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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Huhn

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Huhn (Krankheiten; Nutzen der Hühnerzucht, Geschichtliches).

arten, Kohlarten und Ähnliches. Als Körnerfutter steht obenan die Gerste; dann folgen Weizen, Buchweizen, Hafer, teils gequellt oder gekocht, teils, namentlich der Hafer, mit gebrühter Gersten- oder Weizenkleie vermischt. Als alleiniges Weichfutter sind gekochte und etwas gesalzene Kartoffeln, mit Kleien vermischt und gemengt, im Winter lauwarm, aber nicht heiß, zu empfehlen. Abwechselung im Körnerfutter, jedoch jede Getreideart für sich allein! Schwarz- und Weißbrot, trocken oder in Wasser, Milch etc. geweicht, ist besonders im Winter wohlthätig. Niemals soll man mehr vorwerfen, als die Hühner eben in einer Mahlzeit verzehren können. Während des Brütens füttert man Gerste, allenfalls etwas Brot und Grünes. Auch für verwitterten Kalk, Mörtel, gestoßene Eischalen und Kies muß man sorgen. Den Küchlein gibt man zunächst Buchweizengrütze, Ameisenpuppen, Maden, wenn man solche haben kann; dann ein Gemenge aus hart gekochten, geriebenen Eiern und Brot, dem man fein geschnittenes zartes Gras beimischen mag; später Hirse, kleinen Weizen, gekochten Buchweizen u. dgl.

Von kleinern und mittelgroßen Rassen gibt man einem Hahn 8-10 Hennen, von größern aber nur 3-5. Um Winterleger oder frühreife Junge zu erhalten, setzt man die Hennen frühzeitig im März, legt aber nicht gern die ersten Gelege unter, wenn man mehr Hühnchen als Hähnchen zu erzielen wünscht. Bei solchen Rassen, welche nicht gern oder gar nicht brüten mögen, muß man für brütlustige Hennen, z. B. Brahmas, sorgen. Das Brüten mittels Brutmaschinen ist mindestens bei kleinen Beständen nicht empfehlenswert. Einer mittelgroßen Henne legt man 11-13, einer großen 15 und 16 Eier unter. Die Brutzeit dauert meist 21 Tage, je nach der Temperatur einen oder ein paar Tage länger, selten einen Tag weniger. Die Hauptsache bei der Aufzucht (die Ernährung der Küchlein) ist bereits besprochen. Es ist nur noch hinzuzufügen, daß für stets rein gehaltenes Wasser oder Milch zu sorgen ist. Sonst ist noch zu beachten, daß die Küchlein vor Kälte und Nässe, vor Zugwind, aber auch vor allzu starker Sonnenglut zu wahren sind; alles übrige besorgt die Gluckhenne, wenigstens 6 Wochen lang.

Die Hühner sind mancherlei Krankheiten ausgesetzt, deren Ursachen hauptsächlich in Überfüllung der Stallungen und deren mangelhafter Beschaffenheit und Haltung, verdorbenem Körner- und Weichfutter, schlechtem Trinkwasser etc. zu suchen sind. Wer die vorher angegebenen Winke und Vorschriften über Stallungen und Ernährung, vor allen Dingen über öftere Reinigung der erstern und sämtlicher Gefäße befolgt und seine Hühner stets beobachtet, wird wenig über größere Verluste zu klagen haben. Vorbeuge und Aufmerksamkeit verhindern den Ausbruch der meisten Krankheiten, mindestens die Weiterverbreitung der seuchenartigen, welche zuweilen ganze Bestände wegraffen. Die wichtigsten Krankheiten des Huhns sind: 1) durch Eingeweidewürmer bedingte Affektionen (Bandwürmer, Saugwürmer und Rundwürmer); 2) durch tierische Parasiten verursachte Hautkrankheiten (Krätzmilben, Balgmilben, Vogelmilben, Federmilben und Flöhe); 3) Infektionskrankheiten (Hühnercholera, kruppös-diphtheritische Schleimhautentzündung, infektiöse Herzentzündung, Aphthenseuche, Tuberkulose, Soor und Pneumonomykose); 4) flechtenartige Hautkrankheiten (Grind oder Favus und Sporenflechte); 5) Vergiftungen (durch metallische Substanzen, durch Schierling, bittere Mandeln, grüne Kartoffeln und durch Pilze, resp. verdorbenes Futter; 6) Organkrankheiten (Unverdaulichkeit, Gelbsucht, Gicht, Rhachitis, Tumoren und Frostbeulen).

