Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Griechenland

698

Griechenland (Neu-G.: Bewässerung, Klima).

je weiter man von N. nach S. fortschreitet, und ist auf der Ostseite reicher entwickelt und für den Seeverkehr geeigneter als auf der Westseite, wo das Land meist in schroffen Klippen gegen das Meer abfällt. Dem Umstand, daß dem Osten trefflichere Häfen offen stehen, ist es zuzuschreiben, daß die Bewohner von Anfang an mehr auf den Verkehr mit dem Osten als mit dem Westen hingewiesen waren. Der Meerbusen von Arta, der Golf von Lepanto oder Korinth, der weite Busen von Arkadia, die Busen von Navarino und Modoni, der prächtige Golf von Koron (Messene), der noch größere von Marathonisi (Lakonien), der schöne Golf von Nauplia (Argolis), der Busen von Hydra, der buchtenreiche Golf von Ägina, die golfartige Straße zwische ^[richtig: zwischen] Euböa und Attika mit dem Evripos, der unmittelbar in den Golf von Zituni führt und durch den Kanal von Trikeri mit dem Busen von Volos in Verbindung steht: alle diese Golfe sind tief, geschützt und für die Schiffahrt sehr günstig. Der Buchten, Baien und Häfen geringern Umfangs sind unzählige. Unter den Meerengen sind die bedeutendsten die von Trikeri, Talanti und Evripos; unter den Landengen ist die berühmteste die von Korinth.

[Bewässerung.] Große Längenthäler fehlen, und längere Flüsse können sich nicht entwickeln. Sehr häufig dagegen sind die Sackthäler, die sich gegen das Meer hin öffnen, sehr zahlreich, aber kurz die Küstenflüsse. Der größte Fluß ist der vom Peristeri kommende Aspropotamo (Acheloos), der einen schiffbaren Unterlauf besitzt, seit 1881 ganz G. angehört und der Insel Kephalonia gegenüber in das Ionische Meer mündet; ihm parallel fließt westlich der auf türkischem Gebiet entspringende Artinos (Arachthos), welcher in den Meerbusen von Arta mündet, östlich der Phidari (Euenos), welcher in den Golf von Patras, und der Morno, welcher in den Golf von Korinth fällt. Gegen O. fließen in Thessalien der Salamvrias (Peneios) mit zahlreichen Zuflüssen von türkischem (Norden) und griechischem Gebiet; in Livadien: der Alamana oder Hellada (Spercheios) zum Meerbusen von Zituni, der Mavronero (Kephisos), der sich in den See Topolias (Kopais) ergießt, und der Vuriendi oder Asopos zum Ägeischen Meer. Auf Morea sind zu erwähnen: der Gastunitiko (Peneios) und der Ruphia (Alpheios), der Hauptfluß der Halbinsel, der sich, wie der vorige, westlich in den Meerbusen von Arkadien ergießt; die Pernitsa (Pamisos), die südlich in den Golf von Koron, und der Iri (Eurotas), der in den Golf von Marathonisi mündet; endlich die Panitsa (Inachos), die zum Golf von Nauplia fließt. Obgleich die Zahl der Quellen ziemlich bedeutend ist, so sind sie doch sehr ungleich verteilt. Auf dem Ostabhang des Taygetos und auf der Nordseite des Kithäron sind sie sehr zahlreich; in Attika dagegen und in Megaris sind sie selten, und auf der Ebene von Argos gibt es gar keine. Andre fließen nur im Winter und Frühjahr und versiegen im Sommer. Seen von einiger Bedeutung sind in Thessalien der Karlasee (Boebe) und der Nezerosee (Xynias), in Livadien der Topoliassee, der Likorisee, der Vrachorisee (Trichonis) und der See von Angelokastron, auf der Halbinsel Morea der Zarakasee (Stymphalis) und der See von Phonia. Seit mehreren Jahren ist man mit der Austrocknung des Topoliassees beschäftigt und gegenwärtig der Tunnel und Kanal von Karditza vollendet, welcher dessen Gewässer in den Hyliksee ableitet, von dem eine Verbindung nach dem Meer hergestellt wird (s. Kopaissee). Auch der Zaraka- oder Stymphalissee wird gegenwärtig trocken gelegt. Versumpfungen finden sich besonders in den Hochebenen Arkadiens, am Topolias und der Mündung des Aspropotamo.

