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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Griechenland

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Griechenland (Alt-G.: Geschichte bis 445 v. Chr.).

verräterischen Umtriebe nebst der spartan. Flotte von den Ephoren aus Byzantion zurückgerufen wurde, ging die Führung auf die Athener über, weil Athen von den meist ionischen Seestaaten als ihre Mutterstadt angesehen wurde und Athens Feldherr Aristeides sich durch seine Milde und Gerechtigkeit das Vertrauen der Bundesgenossen erwarb. Aristeides war der Stifter des Seebundes zu gegenseitigem Schutze, zu welchem sich die Inseln und Küstenstädte des Ägeischen Meers vereinigten, dessen Mittelpunkt das Heiligtum des Apollon auf Delos war, und dessen Oberleitung Athen zufiel. So wurde die athenische Hegemonie zur See begründet. Durch rastlose Thätigkeit zeigte sich Athen dieser hohen Stellung würdig: Kimon, der Sohn des Miltiades, eroberte die letzte persische Stadt in Thrakien, Eion, züchtigte die Seeräuber auf Skyros und vernichtete die persische See- und Landmacht, die Ionien wiedererobern sollte, 466 am Eurymedon in Pamphylien. Den Bund hielten die Athener mit kräftiger Hand zusammen, Naxos mußte 466 mit Verlust seiner Freiheit für seine Auflehnung gegen die Bundesordnung büßen, und währenddessen war es der List des Themistokles gelungen, die Befestigung des wieder aufgebauten Athen und des Piräeus durch weite, hohe Mauern trotz des Widerspruchs der neidischen Bundesgenossen durchzuführen; Aristeides hatte die Opferfreudigkeit der gesamten Bürgerschaft durch die Verleihung der Berechtigung zu den Staatsämtern an alle Bürger belohnt; mächtig und glänzend entwickelte sich Athen, und mit Argwohn und Haß verfolgten die Spartaner das Emporsteigen des Nebenbuhlers, ohne doch eine gewaltsame Unterdrückung desselben zu wagen. Als endlich der Abfall von Thasos (464), welches in Sparta Hilfe gegen die Athener suchte, den Spartanern einen Anlaß gab, gegen diese aufzutreten, und sie sich schon zum Krieg entschlossen hatten, wurden sie 464 durch ein furchtbares Erdbeben, das Lakonien verwüstete und einen allgemeinen Aufstand der Heloten und Messenier hervorrief, gehindert. Vergeblich waren ihre Anstrengungen, die Empörung zu ersticken, während Thasos nach hartnäckiger Gegenwehr 462 von Athen bezwungen wurde. Die Spartaner mußten endlich die verhaßten Nebenbuhler selbst um Hilfe angehen. Dem Einfluß des edlen, allgemein hochgeachteten Kimon, welcher trotz des schnöden Verfahrens Spartas den in den Perserkriegen gestifteten Bund aufrecht erhalten wissen wollte, gelang es, die Athener zur Hilfeleistung zu bewegen. Kimon selbst führte 4000 Schwerbewaffnete 461 nach Messenien, um Ithome belagern zu helfen.

