Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Griechenland

702

Griechenland (Neu-G.: Tierwelt, Bergbau, Industrie).

ihre Zahl auf 9-10 Mill. belaufen (1875: 167,900 Hektar; Produktion im Wert von 20 Mill. Drachmen). Mit Maulbeerbäumen, welche für die Seidenzucht in Betracht kommen, waren 1875 ca. 5400 Hektar bepflanzt. Es gedeihen auch Melonen von seltener Größe, Limonen (bei Trözen und Sparta), Orangen, Quitten, Granatäpfel, Johannisbrot, Pfirsiche, eßbare Kastanien, Mandeln, Walnüsse, Süßholz (ein bedeutender Handelsartikel). Felder und Gärten liefern ferner: Sesam, Gummitragant, Anis, Kümmel, Pfriemkraut, Rosmarin, Salbei, Baldrian, Meerrettich, Rettich, Kürbisse; eine Menge Farbepflanzen, Judenkirschen, Nieswurz, Osterluzei, Schwarzwurzel, Zichorien; auch Hanf und Flachs gedeihen. Zu den verbreitetsten Waldbäumen gehören: die italienische Kiefer, die Weißtanne, die italienische Eiche, die levantische oder Knoppereiche, welche die Knoppern liefert (besonders in der Maina und auf Kea), die gemeine Eiche, die Platane, die griechische Pappel, die rauhe Ulme; seltener sind der Ahorn, der Eibenbaum (Taxus) und die Steinlinde. Zu den gewöhnlichen Straucharten gehören: die Sandbeere, der Mastixbaum, der Wacholder und der Buchsbaum. Schöne Wälder haben übrigens nur die Gebirge im nordwestlichen G., das Innere von Morea und Euböa; sonst sind vielfach die Wälder gänzlich ruiniert. Manche Länder und Inseln, wie Argos und Attika, sind fast baumlos, viele Berge, wie der Helikon und Pentelikon, vom Blätterschmuck entkleidet. Die Waldfläche wird auf 8200 qkm geschätzt, wovon 2200 auf die neuen Provinzen (ausschließlich der Berge), 3300 auf Mittelgriechenland (besonders die Osthälfte), 2070 auf den Peloponnes und 630 auf Euböa entfallen. 80 Proz. sind Staatswald. Erst seit 1877 besteht eine Waldwirtschaft mit 3 Forstinspektoren und 190 Forstgendarmen unter einem Hauptmann und je einem Oberleutnant für jede Provinz. Vgl. Chloros, Die Waldverhältnisse Griechenlands (Münch. 1884).

Tierwelt.

Was das Tierreich betrifft, so sind Raubtiere gegenwärtig selten; hin und wieder finden sich Wölfe, häufiger Schakale. In den Wäldern von Akarnanien und Ätolien gibt es Eber; Hasen, Wachteln und Rebhühner sind häufig; Fasanen werden in der Nähe von Thermopylä und in Arkadien gefunden. Schnepfen, Steinhühner und andres Federwild geben im Herbst und Frühling einen guten Fang, und alle Zugvögel machen bei ihrem Flug über das Mittelländische Meer in G. Halt. Hier und da trifft man auch Pelikane, wilde Schwäne und Trappen, auf den Inseln besonders viele Wachteln. Nachtigallen finden sich in quellenreichen Strichen; Raubvögel sind häufig. Die See liefert gute Fische, Austern und Muscheln. Bezüglich der Viehzucht (man zählte 1875: 159,153 Rinder, 81,984 Kühe, 794 Büffel, 37,514 Kälber, 97,176 Pferde, 45,440 Maulesel, 97,395 Esel, 179,662 Schweine, 2,291,917 Schafe, 1,836,628 Ziegen) ist die Schaf- und Ziegenzucht am bedeutendsten. Das griechische Schaf ist eine kleine Art mit langen Hörnern und schlechter, aber reichlicher Wolle; aus der Milch bereitet man Butter und vortrefflichen Käse (für Arkadien Ausfuhrartikel). Wo die Schafzucht keinen guten Erfolg hat, treten Ziegen an ihre Stelle. Schafe wie Ziegen, welche beide die üblichste Fleischspeise liefern, bleiben immer im Freien: im Sommer auf den Gebirgen, im Winter in den Ebenen. Das Rindvieh Griechenlands ist eine kleine Gattung (das beste in Livadien) und wird fast nur zum Pflügen benutzt. Büffel finden sich vorzugsweise auf dem Pindos, wo, man sie vor Wagen und Pflug spannt. Die Pferdezucht ist im Entstehen; die Rasse (ein Mittelding zwischen der arabischen und thrakischen) ist klein und unansehnlich, aber dauerhaft. Maulesel (bloß als Lasttiere benutzt) und Esel werden häufig gezogen (besonders im NW.), Maultiere dagegen sind selten. Schweine sind besonders in Arkadien häufig. Große und gefährliche Hunde finden sich in jeder Dorfschaft. Von Belang ist ferner die Bienenzucht, die einen vortrefflichen Honig liefert (seit alten Zeiten berühmt ist der Honig vom Hymettos bei Athen); Honig und Wachs sind Ausfuhrartikel. Auf der Kermeseiche kommt der Kermes vor, am meisten um Tripolitsa. Einen hohen Aufschwung hat die Seidenzucht genommen. Die meiste Seide wird in Morea gewonnen und im Land selbst abgehaspelt. Der durchschnittliche Ertrag der Kokons hat gegenwärtig einen Wert von mehr als 6 Mill. Drachmen, während er sich 1840 nur auf 650,000 Drachmen belief. Nennenswert sind endlich die Zucht von Blutegeln und die Gewinnung von Badeschwämmen (bei den Inseln Kalymnos und Symi sowie an den Küsten von Tripolis, Tunesien und Kreta). 1883 gab es 723 Boote mit je 5-7 Mann Besatzung, die jährlich für ca. 2½ Mill. Drachmen Schwämme fischen.

