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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Heinrich

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Heinrich (England).

H., dessen Gemahlin Margarete, eine Tochter des Herzogs Renatus von Anjou, vergeblich eine Armee gegen den Usurpator aufgestellt hatte, war den Nachstellungen seiner Feinde anfangs glücklich entgangen, bis er endlich 1464 entdeckt und nach schmachvoller Mißhandlung in den Tower gebracht wurde. 1470 ward er noch einmal durch den Grafen Warwick befreit und wieder auf den Thron gesetzt, schon im folgenden Jahr aber wieder gefangen genommen und 21. Mai 1471 im Tower ermordet. Auch H. VI. ist der Held eines Shakespeareschen Dramas.

24) H. VII., König von England, war der erste englische König aus dem Haus Tudor, von welchem er durch seinen Vater Edmund Tudor, Grafen von Richmond, abstammte; seine Mutter Margarete Beaufort dagegen war eine Urenkelin Johanns von Gaunt, Herzogs von Lancaster, und der Katharina Swynford. Die Nachkommenschaft aus dieser Verbindung war 1397 legitimiert worden; ob ihr aber dabei ein Anspruch auf die Thronfolge eingeräumt war, ist sehr zweifelhaft, und keinenfalls war H. deswegen erbberechtigt, weil sein väterlicher Großvater Owen Tudor die Witwe Heinrichs V. geheiratet hatte. Nichtsdestoweniger galt H. Tudor stets als Glied des Hauses Lancaster und bahnte sich als Lancaster den Weg zum Thron. Am 17. Jan. 1456 auf Schloß Pembroke geboren, ward er nach dem Sturz des Hauses Lancaster durch Eduard IV. von seinem Oheim, dem Grafen Pembroke, nach der Bretagne gebracht. Auf ihn richteten sich nach der Usurpation des englischen Throns durch Richard III. (s. d.) nicht nur die Augen der Anhänger des Hauses Lancaster, sondern auch die aller Gegner Richards. Durch seine Verlobung mit Elisabeth, der ältesten Tochter Eduards IV., die der Herzog von Buckingham zu stande brachte, wurden Heinrichs Ansprüche auf den Thron noch verstärkt. Von Karl VII. von Frankreich unterstützt, ging er mit 2000 Engländern zu Harfleur unter Segel und landete 6. Aug. 1485 zu Milford Haven in Südwales. Er brachte seine Schar schnell auf 6000 Mann und stieß bei Bosworth 22. Aug. d. J. auf Richard, der mit 12,000 Mann gegen ihn ausgezogen war. Der Übertritt des Lords Stanley auf Heinrichs Seite hatte die Niederlage Richards zur Folge, der selbst im Kampf blieb. H. ward darauf zum König von England proklamiert, und Volk und Adel, des ewigen Bürgerkriegs müde, waren mit seiner Erhebung zufrieden. Den letzten männlichen Sproß des Hauses York, den Grafen Eduard von Warwick, ließ H. in den Tower bringen; mit Elisabeth vermählte er sich erst nach seiner Krönung (30. Okt.), damit es nicht scheine, als ob er erst aus dieser Verbindung sein Recht auf die Thronfolge ableite. Zwei Kronprätendenten hatte er im Lauf seiner Regierung zu bekämpfen. Ein gewisser Lambert Simnel, der Sohn eines Tischlers, gab sich nämlich für Richard von York, den Sohn Eduards IV., aus und spielte seine Rolle so geschickt, daß ihn die Großen von Irland als Eduard VI. krönten. Auch sandte Eduards IV. Schwester, die verwitwete Herzogin von Burgund, ein Hilfskorps nach Irland, das, dort verstärkt, in England landete. Doch siegte H. bei Stoke 1487 über die Empörer. In den Streit des Herzogs von Bretagne mit der Krone von Frankreich verwickelt, erschien er, angeblich zur Wiedereroberung der frühern englischen Besitzungen, mit starker Streitmacht im Oktober 1492 vor Boulogne, schloß aber, durch ansehnliche Summen zufriedengestellt, 30. Nov. zu Etaples mit Karl VIII. Frieden. Ein neuer Prätendent tauchte später in der Person eines gewissen Perkin Warbeck (s. d.) gegen ihn auf, den König Jakob IV. von Schottland als Sohn Eduards IV. anerkannte. Selbst von vielen englischen Großen wurde der Prätendent willkommen geheißen, zuletzt aber von Jakob IV., der 1497 mit H. Frieden schloß, im Stiche gelassen. Die nun zurückkehrende Ruhe benutzte H., um seinen Thron zu befestigen und die königliche Machtbefugnis möglichst zu erweitern. Mit kluger Politik benutzte er die Ohnmacht des Adels, der aus den langen Bürgerkriegen an Zahl und an Mitteln sehr geschwächt hervorgegangen war, um unter Beibehaltung der verfassungsmäßigen Institutionen des Parlaments, der Jury, der Organe der Selbstverwaltung, doch überall die königliche Macht zu stärken; ein wesentliches Mittel dazu war die Errichtung der "Sternkammer", eines Gerichtshofs für politische Prozesse. Er war ein guter Finanzmann, der große Schätze ansammelte und doch den materiellen Wohlstand des Volkes zu fördern nicht unterließ. Auch hob er das Bürgertum durch Verbesserung der Rechtspflege und begünstigte Handel und Schiffahrt selbst mit beträchtlichen Geldopfern. So unterstützte er die Entdeckungsfahrten des Venezianers Caboto, der 1497 das Festland von Amerika entdeckte. Die äußere Politik Heinrichs ist durch seine Allianz mit Spanien charakterisiert; sie gab ihm den wünschenswerten Rückhalt in der europäischen Politik. Er vermählte seinen ältesten Sohn, Arthur, und, als dieser starb, seinen zweiten, Heinrich, mit Katharina von Aragonien; durch die Ehe seiner Tochter Margarete mit Jakob IV. von Schottland kam das Anrecht auf die Krone von England an das Haus Stuart. H. starb 22. April 1509. Vgl. Campbell, Materials for a history of the reign of Henry VII. (Lond. 1873 ff.).

