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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handel

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Handel (Beteiligung der einzelnen Länder am Welthandel).

Sterl. erreicht. Die Erniedrigung der Warenpreise und der allgemeine Rückgang des Welthandels sowie die Einschränkung der Handelsthätigkeit Englands durch seine Rivalen in Europa und Amerika haben eine Verminderung des Wertes der Gesamtumsätze in den Jahren 1884 (686 Mill. Pfd. Sterl.) und 1885 (645 Mill. Pfd. Sterl.) veranlaßt. Der H. Großbritanniens erstreckt sich über den ganzen Erdball; den lebhaftesten Verkehr aber pflegt es mit den Vereinigten Staaten von Amerika, mit seinen Kolonien, besonders in Ostindien und Australien, dann mit Frankreich, Deutschland, Holland, Belgien, Rußland und endlich mit den ostasiatischen Ländern. Die Charakteristik der britischen Handelsbilanz liegt einerseits in der enormen Zufuhr von Nahrungs- und Genußmitteln aller Art, für welche das Land in manchen Jahren bis 180 Mill. Pfd. Sterl. ausgeben muß, ferner der Rohstoffe für seine Großindustrien: Baumwolle, Wolle, Seide, Holz und Metalle, und anderseits in der Ausfuhr von Fabrikaten der Textilindustrien, Eisen, Kohle, Maschinen und Chemikalien. Mit diesen Manufakten, unter denen die Textilerzeugnisse und jene der Eisen- und Stahlindustrie allein freilich in dem letzten Jahrzehnt immer 140-150 Mill. Pfd. Sterl. im Export bewerteten, muß der größte Teil des Defizits der Ernährungsbilanz gedeckt werden. Es ist daher die Besorgnis wohlbegründet, mit welcher die britischen Volkswirte jeder weitern Vermehrung der Nahrungsmittelzufuhr und jeder Stockung des Fabrikatenabsatzes, welcher durch den industriellen Aufschwung der Vereinigten Staaten von Nordamerika bedroht wird, entgegensehen. Ein Ersatz muß mit der Zeit in Ostasien und Afrika gesucht werden. Für das Deutsche Reich lassen sich strenge Vergleiche der Handelswerte nicht hinter das Jahr 1872 zurückführen; die sorgfältigen statistischen Nachweise der abgelesenen 14 Jahre zeigen, daß der Wert des besondern Warenverkehrs von 5957 Mill. Mk. im J. 1872 auf 6720 Mill. Mk. im J. 1873 gestiegen war, unter dem Einfluß der Krise eine wesentliche Einbuße erlitt, im J. 1883 mit 6626 Mill. Mk. wieder einen Höhepunkt erreicht hat und wegen der sinkenden Preise im J. 1885 neuerdings auf 5905 Mill. Mk. zurückging. Dagegen haben die Mengen der ein- und ausgeführten Waren in demselben Zeitraum stetig und rasch zugenommen; die Menge der Waren betrug im J. 1872 im Spezialhandel, Ein- und Ausfuhr zusammengerechnet, nur 23,4 Mill. Ton., im J. 1885 aber bereits 36,7 Mill. T.; noch größer ist die Zunahme im Generalhandel, welcher von 25,3 Mill. T. im J. 1872 auf 42,7 Mill. T. im J. 1884 gestiegen ist, woraus die große Beteiligung Deutschlands am Zwischenhandel entnehmen ist. Die lebhaftesten Verkehrsbeziehungen unterhält es mit Österreich-Ungarn (nahezu 25 Proz. der Gesamtumsätze), den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, Belgien und Rußland; der überseeische H. ist nur zum geringsten Teil direkt nachgewiesen, indem er sich meist über die Zollausschlüsse bewegt. Die wichtigsten Gegenstände der Einfuhr sind: Getreide und Mahlfabrikate, Tiere und Genußmittel, Textilstoffe, Bau- und Nutzholz, Häute und Felle, Harze, Fette, Öle etc., jene der Ausfuhr: Textilwaren, Droguen und Chemikalien, Kohlen, Zucker, Glas- und Thonwaren, Lederwaren, Eisen- u. Stahlwaren, Maschinen, Papier etc. Auch der Außenhandel von Frankreich hat seit dem Krieg trotz der Schmälerung des Territorialbesitzes, der Einwirkungen