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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Griechenland

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Griechenland (Alt-G.: Götterlehre).

schirmerin der Städte und Staaten, Göttin der Weisheit, Apollon, Gott des Heils und der Ordnung, Artemis, die nächtliche Himmelsgöttin, Hephästos, Gott des Feuers, Ares, Kriegsgott, Aphrodite, Liebesgöttin, Hermes, Götterbote. Die Zwölfzahl der olympischen Götter ist erst späterhin festgestellt worden. Die drei Brüder nun teilten sich in die Herrschaft der Welt: Poseidon erhielt das Meer, Hades die Unterwelt, Zeus den Himmel; die Erde blieb ein gemeinschaftliches Gut. Zeus aber, als der älteste, stärkste und klügste, hat die Obmacht über die übrigen. Um ihn geschart, wohnen die Götter auf den Höhen des Olymps und freuen sich ihrer Seligkeit. An die olympischen Götter schließen sich Gottheiten niedern Ranges an, welche zu dem Olymp in gewissen Beziehungen stehen. Es sind zum Teil dienende Gottheiten, zum Teil solche Wesen, welche irgend eine Seite eines olympischen Gottes selbständig in sich entwickelt haben, wie z. B. die Schicksalsgottheiten, die Götter der Witterung etc. Zu ihnen gehören: Hebe, die ewige Jugend, und Ganymedes, der phrygische Knabe, welchen Zeus aus Liebe von der Erde entführt und mit unsterblichem Leben beschenkt hat (beide reichen den Olympiern die Götterspeise, Nektar und Ambrosia, dar); Iris, die Göttin des Regenbogens, welche die Botschaften der Götter vom Himmel herniederbringt; die Horen, die Gottheiten der Witterung, die das Wolkenthor des Olymps öffnen und schließen, und Helios, der allsehende Sonnengott, der den Göttern und den sterblichen Menschen das Licht des Tags bringt, das zuvor die rosenfingerige Eos (Morgenröte) verkündigt. Ferner gehören hierher: die Parzen (die Schicksalsgöttinnen: Klotho, Lachesis, Atropos), Tyche (Göttin des Glückes), Nemesis, Ate, Dike und Themis; die Musen, die Chariten, die Hyaden, die Plejaden, Selene, die Winde und ihr Beherrscher Äolos. Zu den Gottheiten der Winde gehören auch die Harpyien; Typhon ist der verderbliche Sturmwind. Die Götter des Meers sind, außer Poseidon selbst, seine Gemahlin Amphitrite, Okeanos (der die Erde und das Meer umfließende große Weltstrom), Nereus, der Meergreis und Vater der Nereiden, der Meernymphen, Leukothea-Ino, eine Genossin der Nereiden, Proteus, der weissagende Meergreis, Phorkys, Glaukos, ursprünglich ein Gott der Schiffer und der Fischer, und Triton. Endlich gehören noch zum Reich des Poseidon die Flüsse, Flußgötter und Quellnymphen. Die Gottheiten der Erde und der Unterwelt sind: Gäa (die Erde), die Nymphen, Göttinnen niedern Ranges, welche auf der Erde wohnen, in Hainen und auf Bergen, an Quellen, Flüssen und Strömen, in Thälern und Grotten, Kybele, die Göttermutter, Dionysos (Bakchos), der Gott des Weins, die Satyrn, die Begleiter des Dionysos, Silenos, Pan, der Sohn des Hermes, ein arkadischer Gott der Herden und des Waldes, Priapos, Sohn des Dionysos und der Aphrodite, ein Gott der Fruchtbarkeit des Feldes und der Herden, die Kentauren, welche mit den Satyrn eine gewisse Verwandtschaft haben, Demeter, ursprünglich die göttliche Mutter Erde, die Kabiren, semitische Feuergottheiten, Thanatos und Hypnos (Tod und Schlaf), die Keren (Personifikation des Todesloses), die Erinnyen (Eumeniden) und Hekate, eine gewaltige Herrscherin unter den Schatten. Den Menschen stehen die Götter nicht fern, sie schicken ihnen Zeichen mancherlei Art und verkünden ihren Willen im Orakel; ja, sie erscheinen dem Menschen oft selbst in eigner oder fremder Gestalt, und in alter Zeit kamen sie gern zu den Menschen und lebten mit ihnen. Götter verbanden sich mit sterblichen Frauen, und Göttinnen schenkten ihre Liebe sterblichen Männern. Durch diese Verbindung und diesen Verkehr mit den Unsterblichen wurde das Menschengeschlecht geadelt und den Göttern näher gebracht, Menschen waren Söhne und Töchter von Göttern. Das hohe Geschlecht der Heroen der Vorzeit war weit erhaben über die spätern Menschen und lebte nach dem Tod abgesondert von den übrigen Sterblichen ein glückliches Leben auf den Inseln der Seligen im fernsten Westen der Erde. So wurden diese Heroen allmählich im Glauben des Volkes zu Halbgöttern und genossen als Wohlthäter der Vorzeit besondere Verehrung; einzelne, wie Herakles, wurden von den Göttern sogar in den Olymp erhoben. Homer, der in seinen Gesängen den Glanz und Ruhm der Heroenzeit preist, weiß nur von dieser einen Vorwelt und spricht nirgends von einer Abstufung der Vorzeit in mehrere Geschlechter von verschiedenem Charakter. Später aber erzählte man von einem goldenen Zeitalter unter der Herrschaft des Kronos im Gegensatz zu dem eisernen unter Zeus; Hesiod erzählt von fünf immer sündhafter werdenden Geschlechtern der Menschen. Diese Vorstellung knüpft besonders an den Namen Prometheus (s. d.) an. Vgl. Mythologie.

