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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Graupen - Gravelines.

zu G. gerundet. Am gangbarsten sind Gerstengraupen (Koch- oder Rollgerste und feinere Perlgraupen). Die Anfertigung der G. aus Gerste erfordert fast dieselben Maschinen und ähnliche Manipulationen wie das Spitzen des Weizens. Sind die Körner von ihrer äußern Hülse oder Schale befreit, so bringt man sie auf die Graupenmühle, in welcher ein einziger sehr großer, horizontal gehender Stein aus stets rauh und körnig bleibendem Material in einer konzentrischen Kapsel (Bütte) läuft. Letztere ist innen, der Stirn- und Bodenfläche des Steins gegenüber, mit einem Reibeisen versehen, welches den Bart dem Stein zukehrt und 10-20 mm von demselben entfernt ist. Das Graupenmachen wird lediglich durch die Mantelfläche des Läufersteins unter Mitwirkung der Reibeisenbleche bewirkt, indem die Körner zwischen Stein und Bütte so lange in spiralförmigen Bahnen herumgejagt und abgerieben werden, bis sie den Boden erreicht haben. Ist ein bestimmtes Quantum Gerste eine gewisse, durch Versuche ermittelte Zeit lang bearbeitet worden, so entleert man die Mühle. Auf den neuern Graupenmühlen mit vertikalen Steinen (sogen. holländischen Gängen) arbeitet der Stein mit seiner ganzen Oberfläche gegen Reibeisen, die in einer denselben umgebenden Kapsel (Graupenring) angebracht sind, welche sich in entgegengesetzter Richtung langsam dreht. Nach dem Vergraupen und bei feinern Sorten auch vor jedesmaligem wiederholten Aufschütten bringt man das Mahlgut auf Sauber- und Sortierwerke und reibt oder poliert die G. schließlich wohl auch noch zwischen Läufern ohne Reibeisenbeschläge oder in besondern Poliermaschinen. Für feinere G. zerbricht man die gereinigten oder enthülsten Körner zunächst auf gewöhnlichen Mahlgängen (Reißgängen) oder auf nach Art der Kaffeemühlen konstruierten Reißmaschinen oder zerschneidet sie mit Hilfe mehr oder weniger vollständiger Schneidewerke (Spaltmaschinen), deren drehbare Messer die Körner rechtwinkelig zur Länge halbieren oder zwei- bis dreimal teilen. 17 Ztr. Gerste liefern 11-12 Ztr. ordinäre, aber nur 5-6 Ztr. extrafeine oder 3-4 Ztr. Perlgraupen. G. bilden einen starken Handelsartikel und werden in Ulm, Wien, Nürnberg, Frankfurt a. M., namentlich auch in Thüringen, häufig fabriziert. G. aus unreifen Dinkelkörnern bilden das Grünkorn (s. d.).

Graupen (Gräuple), größere Erzkörner, welche bei der Aufbereitung (s. d.), namentlich der Siebsetzarbeit, ausgeschieden werden; mit dem Namen Zinn- oder Visiergraupen bezeichnet man den in Zwillingskristallen vorkommenden Zinnstein.

Graupen, Stadt in der böhm. Bezirkshauptmannschaft Teplitz, in einem tiefen Thal am südlichen Abhang des Erzgebirges, an der Dux-Bodenbacher Eisenbahn, mit altem Schloß, (1880) 2904 Einw., Zinn- und Braunkohlenbergbau, Bierbrauerei, Brettsäge, Wirkerei und Fabrikation von Schuhwaren und Dachsteinpappe. Dabei zwei von Teplitz vielbesuchte Aussichtspunkte, die Rosenburg und Wilhelmshöhe. Auf der Höhe des Erzgebirges über G. das Mückentürmchen (805 m). G. wurde 1478 zur Bergstadt erhoben. Vgl. Hallwich, Geschichte der Bergstadt G. (Prag 1868).

Grausam, dasjenige, was Grausen, aber nicht bloß vor der That, sondern (und noch viel mehr) vor dem Thäter (Mord der Desdemona) erregt.

Grauspießglanzerz, s. v. w. Antimonglanz.

