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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Großbritannien

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Großbritannien (Viehzucht, Forstwesen).

geschlossen, daß Grundbesitzer, welche in verschiedenen Grafschaften Land besitzen, wiederholt in den Tabellen erwähnt sind etc., und schließt hieraus, daß die wirkliche Zahl der Grundeigentümer, welche über 40 Ar Land besitzen, nur 274,210 beträgt anstatt der oben angeführten 321,245. Ferner glauben wir annehmen zu dürfen, daß auch Copyholders und Leaseholders häufig als Grundeigentümer eingetragen wurden. So viel geht jedenfalls aus obiger Tabelle hervor, daß sich der Grundbesitz in sehr wenigen Händen befindet.

Den Ruf nach Freihandel mit Land hat man bisher nur dadurch erwidert, daß man durch die Settled Land Act des Lords Cairns vom J. 1882 die lebenslänglichen Nutznießer fideikommissarisch gebundenen Grundbesitzes ermächtigte, ihr Land zu verkaufen, zu vertauschen oder hypothekarisch zu belasten, solange der Verkauf oder Vertausch gegen volles Äquivalent stattfindet und der Ertrag im Sinn des Fideikommisses angelegt wird. Unveräußerlich ist nur der Stammsitz mit Park. Ferner zwingt ein Gesetz vom J. 1883 den Grundeigentümer, seinen Pachtern bei Kündigung für unerschöpfte Meliorationen (als Drainierung, Wegebau, Zufuhr von Dungstoffen etc.) Entschädigung zu leisten. Endlich ermächtigt ein Gesetz vom J. 1882 die Verwalter von Stiftungen, kleine Landlose (allotments) an Arbeiter zu vermieten, wie das die Armenvorstände schon seit 1819 thun können, und ein Gesetz vom J. 1886 schützt die Crofters (s. d.) der schottischen Inseln gegen die Habgier ihrer Grundherren und gewährt ihnen Staatsvorschüsse für den Kauf von Fischerbooten. In Irland hat man bereits weit drastischere Maßregeln ergriffen. In der That erscheint die volle Ausnutzung der landwirtschaftlichen Hilfsquellen des Landes um so mehr geboten, als jährlich immer wachsende Quantitäten von Getreide und Fleisch eingeführt werden. Bis ins letzte Viertel des 18. Jahrh. hinein deckte England mehr als den eignen Bedarf an Getreide, aber seit 1793 vermochte es dies nicht mehr auch bei den gesegnetsten Ernten. Im Durchschnitt der Jahre 1866-1875 wurden jährlich 21,4 Mill. Doppelzentner Weizen (oder entsprechende Quantitäten Weizenmehl) eingeführt, 1875-80 jährlich 30,6 Mill., 1881-84: 36 Mill., 1885: 40 Mill. Doppelzentner; die Einfuhr von Fleisch für dieselben Zeiträume belief sich auf bez. 1,08, 2,90, 2,92 und 2,87 Mill. Doppelzentner, und die Zunahme war nur deshalb nicht größer, weil die Einfuhr von lebendem Vieh in rascherm Tempo stieg. Überhaupt aber zahlte der britische Konsument jährlich für ausländische Lebensmittel 1866-75: 93 Mill. Pfd. Sterl., 1876-80: 136 Mill., 1881-84: 145 Mill. Pfd. Sterl. Daß wenigstens ein Teil dieses Bedarfs im Inland gedeckt werden könnte, kann nicht bezweifelt werden. Wohl findet bei jetzigen Preisen (1885 kostete 1 Imperial-Quarter Weizen 32 5/6 Schill. oder 1 hl 11 1/3 Schill., das Kilogramm Rindfleisch in London 9-17 Pence oder 75-142 Pfennig) der englische Landwirt seine Rechnung nicht; aber dem würde eine billige Pacht, wie sie Irland gewährt wurde, bald abhelfen. Ferner kann nicht bezweifelt werden, daß noch große Strecken Landes der Kultur fähig sind. Namentlich gilt dies von einem Teil der sogen. Commons, welche 1 Mill. Hektar bedecken, und die jetzt allmählich eingefriedigt (enclosed) werden, wobei allerdings dem Feudalherrn (Lord of the Manor) und den wenigen Freisassen der Löwenanteil geschenkt wird, wenn auch die Interessen des Publikums nicht mehr ganz beiseite gesetzt werden, wie das früher der Fall war. Daß sich große Strecken Moorland der Kultur gewinnen lassen, hat der Herzog von Sutherland bewiesen. Bei Anwendung von Dampfkraft kostete die Urbarmachung eines Hektars selten über 4 Pfd. Sterl. (vgl. R. S. Burn, Practical directory for the improvement of landed property, 1882).