Nutzen der Hühnerzucht. Geschichtliches etc.

Um die jungen Hähne erfolgreich zu mästen und ein feineres Fleisch zu erzielen, pflegte man sie zu kastrieren. Die sogen. Kapaune zeichnen sich in der That durch große Mastfähigkeit aus und wurden mit größtem Erfolg in Le Mans erzielt. Gegenwärtig ist man aber von diesem Verfahren mehr und mehr zurückgekommen und zieht vor, junge unverschnittene Hähne, die aber noch nicht mit Hennen in Berührung gekommen sein dürfen, zu mästen. Unter der Benennung Poularden sind junge Hennen zu verstehen, welche, ohne irgend eine Operation erduldet zu haben, im Herbst eingesperrt und auf verschiedene Weise gemästet werden. - Die Meinungen und Urteile über den Nutzen der Hühnerzucht sind geteilt. Einige Ökonomen sehen das Halten der Hühner als etwas sehr Vorteilhaftes an und stellen sehr günstige Berechnungen des ansehnlichen Gewinnes, den ein Landwirt daraus ziehen könne, auf. Andre aber leugnen den Nutzen derselben und raten den Landwirten, nicht mehr Hühner zu halten, als sie zu ihrer eignen Haushaltung nötig haben. So viel ist gewiß, daß man die Hühnerzucht mit größerm Vorteil treibt, wenn die Hühner den größten Teil des Jahrs hindurch das, was sie zur Nahrung bedürfen, auf dem Wirtschaftshof, auf den Miststätten, vor den Ställen und Scheunen selbst auffinden, ohne daß sie besonders gefüttert werden müssen. Doch auch, wenn die Hühner das ganze Jahr hindurch besonders gefüttert werden müssen, wirft ihre Zucht noch einigen Gewinn ab. Der Hauptnutzen, den die Hühner gewähren, besteht in ihrem Fleisch und in den Eiern. In Frankreich, wo die Hühnerzucht sehr ausgebildet ist, züchtet man unter Berücksichtigung der Forderungen des Marktes verschiedene Rassen und auf verschiedene Weise für die Fleisch- und für die Eierproduktion. Die Hühnerfedern werden manchmal benutzt, um Betten damit zu füllen; sie müssen indes vor dem Gebrauch recht trocken werden, weil sie sonst unangenehm riechen. Die langen Schwanzfedern werden gefärbt und ungefärbt zu Federbüschen, Kehrbesen und Wedeln gebraucht und die langen Hals- und Bürzelfedern zu Muffen. Der Hühnermist entspricht als Düngung dem Taubenmist, obgleich er nicht so hitzig ist, wirkt auf das Wachstum der Pflanzen schnell und reizend, doch nicht nachhaltig; für Spargelbeete sowie zur Wiesen- und Kleedüngung ist er sehr nutzbar.

Die Domestikation der Stammeltern des Huhns scheint bis zur Kultur menschlicher Seßhaftigkeit hinaufzureichen. Vom östlichen Asien aus schritt sie nach Westen vor, wohl zuerst nach Ägypten, dann durch Kleinasien nach Griechenland, Rom und nach dem übrigen Europa. Hier war zuerst eine aus Ägypten oder Kleinasien überkommene Rasse verbreitet, welche mit unserm gegenwärtigen Landhuhn nahezu übereinstimmt. Man besaß aber auch schon vor 2000 Jahren auf der durch ihre Hühnerzucht berühmten Insel Delos eine Rasse, welche man zum Kampf abrichtete, und die indischen oder malaiischen Ursprungs gewesen zu sein scheint. Beide Rassen, vornehmlich die erstere, wurden jahrhundertelang in Süd- und Mitteleuropa weiter gezüchtet, ohne zu bemerkenswerten Rassenbildungen zu führen, und erst seit der Einführung älterer, im Südosten Indiens ausgebildeter Rassen und ganz besonders seit dem Import des riesigen Kochinchinahuhns nach England, im J. 1843, bekam die Hühnerzucht in Eu-^[folgende Seite]