Grauwacke, ein Konglomerat oder Sandstein, dessen Bruchstücke (Quarz, Kieselschiefer, Thonschiefer) durch ein gewöhnlich dunkel gefärbtes thonig-kieseliges oder kieseliges Bindemittel verkittet werden. Glimmerführende und sehr kleinkörnige Grauwacken sind oft deutlich schieferig (Grauwackenschiefer, Sparagmit der nordischen Geologen). Im Silur und Devon sowie in der Kulmfacies des Kohlensystems spielen die Grauwacken eine große Rolle.

Grauwerden der Haare, s. Haarkrankheiten.

Grauwerk (Veh, Feh), graue Winterfelle der Eichhörnchen, kommen besonders aus Rußland und Sibirien in den Handel und sind um so heller, aus je westlichern Ländern sie stammen; die dunkelsten, welche am geschätztesten sind, liefert Ostsibirien. Die amerikanischen Felle sind schwarz oder grau, fast wertlos. Nur der Rücken der Felle ist grau, der Bauch weiß, der Schweif mehr oder weniger schwarz. Die Felle werden daher in erster oder zweiter Hand meist zerschnitten und die drei Partien besonders verkauft. Die Rücken bilden die teuerste Ware; die Seitenstücke heißen Fehwammen, sie geben, zu Tafeln zusammengenäht, sogen. bunte, d. h. aus Schwarz und Weiß gemischte, Pelzfutter. Es kommen jährlich etwa 7 Mill. Felle in den Handel; die Hauptkonsumenten sind China, Rußland, Amerika, Deutschland, Frankreich und England, und der Verbrauch ist ein ziemlich beständiger, da die Mode dieses Pelzwerk wenig beherrscht. Die Schweife dienen zu Boas, zum Aufputz andrer Gegenstände, aber auch zu Malerpinseln.

Gravamen (lat.), Beschwerde (s. d.). Gravamina hießen im ältern deutschen Staatsrecht auch die von Landständen über Gebrechen der Rechtspflege etc. erhobenen Beschwerden, daher die dadurch veranlaßten Gesetze Resolutiones gravaminum, Erledigungen jener Beschwerden, genannt wurden. Bekannt sind die Gravamina nationis germanicae, die Beschwerden, welche die deutsche Nation gegen den Papst wegen Eingriffs in ihre Rechte und wegen der gesunkenen Kirchenzucht führte. Die 1522 dem Papst übersendeten 100 Gravamina nationis germanicae erschienen zu Nürnberg 1523 in deutscher und lateinischer Sprache. Gravaminieren, Beschwerde führen.

Gravantia (lat.), s. Gravieren.

Grave (ital.), schwer, ernst, häufig als Überschrift der pathetisch gehaltenen Einleitungen von ernsten Symphonie- oder Sonatensätzen; zugleich Tempobestimmung, etwa s. v. w. Largo (sehr langsam).

Grave, Stadt und Festung in der niederländ. Provinz Nordbrabant, am Südufer der Maas, mit Leder-, Zigarren- und Tabaksfabrikation, einigem Handel und (1883) 2746 Einw. Während des niederländischen Befreiungskriegs wurde G. 1602 von Moritz von Oranien den Spaniern entrissen, 1672 von den Franzosen genommen, aber 1674 von Wilhelm von Oranien trotz der hartnäckigen Verteidigung durch den Marschall v. Chamilly wiedererobert.

Gravedo (lat.), Schnupfen.

Gravedona, Flecken in der ital. Provinz Como, am westlichen Ufer des Comersees, mit vielen Villen, einem vom Kardinal Gallio 1586 erbauten Palast, merkwürdigem Baptisterium aus dem 12. Jahrh. und (1881) 1035 Einw.

Gravelines (spr. graw'lihn, deutsch Gravelingen), befestigte Stadt im franz. Departement Nord, Arrondissement Dünkirchen, an der kanalisierten Aa, 2 km vom offenen Meer, an der Eisenbahn Calais-Dünkirchen, besteht aus drei Teilen, der eigentlichen, von Wällen und nassen Gräben umgebenen Stadt und dem großen und dem kleinen Fort Philipp zu beiden Seiten der Kanalmündung, hat (1876) 4182 Einw., welche Schiffbau betreiben, und einen durch Versandung leidenden Hafen, welcher für die Küstenfischerei