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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handelskollegium; Handelskolonien; Handelskompanien

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Handelskollegium - Handelskompanien.

sitzen, unterhalten werden. In die Chambres de commerce können Handel- und Gewerbtreibende unterschiedslos durcheinander gewählt werden. Von Frankreich aus verbreitete sich die Einrichtung derselben über die meisten andern Länder; in einigen (wie in England, dann in Baden 1862-78 etc.) bestehen sie lediglich aus frei gebildeten Vereinen, in den meisten haben sie eine gesetzlich anerkannte öffentliche Stellung mit Beitragspflicht der Beteiligten, von denen z. B. in Preußen die Beiträge zur Kostendeckung durch Zuschläge auf die Gewerbesteuer erhoben werden, beratende Stimme für Wahrung der Bedürfnisse von Handel und Industrie mit dem Zweck, zwischen Handelsstand und Regierung zu vermitteln, Berichte, Anträge und Gutachten zur Unterstützung der Behörde zu erstatten. Vielfach sind ihnen auch gewisse Aufsichts- und Verwaltungsbefugnisse (z. B. Aufsicht über Börsen und andre Handelsanstalten) eingeräumt. In Preußen wurden die H. 1848 und 1870 gesetzlich geregelt. Sie werden mit Genehmigung des Handelsministers errichtet. Die Mitglieder der H. werden von den Inhabern der in das Handelsregister eingetragenen Firmen gewählt. Ähnlich wie in Preußen wurden 1878 die H. in Baden eingerichtet. In einigen Ländern (Sachsen, Bayern, Württemberg) sind die H. im Interesse der kleinen Gewerbtreibenden mit Gewerbekammern verbunden, in Österreich, wo die H. ausgedehntere Rechte und Pflichten als in Deutschland haben, bestehen sie in der Regel aus einer Handels- und einer Gewerbesektion. In Bayern, wo 1868 für jeden Regierungsbezirk eine Handelskammer in Verbindung mit Abteilungen für die Gewerbe eingerichtet wurde, bilden die Bezirksgremien Unterabteilungen der H., welche Teile des Bezirks der letztern umfassen und in denselben Sitz und Stimme haben. Ganz Deutschland zählt unter verschiedenen Benennungen über 200 H. mit sehr verschiedener Verfassung und Verwaltung. In Belgien wurden 1874 die gesetzlich organisierten H. wieder aufgehoben. In den meisten Ländern haben die H. alljährlich einen Bericht über den Gang von Handel und Industrie zu erstatten. Nicht zu verwechseln sind die H. mit den Kammern für Handelssachen, welche in Deutschland Abteilungen des Gerichts bilden (vgl. Handelsgerichte).

Handelskollegium, s. v. w. Handelskammer.

Handelskolonien, s. Kolonien.

Handelskompanien, im engern Sinn diejenigen Handelsgesellschaften (s. d.), welche, mit Privilegien, Monopolen und oft selbst mit Territorialhoheitsrechten ausgestattet, besonders im merkantilistischen Zeitalter und bis in unser Jahrhundert den Welthandel beherrschten. In ihren Anfängen waren sie notwendige Schöpfungen kommerzieller Selbsthilfe, wie sie dem Wesen und den gesamten Verhältnissen des spätern Mittelalters entsprachen. Die Kauffahrtei entbehrte in jenen Zeiten des nötigen nationalen Schutzes, zumal in den fremden Ländern; der Handel genügte darum dem Schutzbedürfnis durch eigne Verbindungen, welche einen doppelten Charakter an sich trugen. Entweder waren es solche Verbände, in welchen sich Kaufleute, die nach einer und derselben Richtung Handel trieben, zu Genossenschaften, Gilden, Hansen, vereinigten, welche gemeinsam auch die Erlangung von Handelsprivilegien an fremden Orten erstrebten; diese Gilden, die sich seit dem 13. Jahrh. höher entwickelten, wurden zu sogen. regulierten Kompanien, bei welchen sich der Kaufmann, der auf eigne Rechnung Handel trieb, nur den Polizeivorschriften der Gesellschaft, welche die Sicherheit des Handels bezweckten, unterwerfen mußte, für die Erhaltung der gemeinsamen Einrichtungen ein Eintrittsgeld und jährliche Beiträge entrichten mußte und an den Vorteilen der gemeinsamen Privilegien, des Rechtsschutzes etc. teilnahm. Diese H. verfolgten in bestimmten Zeiten politische Zwecke und bedeuteten für die Förderung der Handelsinteressen dasselbe, was die Zünfte für das Handwerkswesen. Der politische Grundzug beherrschte während des 13.-16. Jahrh. die Hansa (s. d.), die süddeutschen, die italienischen Handelsgesellschaften und wohnte anfänglich auch noch den englischen Kompanien inne. Verschieden von diesen aus dem Mittelalter herüberreichenden waren die neuen H. des 17. und 18. Jahrh., welche, auf dem Aktienprinzip beruhend, als Vereinigungen von Kaufleuten mit großem Kapital den Betrieb und die Leitung überseeischer, insbesondere kolonialer, Handelsunternehmungen auf monopolistischer Grundlage führten.

