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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Haftara; Hafte; Haftfüßer; Haftgeld; Haftkiefer; Haftpflicht

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Haftara - Haftpflicht.

nahme (Detention, Verwahrung) kann auch von der Staatsanwaltschaft und von Polizei- und Sicherheitsbeamten angeordnet werden, wenn die Voraussetzungen der Verhaftung vorliegen und Gefahr im Verzug schwebt. Der Festgenommene ist unverzüglich dem Amtsrichter des Bezirks, in welchem die Festnahme erfolgt ist, zuzuführen. Jeder Verhaftete muß spätestens am Tag nach der Einlieferung in das Gefängnis durch einen Richter über den Gegenstand der Beschuldigung verhört werden. Wird jemand auf frischer That betroffen oder verfolgt, so ist jedermann befugt, ihn auch ohne richterlichen Befehl vorläufig festzunehmen, wenn er der Flucht verdächtig, oder wenn seine Persönlichkeit nicht sofort festzustellen ist.

II. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten. Auf dem Gebiet der Streitigkeiten über das Mein und Dein und zur Erfüllung rechtlicher Verbindlichkeiten kommt die H. (Schuldhaft, Personalhaft, Contrainte par corps) nur ausnahmsweise vor. Das moderne Recht schränkte die Zulässigkeit der H. gegen einen säumigen Schuldner wesentlich ein. Das nachmals auf das Reichsgebiet ausgedehnte norddeutsche Bundesgesetz vom 29. Mai 1868 erklärte nach dem Vorgang des englischen und französischen Rechts den Personalarrest für ungültig insoweit, als dadurch die Leistung einer Quantität von vertretbaren Sachen oder von Wertpapieren erzwungen werden solle. Damit ist insbesondere die sogen. Wechselstrenge beseitigt, d. h. die Wechselhaft als Exekutionsmittel zur Beitreibung von Wechselschulden. Ebendasselbe ist für Österreich durch Gesetz vom 4. Mai 1868 und für Italien durch Gesetz vom 6. Dez. 1877 verfügt worden. Gleichwohl kommt die H. auch jetzt noch in bürgerlichen Rechtssachen sowohl als Sicherungsmittel (Sicherheitsarrest) wie als subsidiäres Vollstreckungsmittel (Vollstreckungs-, Exekutionsarrest) vor. Die deutsche Zivilprozeßordnung (§ 798) läßt den Sicherheitsarrest jedoch nur insofern zu, als diese Maßregel schlechterdings erforderlich ist, um die gefährdete Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu sichern, also z. B. um den Schuldner zu verhindern, sein Vermögen ins Ausland zu schaffen. Im Vollstreckungsverfahren (Zivilprozeßordnung, § 774 f., 782) ist die H. in folgenden Fällen zulässig: 1) zur Erzwingung der Vornahme einer Handlung, welche durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt; 2) als Strafe der Zuwiderhandlung wider die Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden; 3) zur Erzwingung der Leistung des Offenbarungseides. In diesen drei Fällen ist die H. auch gegen den Gemeinschuldner im Konkurs zulässig. Das Konkursgericht kann indessen die H. auch dann anordnen, wenn der Gemeinschuldner die ihm vom Gesetz auferlegten Pflichten nicht erfüllt, oder wenn es zur Sicherung der Masse notwendig erscheint. Vgl. Deutsche Konkursordnung, § 93.

Haftara (hebr., Mehrzahl: Haftaroth, "Schlußlegenden"), Stücke aus den prophetischen Schriften, welche beim jüdischen Gottesdienst an Sabbat-, Fest- und Fasttagen nach dem Abschnitt aus dem Pentateuch (s. Sidra) vorgelesen werden.

Hafte, s. v. w. Eintagsfliegen.

Haftfüßer, s. Pelzfresser.

Haftgeld, s. v. w. Angeld.

Haftkiefer, s. Fische, S. 298.

