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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hildebrandt

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Hildebrandt.

Märchenerzählerin, 1834: den kranken Ratsherrn und die vier singenden Chorknaben. 1835 vollendete er sein Hauptbild, welches das Übergewicht der Düsseldorfer Historienmalerei mit begründete: die Söhne Eduards, welches in größerer Ausführung in die v. Spiegelsche Sammlung nach Halberstadt, im kleinern Original aber in die Sammlung des Grafen Raczynski zu Berlin gelangte (jetzt in der Nationalgalerie, gestochen von Knolle). Alle diese Bilder zeigen bereits den Einfluß der 1829 von ihm zum erstenmal bereisten Niederlande und der Schule Wappers; weniger die Eindrücke seiner italienischen Reise (1830), welche seine realistische Tendenz nicht zu beeinflussen vermochten. Der Weihnachtsabend (1840), Empfang des Kardinals Wolsey im Kloster (1842), Doge und Tochter (1843), Judith (1844), die brieflesende Italienerin (1845) und Othello (1847) zeigen den Künstler noch auf der Höhe seiner Meisterschaft. Nachdem er aber ein langwieriges Gehirnleiden überstanden, erreichte er die frühere Bedeutung nicht mehr. So in Julia, den Schlaftrunk nehmend (1853), Arthur und de Burgh aus "König Johann" (1855) und Kordelia, den Brief an Kent lesend. Länger behauptete er sich im Bildnis, besonders im männlichen. Die gelungensten sind: Prinz Friedrich von Preußen, Prinzessin Albrecht von Preußen, Prinz Georg von Preußen, Staatsrat v. Shukowskij, Graf Anton von Stolberg-Wernigerode, Minister v. d. Heydt und Baron Wappers. H. gehört zu den ersten Bahnbrechern der realistischen Richtung in Düsseldorf und hat durch seine geschmackvolle Sicherheit in der Wiedergabe der Natur, namentlich im Bildnis, ebenso große Verdienste wie durch sein Kompositionstalent in Historienbildern dramatischen Inhalts. Schon viele Jahre durch Geistesstörung seiner Kunst entrückt, starb er 29. Sept. 1874 in Düsseldorf.

