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Italien (Geschichte: 5.-9. Jahrhundert).
die Herrschaft Odoakers 489 die ostgotische Theoderichs d. Gr. und seiner Nachfolger, bis es 553 dem byzantinischen Kaiser Justinian gelang, die griechisch-römische Herrschaft wiederherzustellen und I. durch Narses erobern zu lassen. Die große Verfassungsurkunde Justinians, die Pragmatische Sanktion, durch welche I. in kirchlicher und politischer Beziehung der Monarchie eingefügt wurde (554), ließ dem "Königreich" zwar eine gewisse Selbständigkeit, aber der Schwerpunkt der Regierung lag in den Händen des von dem byzantinischen Kaiser ernannten Exarchen, welcher zu Ravenna seinen Sitz hatte und die Hoheitsrechte des oströmischen Reichs in unbeschränkterer Weise geltend machte als die germanischen Heerkönige die ihrige.
Das Langobardenreich.
Aber schon 568 brach der Langobardenkönig Alboin nach I. auf und entriß den Oströmern in einer Reihe von Feldzügen bis 572 das ganze Oberitalien nebst Toscana und Umbrien. Die vielbestrittene Herrschaft der Griechen erstreckte sich nur noch auf Ravenna, die Romagna, die Pentapolis (Rimini, Pesaro, Fano, Sinigaglia, Ancona), auf einen Teil der unteritalischen Küste, auf Sizilien und endlich auf Rom, wo in besonderm Verhältnis zum Kaiser ein von dem Exarchen ziemlich unabhängiger Patricius städtische, kirchliche und kaiserliche Hoheitsrechte selbständig vereinigte. Seit dem 7. Jahrh. dehnten die Langobarden (s. d.) ihre Herrschaft fast über die ganze Halbinsel aus. Wiewohl die langobardische Königsgewalt frühzeitig erschüttert und durch innere Kämpfe und Gewaltthat gebrochen wurde, so bewahrte doch das langobardische Volkstum durch seine militärischen und rechtlichen Institutionen die dauerndste und eingreifendste Macht im Land. Unter den langobardischen Königen nahmen die Herzöge eine selbständige Macht in Anspruch, und schon im 7. Jahrh. bestand im Süden der Halbinsel das Gebiet von Benevent gleichwie im Norden der Dukat von Friaul unter eignen Herzögen. Neben den Langobarden behauptete in Mittelitalien nur die römische Kirche unter einer Reihe hervorragender Päpste auch eine politische Selbständigkeit. Gregor d. Gr. (590-604) hatte Rom nicht bloß zum geistlichen Mittelpunkt der Welt zu machen gesucht, sondern ihm auch eine politische Macht in I. gesichert, welche seine Nachfolger durch klug angeknüpfte Verbindungen mit den Franken zu vergrößern wußten. Indem die faktisch vollzogene vollständige Veränderung des Besitzes von der Kirche anerkannt, die neuen langobardischen Grundeigentümer aber der katholischen Lehre fester und fester unterworfen wurden, konnte die schwache Königsmacht nur bestehen, wenn sie sich zur willigen Dienerin der römischen, schon über Italiens Grenzen weit hinausreichenden Kirchengewalt hergab. Ein heftiger Konflikt zwischen den römischen Päpsten und den langobardischen Königen entbrannte indessen, als König Liutprand (713-744), ein thatkräftiger Herrscher, die ganze Halbinsel, namentlich aber Mittelitalien, seiner Botmäßigkeit zu unterwerfen strebte. Gregor II. und Gregor III., welche vergeblich Karl Martells Hilfe anriefen, erwehrten sich nur mit Mühe der Eroberungssucht Liutprands. Als König Aistulf 752 Ravenna eroberte und den Papst Stephan II. in Rom selbst bedrängte, rief dieser König Pippin von Franken herbei, der zwei Feldzüge (754 und 755) nach I. unternahm, die Langobarden zurückdrängte und Stephans Nachfolger Stephan III. außer Rom auch die Pentapolis als weltlichen Besitz übertrug, wogegen Pippin die Würde eines römischen Patricius empfing. Der Gegensatz zwischen dem römischen Stuhl und dem langobardischen Königtum wurde durch die Wahl Hadrians I., eines Römers, zum Papst 772 geschärft, denn dieser warf sich ganz der fränkischen Partei in die Arme. Zwischen Aistulfs Nachfolger Desiderius und Pippins Sohn Karl d. Gr. war zwar noch einmal eine Verständigung eingetreten, indem Karl des Desiderius Tochter heiratete; aber die Verstoßung der letztern und das Familienzerwürfnis im fränkischen Haus führten bald eine kriegerische Wendung herbei, welche den Untergang des langobardischen Reichs 774, die Herrschaft der Franken in I. und endlich die Herstellung des römischen Kaisertums durch Karl d. Gr. (799) zur Folge hatte.