Haftpflicht (Haftbarkeit, Haftung, Haftverbindlichkeit), im allgemeinen die Verpflichtung, für gewisse Schäden und Nachteile aufzukommen, sei es für bereits eingetretene, sei es für zukünftige. In dem letztern Fall heißt es von demjenigen, welchem die H. obliegt: er trägt die Gefahr oder haftet für die Gefahr (s. d.); doch bezieht sich dieser Ausdruck eigentlich nur auf solche Schäden, welche einen Gegenstand ohne Verschulden des Haftpflichtigen treffen. Im allgemeinen gilt nämlich die Rechtsregel, daß jeder für den durch sein schuldhaftes Handeln verursachten Schaden haftbar ist (s. Culpa), sei es, daß er vorsätzlicher- oder fahrlässigerweise einen andern schädigte. Der Umfang der H. ist teils durch Gesetz oder Herkommen allgemein oder durch Vertrag für den einzelnen Fall bestimmt. Besonders wichtig sind die Fälle, in denen mehrere Verpflichtete solidarisch, d. h. einer für alle und alle für einen, haftbar sind. In diesen Fällen spricht man von einer Solidarhaft (s. Korrealverbindlichkeit). Für zufällige schädigende Ereignisse ist man nur auf Grund besonderer Gesetzesvorschrift oder Vereinbarung haftbar. Im engern Sinn ist H. die Verpflichtung, den nicht aus eignen Handlungen oder Unterlassungen entstandenen Schaden (s. d.) zu ersetzen. Namentlich handelt es sich dabei nicht nur um zufällig entstandenen, sondern vorzugsweise um solchen Schäden, welcher durch dritte Personen verschuldet wurde, für welche der Haftpflichtige eintreten muß. Diese Verpflichtung, den nicht aus eignen Handlungen oder Unterlassungen entstandenen Schaden zu ersetzen, beruht entweder auf dem Gesetz, oder sie wird im einzelnen Fall vertragsmäßig durch Auftrag oder Bürgschaft (s. d.) übernommen. Verschiedenartig wird die Frage beantwortet, ob auch Empfehlungen und Ratschläge eine H. begründen. Bejaht wird die H. für die Fälle, wo Amt, Beruf oder Gewerbe zu Erteilung von Ratschlägen besonders verpflichten, und außerdem, wo Arglist oder grobe Fahrlässigkeit erwiesen worden ist. In Bezug auf die gesetzliche H. ist die Frage viel erörtert, wie weit der Staat aus den Handlungen seiner Beamten verpflichtet werde. Die bestehende Gesetzgebung verneint die H. des Staats für die Thätigkeit seiner Beamten bei der Verwaltung von Hoheitsrechten. Dagegen tritt dieselbe in beschränktem Maß ein: 1) bei den Versehen der Grundbuchbeamten, wenn von den letztern Schadenersatz nicht zu erlangen ist; 2) bei der gerichtlichen Hinterlegung zum Teil mit der gleichen Beschränkung; 3) die Postverwaltung haftet für den Verlust oder die Beschädigung von Sendungen mit Wertangabe, von eingeschriebenen Sendungen und von Paketen, nicht aber für gewöhnliche Briefe, nach Maßgabe des Postgesetzes vom 28. Okt. 1871; 4) die Telegraphenverwaltung leistet keinerlei Schadenersatz außer der Erstattung der Gebühren für verlorne oder durch Schuld des Telegraphenbetriebs mit bedeutender Verzögerung in die Hände des Empfängers gelangte oder verstümmelte verglichene Depeschen (Telegraphenordnung vom 13. Aug. 1880, § 24). In privatrechtlicher Hinsicht war schon im römischen Recht begründet: eine H. des Hausvaters für den Haussohn, jedoch nur, soweit das Peculium (s. d.), nicht aber der Auftrag (jussus) ging oder der Haussohn die Geschäfte des Vaters geführt hatte, also nicht für Delikte, es müßte denn der Erwerb durch das Delikt das väterliche Vermögen bereichert haben; ferner eine H. für Beschädigungen durch Tiere (Noxaklage, actio de pauperie). Eine weitere H. ist die der Gastwirte (s. d.). Im französischen Recht ist die H. für dritte Personen besonders ausgedehnt, indem gemäß Art. 1384 haftbar sind: der Vater und nach sei-^[folgende Seite]