25) H. VIII., König von England, Sohn des vorigen, geb. 28. Juni 1491, bestieg 1509 den englischen Thron und verheiratete sich in demselben Jahr mit Katharina von Aragonien, der Witwe seines Bruders Arthur. H. war ein stattlicher Mann, mit glänzenden Gaben ausgestattet, ein in Gelehrsamkeit und ritterlichen Künsten gleichmäßig ausgezeichneter Fürst. Seine Regierung folgte den Impulsen, die sein persönlicher Charakter ihr gab; aber auch dem wachsenden Einfluß seiner Ratgeber war sie offen. Anfangs leitete der Kardinal Wolsey das Ruder des Staats. Im J. 1512 verband sich H. mit dem Kaiser Maximilian I. gegen Ludwig XII. von Frankreich, siegte zwar 17. Aug. 1513 in der sogen. Sporenschlacht bei Guinegate, schloß aber, ohne diesen Sieg zu benutzen, im folgenden Jahr Frieden mit Frankreich und dann mit Ludwigs XII. Nachfolger Franz I. sogar ein Bündnis gegen Karl V. Nochmals wechselte H. die Stellung, als er 1521 auf Betrieb Wolseys, der durch den Kaiser auf den päpstlichen Stuhl erhoben zu werden hoffte, eine Allianz mit Karl V. gegen Frankreich einging. Da sich Wolsey in seinen Aussichten auf den päpstlichen Stuhl getäuscht sah, erfolgte 1526 ein heftiger Bruch mit dem Kaiser, welcher zu den größten Ereignissen Anlaß gab. Durch die gegen Luthers Buch von der babylonischen Gefangenschaft gerichtete Schrift "Adsertio septem sacramentorum" (Lond. 1521) hatte sich H. vom Papste den Titel Defensor fidei erworben, und er war infolge von Luthers 1522 erschienener Gegenschrift "Contra Henricum regem M. Lutherus", die von H. unerwidert blieb, der entschiedenste Gegner des Protestantismus geworden. Bald nach eingetretenem Zerwürfnis mit dem Kaiser legte nun H. die Absicht an den Tag, seine Ehe mit Katharina von Aragonien, einer Tante des Kaisers, zu trennen, an-^[folgende Seite]