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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handfeuerwaffen

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Handfeuerwaffen (Magazin- oder Repetiergewehr).

lichen Kosten verknüpften Veränderungen ist die Kaliberfrage wieder in den Hintergrund gedrängt worden, und es machte sich in allen größern Staaten die Ansicht geltend, die Annahme eines Repetiergewehrs vom Beibehalt der Munition des gegenwärtig im Gebrauch befindlichen Einladers abhängig zu machen.

Deutschland ist der erste Großstaat, welcher auf dieser Grundlage das Repetiergewehr als Infanteriewaffe unter der Bezeichnung "M/71.84" (Fig. 10 u. 11) einführte. Kaliber und Munition des Gewehrs M/71 sind beibehalten, nur die Geschoßspitze ist, zur Beseitigung der Gefahr einer Entzündung der im Magazin vorliegenden Patrone durch die Geschoßspitze der hinterliegenden beim Rückstoß, abgeflacht. Auch das Schloß des Mausergewehrs ist beibehalten und nur so weitabgeändert worden, als es die Mehrladeeinrichtung bedingte. In dem unter dem Vorderschaft liegenden stählernen Magazinrohr a wird die letzte Patrone durch die Nase der Sperrklinke b, welche sich hinter den Patronenboden legt, zurückgehalten. Beim Heben des Löffels c wird durch dessen Schnabel d die Sperrklinke so weit seitwärts in ihr Lager hineingedrängt, daß der Rand des Patronenbodens an der Nase der Sperrklinke vorbei kann, worauf die Magazin- (Spiral-) Feder die Patrone gegen den Löffel drängt und auf diesen schnellt, sobald er beim Schließen des Gewehrs in seine tiefste Lage tritt. Wird nach dem Abfeuern die Kammer zurückgezogen, so nimmt der Auszieher k die Patronenhülse mit, die kurz vor Vollendung der Rückwärtsbewegung durch den Stoß des Auswerfers l nach rechts hinausgeworfen wird. Gleich darauf stößt die vordere Endfläche der Auswerfernute bei s an das Anschlagstück e und hebt den Löffel. Die auf dem letztern liegende Patrone wird beim Vorschieben der Kammer durch diese erfaßt, in den Lauf geschoben und der Löffel durch das Anstoßen des Anschlagstücks an die hintere Endfläche der Auswerfernute (Fig. 10) nach unten gedrückt. Soll das Gewehr als Einzellader gebraucht werden, so muß bei geöffneter Kammer und gehobenem Löffel der Stellhebel f mit seinem Griff g nach vorn gedrückt werden, dadurch wird der Löffel so weit gesenkt, daß das Anschlagstück aus der Auswerfernute heraustritt. Der Löffel ist jetzt unbeweglich. Durch die Stellfeder h (in Fig. 10 abgebrochen gezeichnet, um die Wirkung des Auswerfers auf das Anschlagstück sichtbar zu machen), welche bei abgestelltem Magazinfeuer auch beim Auswerfen der Patronenhülsen mitwirkt, wird der Stellhebel in seiner Lage erhalten. Das Gewehr kann 10 Patronen aufnehmen, davon 8 im Magazinrohr, 1 auf dem Löffel, 1 im Lauf. Das Gewehr ist ohne Seitengewehr 1,3 m lang, leer 4,6 und gefüllt 5 kg schwer. Das Klappenvisier reicht bis 1600 m.

In Österreich hat man sich nach langen Versuchen, namentlich mit dem Spitalskyschen verwandten Systemen für das System Mannlicher M/85 entschieden, bei welchem der Kolbenverschluß in der Weise abgeändert ist, daß das Öffnen und Schließen und hiermit gleichzeitig das Laden aus dem Magazin durch einfaches Vorschieben und Zurückziehen der Kammer ohne Seitwärtsdrehen derselben erfolgt, was sich ohne Absetzen des Gewehrs von der Schulter im Anschlag ausführen läßt. Das Magazin ist seitlich aufsteckbar, soll acht Patronen in der Verpackung aufnehmen, in der sie in der Patrontasche mitgeführt werden, Einrichtungen, die eine große Feuergeschwindigkeit ermöglichen. Nähere Einzelheiten über dieses Gewehr sind noch nicht (Anfang 1887) bekannt geworden. An Stelle des Gendarmerie-Repetiergewehrs, System Fruhwirth, ist ein Repetierkarabiner, System

^[Abb.: Fig. 10. Das gespannte Schloß, zum Magazinfeuer gestellt. Fig. 11. Das abgedrückte Schloß, zum Magazinfeuer gestellt. Fig. 10 u. 11. Deutsches Infanteriegewehr M/71.84.]