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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Island

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Island (Industrie und Handel, Verwaltung, Geschichte).

lästig sind, haben sich stark vermehrt und ziehen in großen Herden, unangetastet und ungenutzt, durch die Ebenen des Innern. Eisbären kommen nur auf dem Treibeis als Gäste an. Seehunde sind an den Küsten zahlreich. Unter den Vögeln sind besonders wichtig die Eidergänse, welche an vielen Orten sich in großen Scharen aufhalten; man schützt und hegt sie, nimmt ihnen aber einigemal im Jahr Eier und Daunen. Weniger wichtig ist der Schwan (Singschwan), der größte einheimische Vogel Islands, obwohl auch dessen Federn einen guten Exportartikel bilden. Schneehühner, Brachvögel, Schnee-Eulen, Bachstelzen, Schnee-Ammern und Zaunschlüpfer, Schnepfen und schön gefiederte Enten sind nicht selten; doch stellt man nur den Schneehühnern nach, die einen Handelsartikel abgeben. Reptilien finden sich nicht auf I. Von Wichtigkeit ist der Fischfang; von Seefischen werden Dorsche, Schellfische und Hellbutten überall gefangen, und seit einigen Jahren wird eine nicht unbedeutende Heringsfischerei an der Ostküste getrieben; selbst eine Art Haifische (Hákarl, Plur. Hákarlar) kommt nicht selten vor, ausnahmsweise auch Walfische. Im süßen Wasser findet man nur Lachse und Forellen. Bei weitem der größte Teil der Bevölkerung lebt von der Viehzucht. Das wichtigste Haustier ist das Schaf, eine Art, deren beide Geschlechter regelmäßig Hörner (bisweilen sogar vier) tragen, die ein vortreffliches Fleisch und gute Wolle liefert. Man zählt im ganzen Land ca. 800,000 Stück (auf einem gewöhnlichen Bauernhof etwa 80-100). Mit Ausnahme der milchenden treiben sich diese Tiere den ganzen Sommer frei auf den Hochebenen herum und kommen nur im Winter zu den Wohnungen, gehen jedoch auch da täglich ins Freie. Weniger zahlreich ist das Rindvieh (ca. 20,000 Stück). Der Isländer liebt gewöhnlich das Rindfleisch nicht, wichtig ist ihm aber die Milch. Dagegen ist wieder die Pferdezucht bedeutend. Die isländischen Pferde, seit alters eingeführt, gehören zu einer kleinen, aber flüchtigen und sicher gehenden Bergrasse und sind, da es nur Reitwege gibt, für die Bewohner unentbehrlich. Eigentümlich ist ihr großer Kopf. Sie begnügen sich mit der magersten Kost, und viele kommen das ganze Jahr hindurch nicht in den Stall. Man zählt etwa 30,000 Stück Pferde, auf einem gewöhnlichen Bauernhof durchschnittlich 10 Stück, eine Zahl, die notwendig ist, um die Produkte (Wolle, gesalzenes Fleisch, Talg etc.) an den Handelsplatz zu bringen und anderseits die Lebensbedürfnisse (Korn, Kaffee, Zucker, Eisen, Holz etc.) nach Hause zu schaffen. Vor Schweinen hat der Isländer beinahe Abscheu, und man sieht sie auf den Handelsplätzen nur ausnahmsweise; dagegen ist der Hund sein eigentliches Lieblingstier, von dem man 4-8 Stück auf einem Hof hält. Nationalspeise der Isländer ist Skyr, d. h. ausgepreßte dicke Milch. Außerdem besteht das Essen auf I. gewöhnlich aus Schaffleisch, Fischen, aus Vögeln, Eiern, zu flachen Kuchen geformtem Brot von Roggen, Butter und Milch. Endlich wird ziemlich viel Branntwein und Kaffee getrunken.

