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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Italien

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Italien (Küsten, Inseln, Bodengestaltung).

die Breite der eigentlichen Halbinsel von W. nach O. 350-230 km, die der beiden südlichen Landzungen 51-105 km, während im N. die Breite des zum Königreich I. gehörigen Gebiets 780 km ausmacht. Man zählt zu I. auch mehrere in den genannten Meeren liegende Inseln. Es sind, außer Sizilien, das durchaus im Zusammenhang mit dem Festland zu betrachten ist, Sardinien und Corsica; zu den kleinern gehören: Elba und die übrigen Inseln des Toscanischen Archipels, die Gruppe der pontinischen und der neapolitanischen Inseln, die Liparen, Ägaten, Malta und die Tremiten. Mit den Inseln (aber ohne Malta und Corsica) beträgt der Flächenraum 296,323 qkm (5381 QM.), ohne dieselben 242,490 qkm (4403 QM.).

Die Küstenlänge Italiens wird auf 3300 km veranschlagt. Die Küstenumrisse Italiens zeigen sehr verschiedenen Charakter und sind weit weniger günstig gestaltet als die der östlichen, günstiger jedoch als die der westlichen Mittelmeerhalbinsel Europas. Die Küsten des Ligurischen Meers von der Var- bis zur Magramündung sind durchaus steil, große Meerestiefen drängen sich ans Ufer heran, über beide Schenkel dieses Golfs aber, die Riviera di Ponente wie die Riviera di Levante, die in der Spitze bei Genua zusammentreffen, ist aller Zauber der Natur ausgegossen, beide sind reich an herrlichen Häfen, wie die der Golfe von La Spezia und Rapallo, von Genua, Savona und Porto Maurizio. Von der Magramündung bis zum Kap Circello folgt ein ursprünglich in ähnlicher Weise geradlinig, buchten- und hafenlos verlaufendes Küstenstück wie das entsprechende der Ostküste von Rimini bis Kap Santa Maria di Leuca, wo sich nur der eine, aber treffliche Hafen von Brindisi findet, und nur der Vorsprung von Ancona, an welchem ein durch Kunst leicht zu verbessernder Naturhafen lag, wie die landfest gewordene Insel des Monte Gargano unterbrechen etwas die geradlinige Küste, an die zwar der Apennin nahe herantritt, ohne daß aber eine eigentliche Steilküste entstände. Die Küste Mittelitaliens ist von der Natur für Seeverkehr sehr schlecht ausgestattet, und wir begreifen somit, daß Rom sich sehr spät und erst, als es sich zum Herrn günstigerer Küsten gemacht hatte, zur Seemacht entwickelte. Nur hat die westliche Flachküste dadurch größere Mannigfaltigkeit erhalten, daß hier größere Flüsse, namentlich Tiber und Arno, münden und ihr Delta vorgeschoben haben, während gleichzeitig der Küste naheliegende Felseninseln, Kap Piombino, Monte Argentario, Kap Circello und Gaeta, durch die von der Küstenströmung mitgeführten Sinkstoffe landfest geworden sind. Dadurch ist eine Reihe flacher Golfe entstanden, während gleichzeitig die Anlage künstlicher Häfen (Ostia, die Häfen des Claudius und Trajan, Civitavecchia, Livorno) in dem angeschwemmten Land nicht schwer war. Reicher ausgestattet ist die Küste vom Kap Circello an. Dort dringen drei Golfe tiefer in das Land ein, von Gaeta, Neapel und Salerno, der mittlere der von der Natur in jeder Hinsicht am reichsten begabte, der sich zwischen Kap Miseno und Punta della Campanella 30 km breit, 13 km tief öffnet, noch geschützt durch die vorliegenden Inseln Ischia und Capri, reich an Häfen, denen die Erzeugnisse der reichen Ebene von Kampanien zuströmen. So mußte sich hier dichte Bevölkerung und ein großes Handelszentrum entwickeln, erst Cumä, dann in römischer Zeit und wieder seit dem Ende des Mittelalters Neapel. Die geringere Veranlagung des Golfs von Salerno prägt sich deutlich darin aus, daß die Städte, die hier nacheinander geblüht haben, Pästum, Salerno und Amalfi, an die Bedeutung jener nicht heranreichen. Die Küste Kalabriens vom Golf von Policastro bis zur Cratimündung im Golf von Tarent ist sowohl am Tyrrhenischen als am Ionischen Meer, außer am Golf von Sant' Eufemia, durchaus Steilküste und ohne Häfen, aber reich an schönen Szenerien. Den griechischen Städten dieser Küste, deren Bedeutung wesentlich auf dem Ackerbau beruhte, genügten kleine Einbuchtungen und der schmale sandige Strand der Küste für den Seeverkehr. Seit ihrer Zerstörung haben jedoch die ungeregelten Wasserläufe einen Fieberkordon rings um Kalabrien erzeugt, und sarazenische Seeräuber haben die Bewohner auf die Höhen zurückgescheucht, so daß die Küsten dieser Halbinsel verödeten und dieselbe vom Verkehr mit der übrigen Welt abgesperrt wurde und in der Kultur zurückblieb. Nur an der Meerenge von Messina finden wir daher eine namhafte Küstenstadt, Reggio, welche von der Lage an dieser wichtigen, nur 2-3 km breiten Wasserstraße Vorteil zog. Erst jetzt erwacht hier durch die Eisenbahn wieder neues Leben und zieht dieser Magnet die Bevölkerung aus ihren Felsennestern wieder herab an die Küste.