der europäischen Krisis von 1873 und der lokalen Börsenkrisis von 1882 bedeutend zugenommen. Die Gesamtumsätze (Einfuhr und Ausfuhr des Spezialhandels) stiegen von 6228 Mill. Frank in 1869 auf 7409 Mill. Fr. in 1875; dann folgte ein kleiner Rückschlag, die Totalsumme von 1878 war wieder 7356 Mill. Fr., also um mehr als eine Milliarde höher als vor zehn Jahren und in dem günstigsten Jahr, 1881, erreichte sie sogar 8425 Mill. Fr.; sie erniedrigte sich neuestens (1885) wegen der Preissenkung wieder auf 7400 Mill. Fr. Die intensivsten Verkehrsbeziehungen bestehen, wie es die geographische Lage der beiden Staaten mit sich bringt, zwischen Frankreich und England; auf diesen Verkehr entfallen rund 20 Proz. des gesamten Handels; nach England folgen: Belgien, Deutschland, Italien, Spanien, die Vereinigten Staaten, Algerien, Britisch-Indien und Rußland. Auch Frankreich ist in seiner Ernährungsbilanz auf die Deckung eines Defizits durch den Außenhandel angewiesen und hat ebenso eine bedeutende Zufuhr von Roh- und Hilfsstoffen der Industrie notwendig; dagegen stehen seine Großindustrien und Kunstgewerbe auf einem Höhepunkt, auf welchem der stete Mehrexport von Fabrikaten zur Bezahlung dieser Differenz gesichert ist. Infolgedessen sind in der Einfuhr die wichtigsten Waren: Getreide und Mehl, Rohwolle, Seide, Tiere und Fleisch, Baumwolle, Häute und Felle und Steinkohle; in der Ausfuhr folgen der Reihe nach: Wollenstoffe, Seidenstoffe, Wein, Lederwaren, Holzgalanterie- und Drechslerwaren, Seide und raffinierter Zucker. Unter den übrigen Staaten hat Rußland in den beiden letzten Jahrzehnten eine große Erweiterung der Handelsthätigkeit durch die Entwickelung seiner Verkehrsanstalten erreicht; der H. mit Europa charakterisiert sich vornehmlich durch die Ausfuhr von Massengütern der Urproduktion: Getreide, Holz, Vieh, Pelzwerk, andre animalische Produkte, Eisen, Kupfer, der H. mit Asien durch die Einfuhr von Thee, Seide und Erzeugnissen der Hausindustrien. Die Pflege des Seehandels am Schwarzen und Asowschen Meer und die Herstellung von Überlandwegen nach Persien, Indien und China charakterisieren den Anteil Rußlands am Welthandel mehr als sein westeuropäischer Landverkehr oder die Thätigkeit der Ostseehäfen. In Österreich-Ungarn hat ebenfalls infolge der Entwickelung von Verkehr, Landwirtschaft und Industrie der Außenhandel seit 1865 einen erfreulichen Aufschwung genommen. Von 1863 bis 1882 hat sich der Gesamthandel von 545,4 Mill. Gulden auf 1436,2 Mill. Guld. gehoben und trotz sinkender Preise sich auch im J. 1884 auf der Höhe von 1304 Mill. Guld. erhalten. Den hauptsächlichsten Anteil an den steigenden Mehrausfuhren nehmen die Erzeugnisse der Bodenproduktion und Viehzucht, aus deren Erlös Österreich-Ungarn seinen Bedarf an den im Land selbst noch nicht genügend erzeugten Genußmitteln und Fabrikaten deckt. Die wichtigsten Artikel der Ausfuhr bilden: Cerealien, Mehl und Mahlfabrikate, gewisse Webwaren, Holz, Tiere, Instrumente, Galanteriewaren, Leder, Glas und Thonwaren; die wichtigsten Artikel der Einfuhr: Web- und Wirkstoffe, Web- und Wirkwaren, Kolonialwaren und Südfrüchte, chemische Produkte und Garne. An den folgenden Stellen unter den europäischen Staaten stehen mit Bezug auf die Höhe der Wertumsätze: die Niederlande, Belgien und Italien. Der niederländische H. geht seit 20 Jahren stetig, obgleich nicht rasch, in der Entwickelung vorwärts; sein Hauptstützpunkt liegt in den ostindischen Kolonien, für deren Produkte die holländischen Hafenplätze ein natürliches und durch die Verwaltungspolitik geschütztes Monopol besitzen; ebenso nimmt Belgien,