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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Irland

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Irland (Geschichte: neuere Zeit).

daß die Engländer zunächst nur die südöstlichen Küstenstriche als ihr Besitztum ansehen konnten. Seit dieser Zeit zerfällt die Geschichte von I. in zwei voneinander verschiedene Teile: die des unabhängig gebliebenen und die des den Engländern unterworfenen I. Jene bewegt sich in zahllosen Fehden der kleinen Fürsten und Stammeshäuptlinge teils untereinander, teils mit den Engländern an der Grenze; diese hat keine selbständige Entwickelung, sondern ist durchaus von der der englischen Geschicke abhängig, ist lediglich die Geschichte einer Kolonie. An der Spitze dieser Kolonie stand ein königlicher Justitiarius oder Statthalter (King's Lieutenant), der zu Dublin residierte. Gegen das Ende des 13. Jahrh. finden sich in diesem Teil Irlands Grafschaften nach englischem Muster, und seit dem Jahr 1253 läßt sich auch ein eignes irisches Parlament nachweisen, zu welchem anfangs die weltlichen und geistlichen Lehnsleute des Königs, später auch Abgeordnete der Städte berufen wurden. Zu. Anfang des 14. Jahrh. machten die noch unabhängigen Iren den Versuch, die englischen Eroberer zu vertreiben, indem sie dem Heldenkönig Schottlands, Robert Bruce, die Krone von I. anboten. Dieser sandte seinen Bruder Eduard 1315 mit bewaffneter Macht nach I.; allein derselbe fiel in einem entscheidenden Kampf bei Dundalk gegen die Engländer, und Robert Bruce selbst, der wenige Tage später in I. landete, kehrte gleichfalls unverrichteter Sache nach Schottland heim. Während der Bürgerkriege in England, insbesondere während des Kriegs der beiden Rosen, sank die Macht der Engländer in I. sehr; um die Insel wieder zu unterwerfen, sandte Heinrich VII. den Statthalter Sir Edward Poynings dorthin. Dieser gab 1494 in der nach ihm benannten Poynings-Akte der Verfassung eine veränderte Gestalt, welche drei Jahrhunderte bestanden hat. Demnach war es dem irischen Statthalter nur erlaubt, mit Genehmigung des Königs ein Parlament zu versammeln, während der englischen Regierung die Gesetzvorschläge vorher zur Bestätigung vorgelegt werden mußten.

Irland unter den Tudors und Stuarts bis zur Revolution von 1649.

Heinrich VIII. suchte seine in England eingeführte Kirchenreform auch nach I. zu verpflanzen. Allein hier traf er nicht bloß bei den Eingebornen, sondern auch bei den in I. eingewanderten Engländern auf entschiedenen Widerstand. Selbst innerhalb der unmittelbar englischen Teile der Insel kamen daher die Maßregeln des Königs nicht zur vollständigen Durchführung; zu dem schon bisher so starken nationalen Gegensatz zwischen den keltischen Iren und den anglonormännischen Engländern, zu dem Haß zwischen Eroberern und Eroberten gesellte sich fortan noch die religiöse Feindschaft zwischen Katholiken und Anglikanern. Daß sich Heinrich VIII. 1542 von dem englischen und irischen Parlament statt des bisherigen Titels eines "Herrn" den eines "Königs" von I. verleihen ließ, vermochte das Mißtrauen nicht zu überwinden, und seiner Tochter Maria ward es leicht, die geringen Anfänge der Reformation in I. wieder auszutilgen. Der Königin Elisabeth Plan, das Vermögen der katholischen Kirche zu gunsten der protestantischen Geistlichkeit einzuziehen, rief seit 1560 eine Menge Aufstände hervor, welche durch den Papst, durch flüchtige Engländer und durch den spanischen Hof geschürt wurden. Vergebens versuchte der treffliche Statthalter, Sir John Perrot (seit 1584), die katholischen Iren durch Leutseligkeit und Milde zu gewinnen; an dem Widerstand der anglikanischen Geistlichkeit und der eingewanderten Engländer scheiterten seine Pläne zu einer durchgreifenden Reform der irischen Zustände. Da die Irländer vom öffentlichen Leben in ihrer Heimat gänzlich ausgeschlossen waren, nahmen viele Jünglinge in Spanien und Frankreich Kriegsdienste. Diesen Umstand machte sich der von der englischen Königin zum Grafen von Tyrone erhobene Häuptling. Hugh O'Niell zu nutze, indem er es 1598 mit Hilfe der aus dem Ausland zurückgekehrten Krieger unternahm, I. von dem fremden Joch zu befreien. Umsonst rückte im Frühjahr 1599 der Graf von Essex, Günstling der Königin, mit einem starken Heer gegen ihn heran; er sah sich genötigt, mit O'Niell einen Waffenstillstand zu schließen, und kehrte nach England zurück. Glücklicher war sein Nachfolger Lord Mountjoy, der die von den Spaniern unter Aquila unterstützte Heeresmacht O'Niells 24. Dez. 1601 vor Kinsale vollständig aufs Haupt schlug. Darauf verließen die Spanier 1602 I. wieder, und Tyrone mußte sich ergeben. Bei dem Tod Elisabeths 1603 stand ganz I. unter englischer Botmäßigkeit. Doch hatte die Unterdrückung der Aufstände einer Menge Ureinwohner das Leben gekostet und zur Konfiskation von mehr als 600,000 Morgen Landes zu gunsten englischer Kolonisten erwünschten Vorwand gegeben.