Bergbau, Industrie, Handel und Verkehr.

Der Bergbau hatte bis in die neueste Zeit eine geringe Ausdehnung, obwohl es, wie man schon aus dem Altertum wußte, an Eisen, Blei und Kupfer nicht fehlt. Die einzigen mineralischen Produkte von Wichtigkeit, welche man gewann, waren der berühmte Marmor von Paros und vom Pentelikon, Schmirgel von Naxos, Puzzolanerde von Santorin, Braunkohlen von Euböa, Mühlsteine und Gips von Milos. Seit neuerdings (1864) das antike Silberbleibergwerk am Lauriongebirge mit Erfolg wieder aufgenommen wurde und eine weitere Prüfung der von den Alten bearbeiteten Minen ergab, daß die daliegenden Erzschlacken noch stark metallhaltig und die Minen selbst aus Mangel an passenden Werkzeugen nur sehr wenig tief ausgearbeitet waren, ist ein übergroßer Unternehmungsgeist auf montanem Gebiet erwacht. Die Regierung wurde mit Gesuchen um Bergbaukonzessionen bestürmt, und 1882 bestanden über 20 Aktiengesellschaften zur Ausbeutung der Minen, von denen aber die meisten 1883 infolge der Finanzkrisis ihre Arbeiten einstellten. Für 1880 wurde die Gesamtproduktion (namentlich an Zink, Marmor und silberhaltigem Bleierz) auf ca. 7¼ Mill. Drachmen geschätzt. 1884 betrug die Bleiproduktion der griechischen Gesellschaft für Hüttenindustrie im Laurion 7786 Ton.; die französische Bergwerkskompanie förderte daselbst 1883: 106,630 T. Erze (besonders Galmei).

Die gewerbliche Industrie der Griechen lag bei Gründung des Königreichs gänzlich danieder und steht auch heute noch auf keiner sehr hohen Stufe. Indessen gelang es doch den Bemühungen der Regierung, unter Beiziehung auswärtiger Gewerbsleute innerhalb eines Vierteljahrhunderts fast alle Arten von Gewerben in Gang zu bringen, so daß 1859 in Athen sogar eine Industrieausstellung veranstaltet werden könnte. 1875 bestanden in G. 108 Fabriken mit Dampfbetrieb (zu 2884 Pferdekräften), die meisten (33) in Piräeus und (11) in Athen; darunter 44 Mahlmühlen, 12 Kokonspinnereien, 6 Seidenspinnereien, 11 Ölmühlen, 10 Maschinenfabriken, 10 Wein- und Alkoholfabriken etc. Besondere Erwähnung unter den einzelnen Industriezweigen verdienen: das Leder von Syra (besonders Maroquin in roter und gelber Farbe); Fesse und Seide von Athen; Kattun von Nauplia und Syra; Leinwand von Siphnos; Seife von