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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hansa

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Hansa (Verfall; Ausdehnung in der Blütezeit).

Stellung England und den andern Königreichen gegenüber mit sich bringe. Da man an der eignen Macht verzweifelte, brachte man 1582 die Sache an den Reichstag, und wirklich erging 16. Sept. d. J. ein Reichsgutachten, wonach den Adventurers überall im Reich der Handel sofort verboten werden sollte; das betreffende kaiserliche Mandat ward aber erst 1597 erlassen. Während dieser Zeit waren die Adventurers vorübergehend wieder in Hamburg erschienen, und der Rat von Stade hatte ihren Besuch sogar durch eine eigne Gesandtschaft erbeten. Elisabeth hatte 1589 im Tejo 60 hansische Schiffe kapern lassen, nahm nach dem Erscheinen des kaiserlichen Mandats auch die hansische Faktorei, den Stahlhof, weg und hob die alten Privilegien der H. in England auf.

Zu Anfang des 17. Jahrh. bestand der Hansabund thatsächlich kaum noch aus mehr als etwa 14 Städten. Trotz dieses Verfalls wurde von den großen Mächten, welche damals in Europa maßgebend wurden, das Bündnis der H. und insbesondere Lübecks noch immer sehr gesucht. Denn da Spanien einen großen Eifer entwickelte, auf der Ostsee Macht zu gewinnen, und deshalb mit Dänemark in Unterhandlungen getreten war, suchten die Niederländer und die mit ihnen verbündeten Schweden 1612 mit Lübeck ein förmliches Bündnis. Später unterhandelte Frankreich in gleicher Absicht mit Lübeck, und auch die kaiserliche Politik konnte ihre seit Dänemarks Niederlage inaugurierten Pläne auf die Ostseeherrschaft nicht ohne Lübecks Einverständnis erreichen. Auf dem Lübecker Tag von 1627 unterhandelte der kaiserliche Gesandte zugleich im Namen Spaniens. Letzteres erbot sich, das Monopol des ganzen Kolonialhandels mit den Städten zu teilen; doch wiesen diese aus Besorgnis eines Zerwürfnisses mit den skandinavischen Nachbarn und einer Einmischung des Kaisers in ihren Handel den Vorschlag zurück. Nach dem Westfälischen Frieden wurden mehrfache vergebliche Versuche gemacht, einen Hansetag in der alten Weise zu versammeln. Die meisten Städte waren, da ihnen der Bund den alten Schutz nicht mehr zu gewähren vermochte, abgefallen und hatten sich zum Teil irgend einer Fürstenmacht unterworfen, und auf dem letzten Hansetag zu Lübeck 1630 erfolgte ihre förmliche Lossagung. Umsonst erteilte Leibniz (1670) den Rat, "die Kommerzien durch Restabilierung der Hansestädte wieder aufzurichten". Es war kein Leben mehr in den toten Körper zu bringen, und nur einem günstigen Geschick ist es zuzuschreiben, daß wenigstens Lübeck, Bremen und Hamburg, welche den Bund freilich mehr dem Namen nach als durch einmütiges Streben noch eine Zeitlang repräsentierten, ihre Unabhängigkeit bewahrten. Hier vereinigten sich die Geldkräfte mit der Geschäftskunde, das günstige Vorurteil der auswärtigen Geschäftsfreunde mit der einheimischen Strebsamkeit, die Erfahrung und Umsicht mit der gewandten Benutzung der Zeitumstände. Wo man aber einst befohlen hatte oder doch mit Selbstgefühl aufgetreten war, da mußte man nun bitten und wohl auch zu Bestechungen seine Zuflucht nehmen; namentlich über das Recht der neutralen Flagge fanden häufige Verhandlungen mit England und Frankreich statt. Napoleon verleibte 1810 die Hansestädte dem Kaiserreich ein. Das Kontinentalsystem erreichte dadurch seinen Höhepunkt; der Handel schwankte zwischen namenloser Einbuße durch die Sperre und zwischen fabelhaftem, aber segenlosem Schmuggelgewinn. Als die Wiener Kongreßakte den Hansestädten in Anerkennung ihrer regen Beteiligung an dem Befreiungskampf ihre Unabhängigkeit garantiert hatte, erneuerten sie ihr hanseatisches Bündnis; doch hat dasselbe mit dem alten Bunde der H. wenig mehr als den Namen gemein.