Erfreulich ist jedenfalls, daß trotz aller Konkurrenz Amerikas die landwirtschaftlich verwertete Fläche auf den Britischen Inseln nicht abgenommen hat. Das Ackerland ist allerdings von 1871 bis 1885 um 753,000 Hektar zusammengeschrumpft, dafür aber haben die Wiesen um 1,250,000 Hektar zugenommen, d. h. der Landwirt hat sich vom unrentabeln Ackerbau der vorteilhaften Viehzucht zugewendet. Näheres zeigt die folgende Tabelle:

Kulturarten etc. Tausende von Hektaren 1871 1881 1885 Prozent

Getreide 4407 4041 3780 12,0

Bohnen und Erbsen 381 270 272 0,9

Kartoffeln 684 584 549 1,7

Rüben 1184 1103 1107 3,6

Kohl etc. 267 245 273 0,9

Flachs 70 62 45 0,2

Hopfen 24 26 29 0,1

Klee im Fruchtwechsel 2524 2584 2727 8,7

Brachland 228 331 234 0,7

Ackerland: 9769 9246 9016 28,7

Wiesen 9116 10023 10366 33,0

Gemüsegärten 19 24 26 0,1

Wald 1012 1128 1129 3,6

Unbenutzt etc. 10677 10172 10056 32,0

Gewässer 848 848 848 2,7

Zusammen: 31441 31441 31441 100,0

Wenn der Viehstand nicht im gleichen Verhältnis zugenommen hat wie die Wiesen und die mit Futter bebauten Flächen, so rührt dies einesteils von der Rinderpest und der Schafseuche her, welche einige Jahre lang die Herden heimsuchten, teilweise aber auch von der Armut der Landwirte, deren Kapital (von Giffen auf 667 Mill. Pfd. Sterl. geschätzt) infolge schlechter Ernten und Preise große Einbußen erlitten hat. Den Viehstand zu verschiedenen Zeiten zeigt folgende Tabelle:

1871 1875 1881 1885

Acker- u. Zuchtpferde 1649946 1819687 1923619 1909200

Rinder 9346216 10162787 9905012 10868760

Schafe 31403500 33491948 27896273 30086200

Schweine¹ 4136616 3495167 3149173 3686628

¹Die von kleinen Leuten gehaltenen Schweine ungerechnet.

Im J. 1885 zählte man außerdem 1,288,178 Truthühner, 3,029,637 Gänse, 5,080,325 Enten und 20,542,564 Hühner, wobei abermals das Federvieh der kleinen Leute ausgeschlossen ist. Weiteres über Ackerbau und Viehzucht (Rassen etc.) s. in den Artikeln "England", "Schottland" und "Irland". Vgl. Körner, Die Landwirtschaft in G. (Berl. 1877).

Die Waldungen der Britischen Inseln waren früher sehr ausgedehnt, wurden aber im Lauf der Zeit fast gänzlich ausgerottet. Nur in den schottischen Hochlanden findet man noch größere Strecken Waldes; in England und Irland sind die Wälder oder Woods meist Anpflanzungen aus neuerer Zeit. Trotzdem liefert England eine nicht unbeträchtliche Menge Bauholz (besonders werden englische Eichen im Schiffbau geschätzt). Im übrigen lähmt der überaus große Reichtum an Steinkohlen die Bedachtnahme auf Holz als Feuerungsmittel. Die Jagd wird zwar nur als Sport betrieben, versorgt aber trotzdem die Küche