[Klima.] Die klimatischen Verhältnisse Griechenlands zeigen jene Abwechselung und Mannigfaltigkeit, die den Hauptcharakter seines geographischen Baues ausmacht. Auf der kurzen Strecke von sechs Breitengraden findet man in G. klimatische Unterschiede, wie sie weiter westlich sich auf eine nordsüdliche Erstreckung von 15 Grad (von Mitteldeutschland bis Sizilien) verteilen. Denn noch im Pindos und Parnaß herrschen die Waldbäume Deutschlands, Eiche und Buche, vor. Wenig südlicher treten schon Palmen auf, während die Olive, die in Italien weiter nach N. reicht, nördlich vom Othrys sich selten findet. In den ringsum von Bergkesseln umschlossenen Thälern, z. B. in Böotien, bei Sparta und im Innern Arkadiens, ist die Hitze des Sommers eine sehr hohe (bis 45, ja 50° C.), die Kälte im Winter oft - 12° C., während in den der Seeluft offenen Landschaften, z. B. in Attika, das Thermometer in den Sommermonaten selten über 30° C. steigt und nur in strengen Wintern auf - 3 bis 4° C. sinkt. Der regelmäßige Seewind, der sich nachmittags von 2-3 Uhr einstellt, mildert die Hitze des Sommers. Die Luft ist im ganzen ungemein rein und trocken, namentlich auf den Bergen. In den sumpfigen Niederungen Böotiens, die indessen jetzt ihrer Trockenlegung entgegensehen, ist der nachteiligen Ausdünstungen wegen der Aufenthalt nur im Winter möglich, und die Bewohner verlassen nach gemachter Aussaat ihre dortigen Winterhütten, um erst zur Erntezeit wiederzukommen. Zur Schönheit und Gesundheit des griechischen Klimas tragen die häufigen Winde viel bei, obschon dieselben oft, wie namentlich die im November und Februar herrschenden Nordwinde, eine außerordentliche Heftigkeit annehmen. Zeugnis davon sind die zahlreichen krumm gewachsenen Feigenbäume. Auch die hohe Lage des Landes begünstigt die Annehmlichkeit des Klimas. Die Jahreszeiten prägen sich scharf aus. Mit dem März tritt der Frühling in seiner ganzen Schönheit auf und währt bis Juni, wo sich der Sommer mit großer Hitze einstellt, welche bis Ende August anhält. Während dieser Zeit fällt kein Regen, der Boden ist dürr, die meisten Flüsse sind ausgetrocknet, und die Vegetation wird nur durch den nächtlichen Tau in etwas unterhalten. Der griechische Himmel bewahrt in dieser Zeit seine berühmte Schönheit; er ist stets rein und wolkenleer, die Nächte sind hell, und die Durchsichtigkeit der Atmosphäre ist so groß, daß der Raum sich zu verengern und der entfernteste Gegenstand dem Auge nahegerückt scheint. Mit dem September stellen sich erfrischende Gewitterstürme ein, und es beginnt der bezaubernde Herbst. Ende November folgt dann die Regenzeit; der Winter macht sich geltend, doch werden seine naßkalten Tage oft vom lachendsten Lenzwetter unterbrochen. Schnee fällt während dieser Zeit nur in den Gebirgen, und die Gipfel des Parnaß und Taygetos halten ihn wohl bis Ende Mai. Auf der Ebene und in den Thälern ist er selten oder schmilzt bald, und allgemein strenge Winter sind eine Ausnahme. In den Thälern Arkadiens, des Liakura (Parnaß) und des Paläo Vuno (Helikon) verscheucht der Scirocco oft nach zwei oder drei Tagen den Winter; doch gibt es auch Jahre, wo die Temperatur bedeutend unter Null sinkt (bis auf 12° C.) und so mehrere Wochen anhält. Die mittlere Jahrestemperatur zu Athen, für welches allein genaue Beobachtungen existieren, ist 18,2° C. 1883 sind in Kalamata, Tripolitsa, Paros, Laurion und Larissa meteorologische Stationen errichtet worden.