Rechnung die graphische Darstellung tritt. Ein solches Verfahren ist besonders dann von Wert, wenn die Resultate der Untersuchung ohnehin schließlich in eine Zeichnung eingetragen werden, wie dies der Ingenieur, Architekt etc. zu thun pflegen. In einzelnen Fällen hat man allerdings schon längst graphische Methoden neben den analytischen verwendet, und insbesondere hat man nicht selten allgemeine analytische Resultate nachträglich an graphischen Darstellungen erläutert; die systematische Anwendung der Zeichnung anstatt der Rechnung rührt aber vom Professor C. Culmann in Zürich (gest. 1881) her. Die Ermittelung der in den einzelnen Konstruktionsteilen von Brücken, Dächern und ähnlichen Anordnungen eintretenden Beanspruchungen wird