Die Küsten der Insel Sizilien sind fast durchaus steil, an der Ostseite reich an kleinen Buchten und Häfen, daher hier die blühenden Griechenstädte, die bedeutendsten von allen Messina und Syrakus. Auch die Nordseite ist noch reich gegliedert und besitzt den ehemals trefflichen Hafen von Palermo, welcher der Stadt den Namen gegeben hat; nachdem er im Mittelalter unbrauchbar geworden, ist durch einen künstlichen Molo ein neuer geschaffen worden. Die Afrika zugekehrte Küste ist ohne alle Häfen, unter großen Kosten wird ein solcher in Porto Empedocle, dem Hafen von Girgenti, geschaffen.

Am günstigsten ist die Küste Süditaliens gebildet am viereckigen Golf von Tarent, der mit 130 km breiter Öffnung zwischen Kap Nao und Santa Maria di Leuca in den Rumpf der Halbinsel eindringt, zwei kleinern Halbinselgliedern, Apulien und Kalabrien, Ursprung gebend. Seine Ufer sind nur an der Nordwestseite flach, von Sümpfen und Dünen begleitet und jetzt zum Teil von Malaria heimgesucht; aber dennoch ist der Golf von Tarent als das Organ zu bezeichnen, das, jetzt durch zwei Eisenbahnen mit der Ost- und Westküste verbunden und neuem Leben erschlossen, wie im Altertum, wo hier Tarent, Metapont, Heraklea, Sybaris, Thurii und Croton blühten, I. mit dem Orient verbinden wird. Tarent hat noch immer einen der besten Häfen Italiens. Durch die 75 km breite Meerenge von Otranto treten wir in das Adriatische Meer ein, dessen Küste bis Rimini bereits geschildert ist. Von Rimini bis zur Mündung des Isonzo haben wir wieder eine durch die Anschwemmungen der zahlreichen dort mündenden Flüsse beständig vorrückende, flache, sumpfige Küste vor uns, die auf weite Strecken von Lagunen begleitet ist, welche durch Dünen (lidi) vom Meer geschieden, durch Öffnungen in denselben (porti) damit verbunden sind und dann treffliche Häfen, wie bei Venedig und Chioggia, bilden.

Bodengestaltung.

Faßt man die orographischen Verhältnisse der Halbinsel ins Auge, so treten zunächst die Alpen bedeutsam hervor, die, I. im NW. und N. von Frankreich und dem übrigen Festland Europas scheidend, als ein ungeheurer Gebirgswall sich von Nizza im W. bis Triest im O. bogenförmig herumziehen und auch einen Teil Piemonts, der Lombardei und des Venezianischen bedecken. Gerade an der italienischen Seite tritt der einseitige Steilabfall der Alpen deutlich, am