In der Blütezeit der H. reichten deren Verkehrslinien vom äußersten Norden bis nach Italien, vom Innern Rußlands bis an den Atlantischen Ozean. Von Wisby wurde, wie schon bemerkt, der Verkehr mit Rußland bewerkstelligt, und seit der Ansiedelung in Nowgorod hatten die Deutschen auch hier ihr eignes Recht, ihre Handelsordnung und Gemeindekasse. Durch Verträge mit den russischen Großfürsten sicherten sich die Lateiner (d. h. die Westländer) ihre Rechte. Der anfangs zu Lande bewerkstelligte Verkehr mit Nowgorod wurde später durch Schiffe unterhalten, die sich jährlich zweimal in Wisby zur gemeinschaftlichen Fahrt nach Osten versammelten. Der Verkehr der Deutschen mit Schweden beginnt erst Mitte des 13. Jahrh., doch scheint er nicht unbedeutend gewesen zu sein; die Schweden erhielten von den Deutschen die notwendigsten Lebensbedürfnisse, und diese beuteten dagegen auf Grund ihrer Privilegien die schwedischen Kupferbergwerke aus, exportierten Kupfer, Eisen, Pelzwerk, Fische. Bedeutenden Verkehr unterhielten die Deutschen im 12. und 13. Jahrh. mit Schonen, wo sie in Gesellschaften Fischfang mit Harpunen, Netzen und Angeln trieben, die Fische trockneten, salzten und ausführten. Von andern zum Heringsfang besuchten Orten nennen wir noch die Inseln Bornholm, Moen und Drakoer (d. h. Amack). Die dänischen Orte, an welchen die Deutschen das Recht hatten, sich niederzulassen, waren besonders: Kopenhagen, Helsingör, Roeskilde auf Seeland, Svendborg auf Fünen, Flensburg in Schleswig, Rendsburg und Kiel in Holstein. Sehr wichtig war ferner der Handel mit Norwegen, wo schon früh des Handels wegen Ortschaften wie Stavanger, Drontheim (992), Opslo (1060) und Bergen (1076) entstanden. Bergen war der Hauptsitz des hanseatisch-norwegischen Verkehrs; Bergens Bürger wurden nach und nach von den Hanseaten abhängig: überall kauften diese sich an und bemächtigten sich der Gewölbe und Häuser. Das Gebiet der Deutschen bestand aus 21 Höfen, die zwei Gemeinden bildeten. Alle Höfe waren durch Mauern voneinander getrennt und bestanden aus Haupt- und Nebengebäuden. Die ganze Niederlassung zählte etwa 3000 Bewohner, die alle männlichen Geschlechts sein mußten. Kein Kontorist durfte heiraten, keiner des Nachts außerhalb der alten Stadt bleiben. Unter den Hansestädten machten Lübeck, Hamburg, Rostock, Wismar, Stralsund und Bremen die meisten Geschäfte in Bergen. Außerordentlich wichtig war ferner der Handel der Hanseaten in England; hier war ihnen das Privilegium des freien Ein- und Verkaufs aller Waren gegeben. Außer in London waren Hansen in Boston, Hull, York, Norwich etc. thätig; die Könige begünstigten sie gegenüber dem eignen Volk, weil die Zölle, welche sie für eingeführte Waren entrichteten, eine einträgliche Quelle des Einkommens der Könige waren. Trotz der Einführung der Ein- und Ausfuhrzölle, die häufig sehr bald wieder aufgehoben wurden, und trotz andrer Schikanen der Engländer blieben die Hansen doch das ganze Mittelalter hindurch die Haupthändler in England. Ihr Hauptsitz war der Stahlhof in London; hier wurden an jedem Neujahrsabend der Alderman mit zwei Beisitzern und den Neunern in der Art gewählt, daß jede Stadt gleichmäßigen Einfluß ausübte. Diese zwölf Männer setzten mit dem residierenden Kaufmann der H. die Statuten fest, welche jährlich in voller Versammlung in der