[Industrie und Handel.] Die Industrie Islands ist natürlich gering. Der Hausfleiß liefert grobes Wollzeug (Vadmál), Strümpfe und Handschuhe, die aber schlecht gearbeitet sind. Auch Handwerk existiert kaum, jeder ist in allen Stücken sein eigner Handwerker. Der Handel, bis 1854 ein königliches Monopol, ist jetzt freigegeben. Die Zahl der in I. eingelaufenen Schiffe betrug in den letzten Jahren durchschnittlich 160 (meist dänische) mit einer Tragfähigkeit von 15,000 Ton. Hauptgegenstände der Ausfuhr sind: getrocknete Fische (jährlich etwa 20,000 Doppelzentner), Wolle (gegen 5000 Doppelzentner), Thran (10,000 Ton.), Salzfleisch (ca. 2000 T.), Talg (bis zu 750 Doppelzentner), Federn (ca. 12,500 kg), Eiderdaunen (ca. 3000 kg), Schneehühner, Fuchspelze, Pferde etc. Die Einfuhr besteht in Korn und Mehl, Kolonialwaren, Holz, Steinkohlen, Eisen, Tabak, Spirituosen und allerlei Fabrikaten. Mit Ausnahme von Reykjavík (2500 Einw.), Akureyri (400 Einw.) und Isafjördr (300-400 Einw.) gibt es keine Städte auf I.; auch Dörfer sind nicht vorhanden. An mehreren Förden haben Kaufleute ihre Faktoreien und Häuser errichtet, welche Orte dann Handelsplätze genannt werden. Im ganzen bestehen einige dreißig solcher Handelsplätze auf I. Im übrigen wohnt der Isländer nur auf Höfen (s. oben). Eine regelmäßige Dampfschiffsverbindung Islands mit Kopenhagen findet an bestimmten Tagen statt; die Fahrt (über Leith, die Shetlandsinseln, Färöer) dauert 10-14 Tage und ebenso lange zurück. In den letzten Jahren haben zwei Schiffe diese Route befahren, die elf Reisen zwischen Kopenhagen und I. jährlich machten und außerdem in der Sommerzeit die Verbindung zwischen den verschiedenen Häfen Islands besorgten. Seit 1873 ist auch ein reguläres Postwesen auf der Insel eingeführt.

[Verwaltung.] I., dessen höchster Beamter der Landhövding (Landshöfdingi) ist, wird in vier Ämter (unter zwei Amtmännern) geteilt: Süd-, West-, Ost- und Nordamt. Diese zerfallen in 22 Sýslur (Sing. Shsla, Distrikte) und diese in Hreppar (Sing. Hreppur, Gemeinden) und Sóknir (Sing. Sókn, Kirchspiele). In kirchlicher Hinsicht zerfiel I. bis Anfang dieses Jahrhunderts in die beiden Bistümer Holar und Skálholt, die aber nun zu einem vereinigt sind. Unter dem Bischof (in Reykjavík) stehen 20 Propsteien und 141 Pfarreien (bei 250-300 Kirchen). Das Isländische ist Kirchen-, Schul- und Rechtssprache, und der größte Teil der Beamten besteht aus eingebornen Isländern. Überhaupt gestattet Dänemark den Bewohnern den größten Einfluß auf ihre eignen Angelegenheiten, und die Insel hat seit 1874 sogar wieder ihre eigne gesetzgebende Versammlung (Althing), die sich alle zwei Jahre in Reykjavík, dem Sitz der Regierung, mit dem Landshövding an der Spitze versammelt. Die Staatsrechnung für die zweijährige Finanzperiode 1880-81 ergab eine Einnahme von 777,825 Kronen, der Zuschuß aus der Staatskasse des Königreichs betrug 159,388 Kronen. Der Überschuß ward auf 73,100 Kronen berechnet. Militär wird auf I. nicht gehalten.

[Geschichte.] Gegen Ende des 8. Jahrh. bereits von Irland aus entdeckt und besucht, hat I. doch nicht von dort aus seine Bevölkerung erhalten. Erst 867 wurde es von Nadodd, einem norwegischen Wiking, zufällig aufgefunden und Schneeland genannt, dann von dem Schweden Gardar und dem Normannen Floki besucht; der letztere nannte die Insel wegen des vielen an den Küsten sich anhäufenden Treibeises I. (Eisland). 874 fuhr der norwegische Edle Ingolfr Arnarson, wegen Totschlags aus seiner Heimat vertrieben, nach I., um dort seinen bleibenden Wohnsitz zu nehmen. Der Ort der ersten Ansiedelung war Reykjavík. Rasch folgten andre Einwanderer nach; namentlich als Harald Harfagar seine Alleinherrschaft in Norwegen durch blutige Unterdrückung der Unterkönige und freien Grundbesitzer herzustellen suchte, flüchteten viele aus Norwegen nach I., das binnen 60 Jahren seine volle Einwohnerschaft erhalten haben soll. Nur wenige dänische und schwedische sowie keltische Männer waren darunter, die Gesamtheit war ziemlich gleich-^[folgende Seite]