König Jakob I. beabsichtigte, in I. durchgreifende Reformen einzuführen, und begann damit, daß er die Macht der irischen Häuptlinge zu brechen suchte, indem er ihnen alle Besitzungen, für die sie den Lehnsbrief nicht vorweisen konnten, abnahm. Auf diese Weise gelangte Jakob I. in den Besitz von 800,000 Morgen Landes, die größtenteils an englische Spekulanten und an Schotten verkauft wurden welche die Stadt Londonderry und eine Menge anderer Kolonien gründeten. Der religiöse Zwiespalt zwischen den katholischen Iren und den protestantischen Engländern wurde durch diese Gewaltthätigkeiten nur noch mehr verschärft, und unter Jakobs Nachfolger Karl I. versuchten die bis 1641 von Lord Strafford (s. d.) mit strengster Härte regierten Irländer noch einmal, während der zwischen England und Schottland entstandenen Wirren, das englische Joch abzuwerfen. An der Spitze des Aufstandes standen Roger Moore, Sir Phelim O'Neal und Lord Cornelius Macguire, Enkel alter Stammeshäuptlinge; er begann im Oktober 1641 in der Provinz Ulster, wo es eine große Masse Heimatloser gab. Der Klerus wußte der Revolution auch ein religiöses Interesse beizumischen; binnen wenigen Tagen wurden nach einigen 5000, nach andern sogar gegen 20,000 protestantische Engländer ermordet, und eine noch größere Zahl fand ihren Untergang auf der Flucht. In England argwöhnte man, daß diese Hinschlachtung so vieler Männer, die der republikanischen Partei angehörten, nicht ohne Wissen des Königs geschehen sei, und dieser Umstand trug in der Folge viel zum Sieg der englischen Revolution bei. Das englische Parlament konfiszierte zwar ½2 Mill. Morgen irisches Land, um mit dem Erlös desselben die Bewegung zu dämpfen, und erklärte 8. Dez. 1641, daß es kein Papsttum in I. oder andern Teilen des Reichs dulden wolle; aber die innern Zerwürfnisse zwischen ihm und dem König hinderten zunächst eine energische Bekämpfung des Aufstandes. Um die Sache Karls in I. soviel wie möglich aufrecht zu erhalten, knüpfte der königliche Statthalter, Marquis von Ormond, mit den Rebellen Verhandlungen an, an denen auch der päpstliche Nunzius Anteil nahm, die aber erst nach langen Wechselfällen zum Abschluß eines Frie-^[folgende Seite]