Italien als Bestandteil des fränkischen Reichs.
Das nördliche I. wurde mit dem Reich Karls d. Gr. vollkommen vereinigt und in den Rahmen der fränkischen Verfassung eingefügt, nur Friaul behielt unter seinem langobardischen Herzog eine gewisse Unabhängigkeit, wie auch die Herzogtümer von Spoleto und Benevent in eine Art Lehnsverhältnis zum fränkischen Reich traten; die frühern Besitzungen der Griechen in Mittelitalien behielt der päpstliche Stuhl zu eigen mit dem Vorbehalt aller Hoheitsrechte des römischen Kaisertums über die Stadt und das Gebiet von Rom. In Unteritalien bewahrte eine Anzahl von Republiken, wie Amalfi, Gaeta, Neapel, ihre Selbständigkeit unter der Schutzhoheit des byzantinischen Reichs, während Sizilien den Angriffen der Araber ausgesetzt war, die sich 826 auch zu Tarent in Unteritalien festsetzten und Sizilien endlich den Griechen vollständig entrissen. Im ganzen und großen wurde aber das Schicksal Italiens durch die beiden vorwaltenden Mächte, durch Kaiser und Papst, bestimmt; auf ihrer Vereinigung und Freundschaft beruhte der durch Karl d. Gr. und Leo III. geschaffene Zustand Italiens. Allein aus den unklaren Beziehungen dieser beiden Gewalten entstand eine Reihe von Streitigkeiten, in welchen die Nachfolger Karls d. Gr. nicht mit dem ganzen und ungeteilten Ansehen der fränkischen Monarchie aufzutreten vermochten, da die letztere unter den Söhnen und Enkeln Ludwigs des Frommen zerfiel und sich in eine Menge von selbständigen Königreichen und Herzogtümern auflöste, in denen zwar nationale und Stammesverhältnisse nicht ausschließlich maßgebend waren, aber doch Berücksichtigung finden konnten. Die nationalpolitischen Individualitäten des modernen Europa nahmen damals ihren Ursprung. Aus der Monarchie Karls d. Gr. und aus dem fest gefügten Verband der römischen Kirche retteten die abendländischen Völker in der Fülle ihrer staatlichen und kirchlichen Institutionen gemeinsame Ziele und Gesichtspunkte in hinreichendem Maß, um auch ferner eine gemeinsame Kultur und Geschichte entwickeln zu können; aber der erwachte Individualisierungstrieb der Nationen und Stämme machte die Bildung kleinerer politischer Mächte möglich, welche in I. so gut wie in Deutschland nicht selten mehr Sympathien fanden als die entfernte und unsichere Macht des Kaisertums.
Im Vertrag von Verdun (843) war I. nebst der Kaiserwürde Lothar I. zugefallen, nach dessen Tod 855 beides auf seinen ältesten Sohn, Ludwig II., überging. Schon gegen diesen erhoben sich einheimische und fremde Elemente, und das Reich löste sich in zahllose Teile auf, als mit Ludwig II. 875 der italienische Zweig der Karolinger erlosch. Die wiederholten Versuche der west- und ostfränkischen Karolinger, mit der Kaiserkrone auch die Herrschaft über I.