Aber als die Spartaner diese Truppen aus engherzigem Mißtrauen wieder zurückschickten, trat in Athen ein entschiedener Umschwung ein. Die Gegenpartei des Kimon, an deren Spitze Perikles und Ephialtes standen, die im Innern die Vollendung der reinen Demokratie, nach außen eine rein athenische Politik, einen Sonderbund als Grundlage der Hegemonie über ganz Hellas, anstrebte, gelangte zur Herrschaft. Der Areopag wurde auf seine richterliche Thätigkeit beschränkt (460), die Kasse des Seebundes von Delos in das Heiligtum der Athene auf der Akropolis verlegt und Athen aus einem gleichberechtigten Bundesgenossen zum Herrscher des Bundes gemacht, mit Argos und Thessalien ein Sonderbündnis abgeschlossen, welches die griechische Einheit sprengte, Kimon, der sich dem allen widersetzte, durch das Scherbengericht verbannt. Als auch Megara dem athenischen Sonderbund beitrat, begannen Korinth, Epidauros und Agina ^[richtig: Ägina] 458 den Krieg. Die Athener nahmen ihn auf, obwohl sie bereits eine große Flotte nach Ägypten zur Unterstützung des Aufstandes des Inaros geschickt hatten, und behaupteten sich. Sie erlitten zwar zu Lande bei Halieis eine Niederlage, siegten aber zur See und schlossen Ägina ein, das 456 unterworfen wurde, schlugen einen Einfall der Korinther in Megaris zurück, besiegten nach der Niederlage bei Tanagra (457), welche die Spartaner ungenutzt ließen, auch die Böotier 456 bei Önophyta und richteten in allen böotischen Städten demokratische Verfassungen ein; die Phoker und opuntischen Lokrer schlossen sich ebenfalls an Athen an. Eine Flotte unter Tolmides zerstörte den spartanischen Hafen Gythion; selbst im Korinthischen Meerbusen erlangten die Athener die Herrschaft, indem die Achäer sich mit ihnen verbündeten und durch die Ansiedelung der vertriebenen Messenier in Naupaktos ein fester Stützpunkt gewonnen wurde. Athen, durch den Bau der langen Mauern zwischen Stadt und Hafen uneinnehmbar, stand an der Spitze eines Bundes, welcher die meisten Staaten des östlichen Hellas umfaßte, und diese Stellung erkannte Sparta in dem fünfjährigen Waffenstillstand an, welchen der 454 zurückberufene Kimon 451 vermittelte. Auch den Verlust, welchen der unglückliche Ausgang der ägyptischen Expedition der Athener 455 für ihre Seeherrschaft im Osten zur Folge hatte, gedachte Kimon 449 durch einen Zug gegen Cypern wieder einzubringen. Hier starb der Held; seinem Befehl gemäß wurde noch nach seinem Tode der Seesieg von Salamis erfochten. Der Krieg gegen die Perser ruhte von da ab, ohne daß ein förmlicher Friede abgeschlossen worden wäre. Die Perser ließen das Ägeische Meer unbehelligt und öffneten den Griechen wieder ihre Häfen. Athen aber wurde von neuem durch den zweiten Heiligen Krieg (448) in kriegerische Unternehmungen verwickelt, welche höchst unglücklich verliefen. Die Böotier erhoben sich; das athenische Heer unter Tolmides wurde 447 bei Koroneia völlig geschlagen, und die Herrschaft über Böotien ging mit einemmal verloren. Zu gleicher Zeit fielen Megara und Euböa ab, und die Spartaner unternahmen einen Kriegszug gegen Attika. Euböa wurde zwar wieder unterjocht und Sparta zu einem 30jährigen Waffenstillstand bewogen (445). Aber das Gebiet, über welches Athen die Hegemonie hatte, war nun auf die Seestaaten beschränkt; auf die zu Lande mußte es verzichten. Die peloponnesischen und mittelgriechischen Staaten außer Platää sagten sich von Athen los. Der Entscheidungskampf zwischen Sparta und Athen war nur vertagt. Für denselben Kräfte zu sammeln und zu organisieren, war das Ziel von Perikles' Staatsleitung.

Das Perikleische Zeitalter.

Obwohl einer der edelsten Familien Attikas angehörig, erkannte Perikles doch in der Demokratie die dem Zustand und den Aufgaben des Gemeinwesens einzig entsprechende Verfassung, weil sie allein eine allgemeine selbstbewußte und hingebende Beteiligung der Bürgerschaft ermöglichte, welche für die Erreichung des großen Ziels seiner Politik notwendig war. Die körperliche und geistige Bildung der Athener war eine gleichmäßig verbreitete; die aus Staatsmitteln gewährte Entschädigung für den Kriegsdienst, die richterliche Thätigkeit, die Teilnahme an den Volksversammlungen, endlich sogar der Besuch der Theater machten es auch dem ärmsten Bürger möglich, sich am gesamten geistigen und politischen Leben des Volkes