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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hinterindien

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Hinterindien.

dem ehemaligen Königreich Birma, das sich im Malselai Mon (Blauen Berg) zu 2164 m Höhe erhebt, im Kap Negrais (15° 58' nördl. Br.) plötzlich zum Meer abfällt und sich in den Inselketten der Andamanen und Nikobaren fortsetzt. Östlich davon erstreckt sich das Thal des mächtigen Irawadi, der auf dem Mittellauf bereits eine sehr breite Thalsohle hat und in seinem Unterlauf, wo die Gebirge ganz zurücktreten, sich in ein vielarmiges, überaus fruchtbares und von Kanälen durchzogenes Delta verzweigt, mit dem sich von O. her der Fluß von Rangun verbindet. Auf der Ostseite begleitet das Thal dieses Flusses das Pung-Lung-Gebirge, und jenseit desselben fließt der Salwen, dessen Thal im O. vom Tanen Tung-Gji-Gebirge eingefaßt wird, das unter verschiedenen Namen südwärts bis zum 11.° nördl. Br. streicht, wo mit der Landenge Kra eine Vertiefung eintritt, die nur wenig höher als die Meeresfläche liegt. Jenseit davon erhebt sich selbständig das als eine Landzunge in südöstlicher Richtung streichende Rombaungebirge, das mit dem Kap Buros (1° 35' nördl. Br.) und Kap Romania (1° 22½') ins Meer abfällt. Seitlich vom Westsiamesischen Gebirge zieht sich das Flußthal des Menam hin, welches das Land Siam umfaßt und im O. durch das Ostsiamesische Scheidegebirge (Gebirge von Laos und Kambodscha) begrenzt wird, das von der Meridialrichtung bereits nach O. abweicht und das Flußgebiet des Mekhong abgrenzt. Letzteres endlich wird im O. vom Kochinchinesischen Küstengebirge begleitet, als dessen äußerster Ausläufer Kap St.-Jacques (10° 16' nördl. Br.) gilt. Zwischen dem Fuß dieses Gebirges und die Küste entlang erstreckt sich noch ein schmaler Saum nordwärts bis zum Tiefland von Tongking, dessen Fluß Songka einen südöstlichen Lauf verfolgt. Alle genannten Gebirgszüge ragen nicht über die Schneegrenze hinaus, nur wenige Gipfel sollen über 2500 m Höhe erreichen. Außer dem Irawadi, der bis Bhamo schiffbar ist, und dem Hanoi, der bis Jünnan hinein befahren werden kann, dient kein andrer Fluß dem Verkehr in größerm Maßstab. Der Salwen hat sich für die Schifffahrt unzugänglich gezeigt, die Schiffbarkeit des Menam endet bald hinter Bangkok, und auf dem Mekhong sind Dampfer kaum über den 14.° hinaufgelangt. Das Klima ist recht eigentlich ein Tropenklima. Die ganze Halbinsel steht unter dem Einfluß der Monsune, deren regelmäßiger Wechsel, wie in Vorderindien, einen ebenso regelmäßigen Wechsel der beiden Jahreszeiten, der trocknen und nassen, bewirkt. Reihen von Temperaturbeobachtungen liegen bisher fast nur von den Hafenstädten vor; es beträgt die mittlere Jahrestemperatur (von W. nach O. fortschreitend): in Akyab 26,2, in Rangun 27,0, in Bangkok 27,4 und im Innern, in Mandalai, der Hauptstadt von Birma, 25,8° C. Die Pflanzenwelt ist eine sehr reiche und üppige. Die Sumpfniederungen der Flußthäler begünstigen vornehmlich die Kultur des Reises, welcher neben Zucker, Pfeffer, Sesam, Kardamom, Baumwolle, Erbsen den Hauptausfuhrartikel bildet. Die Gebirgszüge tragen undurchdringliche Waldungen aus Teak-, Rosen- und Sappanbäumen, deren Holz aus Birma und Siam in bedeutenden Mengen ausgeführt wird. Andre wertvolle Bäume sind: die Banane, Aloe, der Sandel- und Ebenholzbaum, die indische Feige, viele Palmenarten, Bambus, Farbhölzer, Öl- und Gummibäume, Arekapalmen, Maulbeerbäume (vorzüglich in Anam), Talgbäume, auch mehrere giftige Bäume sowie Tannen, Fichten, Lärchen etc. in den hohen Gebirgsregionen. Die Tierwelt trägt denselben Charakter wie in Vorderindien. Unter den Elefanten, die hier noch mehr Haustiere sind als dort, erhalten die falben oder weißen abgöttische Verehrung. Es gibt ferner Nashörner, eine eigne Bärenart, Büffel, Tiger, Hirsche, wilde Schweine, Pfauen, Krokodile, Seidenraupen etc. Mit Häuten, Hirschgeweihen, Elfenbein, eßbaren Vogelnestern von der Küste hat sich ein lebhafter Handel entwickelt. Das Mineralreich liefert besonders gutes Zinn und herrliche Rubine und Saphire, außerdem Platina, Kupfer, Blei, Antimon, Eisen, Steinöl etc. Bauwürdige Steinkohle ist bis jetzt nur in Birma angetroffen worden, und die ebenda sowie in Siam entdeckten Gold- und Edelsteinfelder harren noch der Ausbeuter. Die geologische Landesaufnahme konnte bis jetzt nur vereinzelt in Angriff genommen werden, in Britisch-Birma durch Engländer, in Siam seit 1872 durch einen Amerikaner als Beamten des Königs.