2) Eduard, Maler, geb. 9. Sept. 1817 zu Danzig als Sohn eines armen Stubenmalers, wurde selbst Stubenmaler und kam als solcher 1837 nach Berlin, von wo er 1838 seine erste Studienreise nach Rügen unternahm. Nach seiner Rückkehr arbeitete er eine Zeitlang im Atelier des Marinemalers W. Krause und machte dann eine zweite Reise nach England und Schottland. 1841 begab er sich nach Paris in das Atelier des Marinemalers Isabey. Die Pariser Kunstausstellung von 1843 beschickte er mit einem Genrebild, für welches er eine goldene Medaille erhielt. Noch in demselben Jahr kehrte er nach Berlin zurück und trat bald danach, auf Humboldts Empfehlung vom König unterstützt, eine Reise nach Brasilien und Nordamerika an. Der zweijährige Aufenthalt in jener tropischen Natur war für seine Kunstrichtung entscheidend: er malte fortan fast nur Landschaften und Marinen mit außergewöhnlichen Licht- und Lufteffekten und Naturphänomene. Außer einer Sammlung von Aquarellen, welche der König von Preußen ankaufte (Nationalgalerie zu Berlin), sind von Hildebrandts Arbeiten aus jener ersten Periode zu nennen: Küste der Normandie, Winterlandschaft (beide von 1846, Berliner Nationalgalerie); ein Abend in der Bai von Rio de Janeiro; tropischer Regen; ein brasilischer Urwald; Santa Gloria, Rio de Janeiro. Nach zweijährigem Aufenthalt in Berlin trat H., inzwischen zum preußischen Hofmaler ernannt, eine Reise über England nach Madeira, der afrikanischen Westküste, den Kanarischen Inseln, Spanien und Portugal an, von welcher er im Herbst 1849 zurückkehrte. Die Früchte derselben, etwa 200 Aquarelle, gingen ebenfalls zum größten Teil in den Besitz des Königs von Preußen über. Auch in die Kunstausstellung von 1850 gab er zwei Bilder: ein Blick ins Meer und Abend auf Madeira, welche ihm abermals die goldene Medaille eintrugen. Andre Gemälde aus dieser Zeit sind: der Pik von Teneriffa; Lissabon, von Almada gesehen, Mondnacht; Cammera dos Lobos, Madeira. Eine vierte Reise (1851) berührte Italien, die Nordküste Afrikas, Ägypten, Nubien, Syrien, Palästina, die Türkei und Griechenland; die Studien derselben, ebenfalls eine große Anzahl von Aquarellen, sind im Besitz des preußischen Hofs, des Kaisers von Rußland, des Herzogs von Ratibor und der Fürstin Wittgenstein. Ölgemälde aus jener Periode sind: Nilufer; Abend am Marmarameer; am Toten Meer. 1853 besuchte H. die Schweiz, Tirol, Oberitalien und malte sodann für einen Saal des Orangeriegebäudes bei Potsdam vier Ansichten von Jerusalem, dem Teich Bethesda, Nazareth und Bethlehem. 1855 ward er Professor und Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Er war nun längere Zeit daselbst thätig und machte erst 1856 wieder eine Reise nach dem Norden bis zum Nordkap, die ihn übrigens in künstlerischer Beziehung wenig befriedigte. Unter seinen nächsten Arbeiten sind zu nennen: das Nordkap; unter den Weiden; am Weiher; Winterlandschaft; Heuernte im Oderbruch; Strand bei Abendlicht (1855, Berliner Nationalgalerie); Schloß Kronborg bei Helsingör (1857, ebendaselbst); ein Abend auf Rügen und Meeresspiegel. 1862-63 unternahm er dann seine letzte große Reise, die zur Weltumseglung wurde. Die Beschreibung dieser Reise wurde von E. Kossak nach Hildebrandts Tagebüchern und mündlichen Berichten (Berl. 1867, 7. Aufl. 1882) herausgegeben. Die Resultate derselben waren neben mehr als 300 Aquarellen an Ölgemälden unter andern die beiden großen Pendants: Benares am Ganges im Frühlicht und ein Abend in Siam (1866), der heilige See zu Birma (1867), der Esel und der Marabut, zwei Nillandschaften und die chinesischen Fischer, letzteres zu seinen besten Leistungen gehörend. Hildebrandts letztes Werk: unter dem Äquator, lediglich auf Farbeneffekt ohne alle Zeichnung abzielend, zeigt den Untergang seines Talents in völliger Manier. H. starb 25. Okt. 1868 in Berlin. Licht und Luft sind sein eigentliches Studium, ein schönes Kolorit und glänzende Effekte gehen ihm über eine korrekte Zeichnung. So kam es, daß er sich nur zu gern an den äußersten Grenzen des Darstellbaren bewegte, oft sogar über dieselben hinausging. Seine Glanzzeit fällt in die 50er Jahre. Seine Aquarelle übertreffen an Wert die Ölgemälde. Eine Auswahl derselben wurde durch gelungenen chromofaksimlierten Druck von Steinbock und Loeillot in Berlin vervielfältigt: "Reise um die Erde" (34 Blätter), der sich vier neue Sammlungen anschlossen. Vgl. F. Arndt, E. H., der Maler des Kosmos (2. Aufl., Berl. 1869).

3) Johann Maria, Botaniker und Reisender, Sohn von H. 1), geb. 19. März 1847 zu Düsseldorf, widmete sich dem Maschinenbau, dann, da er infolge einer Explosion sein rechtes Auge verloren hatte, der Gärtnerei und war in den botanischen Gärten zu Halle und Berlin thätig. 1872 ging er nach Afrika, bereiste Ägypten und im Anschluß an Munzingers Expedition Abessinien, ferner die Danakilländer und auf zwei Expeditionen die Somalländer. Von einer Erholungsreise nach Ostindien zurückgekehrt, durchforschte er Sansibar und die gegenüberliegende Küste und unternahm auch eine dritte Expedition nach dem Somalland. 1874 kehrte er nach Europa zurück, begab sich aber schon im folgenden Jahr abermals nach Afrika und durchforschte die Comoroinsel Johanna.