Der Unterschied zwischen beiden Arten hängt mit den Zeitverhältnissen zusammen und ist in den Kulturzuständen tief begründet. Denn die Bündnisse der Handelsplätze im 13. und in den folgenden Jahrhunderten hatten den Schutz des nahen Binnenhandels zum Ausgangspunkt ihrer genossenschaftlichen Wirksamkeit; unter öffentlichen Faustrechtszuständen leidend, sorgten sie für Schutz gegen Land- und Seeräuberei, hielten Polizei zur See, vertraten zuerst eine staatliche Handelspolitik, stellten Gleichheit in Maßen und Gewichten her und verkörperten in sich die Strafrechtsordnung des Handels in den Zeiten des allgemeinen Faustrechts. Mit der allmählichen Heraufführung geordneter staatlicher Zustände hörte aber die Notwendigkeit des Rechts- und Interessenschutzes des Binnenhandels durch die Kaufleute selbst auf, und damit verloren die Hansa und die verwandten Städtebündnisse den Schwerpunkt ihres Zusammenschlußes. Nun entstanden im Zusammenhang mit dem Aufblühen des überseeischen Handels, mit der merkantilistischen Pflege desselben, mit der Kolonisation und dem Streben nach Monopolisierung jedes Erwerbszweigs die großen privilegierten Seehandelsgesellschaften des 17. und 18. Jahrh. Es galt jetzt, den Gefahren zu begegnen, welche dem Handel in den fernen Erdteilen drohten, und das Streben der einzelnen Staaten ging nun dahin, für sich einen möglichst großen Anteil an den vermehrten Vorteilen des Welthandels zu gewinnen und eine aktive Handelsbilanz zu erreichen. Deshalb stattete man H. mit weitgehenden Handelsmonopolen und Privilegien aus, ließ sich für Erteilung oder Verlängerung der Privilegien bezahlen, besteuerte unter dieser Form den Handel und trug zum Erwerb großer Kolonialgebiete bei, indem man von seiten des Staats die Bildung großer Kapitalassociationen für koloniale Handelszwecke in jeder Weise begünstigte.

Diese modernen H. dienten in den fernen Meeren nationalen Wirtschaftsinteressen; sie waren überhaupt das Produkt des Wettstreits zwischen den am überseeischen Handel beteiligten europäischen Staaten und verloren an Bedeutung in dem Maß, als auch für die fernen Weltgegenden das Völkerrecht sich ausbildete und staatlichen Rechtsschutz schuf. Als dann mit der Erstarkung der staatlichen Handelspolitik das Einzelkapital ermutigt wurde, in Privatunternehmungen überseeischen Handel zu betreiben, da vermochten die Kompanien nicht mehr, dieser Konkurrenz die Spitze zu bieten. Die Monopolverfassung der H. und ihre Privilegien wurden eine lähmende Fessel der Kompaniehandel nahm ab in dem Maß, als der