Die Bevölkerung von H. ist eine sehr gemischte und bis jetzt noch ungenügend bekannt. Gewöhnlich scheidet man dieselbe in zwei Hauptbestandteile: Malaien auf der Halbinsel Malakka und Indochinesen im übrigen H. Diese letztern zerfallen in zahlreiche kleine Völkerstämme, welche sich unter vier Gruppen unterbringen lassen. Eine umfaßt die Anamiten, Thai (Schan, Lao) und die Birmanen; eine zweite bilden die Khamen oder Khmer in Kambodscha; eine dritte besteht aus den in die Gebirge zurückgedrängten wilden Muong, Moi, Pnom, Kha, Trao, Lolo u. a., welche eine entschiedene Verwandtschaft mit den Dajak zeigen; eine vierte Gruppe wird gebildet durch zahlreiche wilde Stämme im Innern von Malakka: Orang-Binua, Orang-Utang, Orang-Semang, Orang-Sakai. Dazu kommen noch die in allen Handelsplätzen und auch anderwärts in großen Zahlen angesiedelten Chinesen, während die Zahl der Europäer selbst in den von ihnen okkupierten Gebieten verschwindend klein ist. In der östlichen Gruppe (Anam, Kochinchina, Kambodscha) trägt alles chinesischen Typus, und die chinesische Sprache ist Schrift- und Gelehrtensprache; die westliche Gruppe spricht einen vorderindischen, den Palidialekt; die Schrift, ebenfalls das Palialphabet, ritzt man in Palmblätter. Die Malaien haben mit dem Islam arabische Schrift angenommen. Die Gesamtzahl der Bewohner wird auf mehr als 38½ Mill. geschätzt. Die Mehrzahl bekennt sich zum Buddhismus, die malaiische Bevölkerung meist zum Islam, die nicht unbedeutende Zahl der katholischen Christen wurde wiederholt durch Verfolgungen vermindert. Politisch ist H. immer mehr von England und Frankreich abhängig geworden. Selbständig sind heute nur noch Siam und einige Stämme auf der Halbinsel Malakka. England besitzt ganz Birma und die Straits Settlements, während Manipur im Lehnsverhältnis zu ihm steht; Frankreich hat seine Hand auf Kochinchina, Kambodscha, Anam und Tongking gelegt. Den gegenwärtigen Besitzstand zeigt folgende Tabelle:

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QKilom. QMeil. Bewohner

Siam 726850 13200 5750000

Unabhängige Stämme im Norden 65500 1190 200000

" auf Malakka 81500 1480 300000

Besitzungen der Engländer 709768 12890 8257000

Besitzungen und Schutzstaaten der Franzosen 583820 10603 24100000

Zusammen: 2167438 39363 38607000

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In der Geschichte spielte H. niemals Rolle, die mit der der andern Halbinseln Südasiens, Ara-^[folgende Seite]