Die Götter, wie sie bei Homer auftreten, sind in leiblicher wie in geistiger Hinsicht nach dem Bilde des Menschen geschaffen; aber der Mensch bemüht sich, seine Götter über die Menschlichkeit hinauszuheben. An einzelnen Stellen bei Homer erscheinen sie in übermenschlicher Größe; im allgemeinen aber übersteigen sie nicht bedeutend das menschliche Maß. Auch sind sie, wie die Menschen, an Trank und Speise und Schlaf gebunden. Weil sie einen Körper haben, so hängen sie notwendig von den Bedingungen des Raums und der Zeit ab. Aber diese Schranke wird zum Teil wenigstens dadurch aufgehoben, daß ihnen stärkere Sinne beigelegt werden, daß sie z. B. aus weiter Ferne sehen und hören und unermessene Räume in der kürzesten Zeit durchschreiten können. Wesentlich von den Menschen verschieden sind die Götter durch die Unsterblichkeit; diese und die ewige Jugendfrische erhalten sie sich durch den steten Genuß von Nektar und Ambrosia, den Trank und die Speise der Unsterblichkeit. Sie heißen selig, sind jedoch nicht frei von Angst, Not und Schmerz. Allmacht besitzen sie keineswegs; es wird ihnen zwar eine höhere Kraft, alles zum Ziel zu führen und Wunder zu wirken, zweifellos zugeschrieben, ja die nachhomerische Zeit fügte selbst ein geistiges Wirken ohne leibliche Nähe hinzu; aber über ihnen steht doch die Moira, die Schicksalsmacht, und bei der Menge der Götter und ihrer Wirkungskreise ist nicht allein der einzelne Gott durch die andern, sondern sind auch alle öfters durch einen beschränkt. Allwissenheit wird ihnen ebenfalls nicht beigelegt. Die Vorsehung der Götter besteht in der Erfindung guten Rats in den einzelnen Verhältnissen, in der zweckmäßigen Einrichtung der Dinge, in der Vorbereitung zukünftiger Ereignisse und im vereinzelten außerordentlichen Eingreifen. Obwohl sie so in gewissem Sinn über die Erhaltung der Weltordnung wachen und eine Art Fürsorge für das Menschengeschlecht zeigen, so weiß doch von einer göttlichen Liebe zu den Menschen der Volksglaube nichts. Die Griechen hielten Wohlwollen nicht für eine wesentliche Eigenschaft der Gottheit. Herrscht doch bei Homer die Vorstellung, daß der Unglückliche den Göttern verhaßt sei; zwar wurde ihnen später