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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Italienische Litteratur

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Italienische Litteratur (16. Jahrhundert).

Beccari (gest. 1590) u. a., die um die Mitte des Jahrhunderts zur Aufführung kamen. Auch von dem sonst als Redner und Dichter bekannten Luigi Groto, genannt il ciêco d'Adria (gest. 1585), hat man außer einigen mittelmäßigen Tragödien zwei Schäferspiele: "Callisto" und "Il pentimento amoroso". Die allgemeinste Bewunderung erregte der "Aminta" des Tasso, der 1573 am Hofe von Ferrara aufgeführt und bald in fast alle Sprachen übersetzt wurde. Eine Nachahmung des "Aminta", nur daß die Hirtenzustände auf das Fischerleben übertragen sind, ist der "Alceo" des Antonio Ongaro. Auch Angiolo Ingegneri (gest. 1613) schrieb ein 1583 aufgeführtes Pastorale: "La danza di Venere", und Cristoforo Castelletti ein Hirtendrama: "Amarilli", worin die romantische Richtung sich geltend macht. Alles dies und andres wird verdunkelt durch den "Pastor fido" des Battista Guarint (1537-1612, von ihm selbst "Tragicommedia pastorale" genannt), welcher den Gipfel dieser Gattung in der italienischen Litteratur bezeichnet. Den dritten Preis im Hirtendrama erteilt man gewöhnlich den "Filli di Sciro" des Grafen Guidobaldo de' Bonarelli (gest. 1607), welche aber nichts als eine matte Nachahmung des "Aminta" und des "Pastor fido" sind. Schon bisher waren einzelne kleine Gedichte in den Zwischenakten der Komödien unter Musikbegleitung gesungen, ja sogar Wechselgesänge von Nymphen und Satyrn musikalisch aufgeführt worden. Auch die "Favola d'Orfeo" des Poliziano (s. oben) war bereits von Instrumentalmusik begleitet gewesen. Es war also nur noch ein Schritt zu thun, um ein dramatisches Werk überhaupt mit Musik zu begleiten und musikalisch aufzuführen. Der erste, welcher den Gedanken erfaßte und ausführte, ein ganzes Stück singen zu lassen, war Emilio dei Cavallieri, welcher 1590 selbst zwei Pastoralen dazu dichtete: "La disperazione di Sileno" und "Il Satiro". Allein von Übereinstimmung der Musik und der Worte, von musikalischer Deklamation war dabei noch nicht die Rede. Diese Erfindung gehört zwei Florentinern, dem Dichter Ottavio Rinuccini (gest. 1621) und dem Musiker Jacopo Peri; jener schrieb die "Dafne", und dieser setzte die Musik dazu. So entstand 1594 die erste Oper. Derselbe Dichter schrieb 1600 noch eine "Euridice" und etwas später die "Arianna" und den "Narcisso", welche alle teils von Peri, teils von Giulio Caccini komponiert wurden. Fast gleichzeitig hatte Orazio Vecchi aus Modena eine Komödie: "Antiparnasso" ^[richtig: "Amfiparnasso"], geschrieben, die gleichfalls in Musik gesetzt wurde: die erste Opera buffa (vgl. Oper).

In der lyrischen Poesie ward viel produziert. Mehrere der hervorragendsten epischen und andern Dichter dieser Periode, wie Ariosto, B. und T. Tasso, Machiavelli, Tansillo, Guarini u. a., gehören auch zu den ausgezeichnetsten Lyrikern. Unter denen, welche vorzüglich nur als solche bekannt sind, verdienen hervorgehoben zu werden: Pietro Bembo aus Venedig (gest. 1547), der Nachahmer Petrarcascher Eleganz und Korrektheit in der Sprache; Francesco Maria Molza (gest. 1544), nach T. Tasso wohl das bedeutendste lyrische Talent des Jahrhunderts; Giovanni Guidiccioni aus Lucca (gest. 1541); Giovanni della Casa (gest. 1556); Annibale Caro (gest. 1566), welcher sich durch eine meisterhafte Übersetzung der "Äneide" bekannt machte; Angelo di Costanzo (gest. 1591) und endlich Michelangelo Buonarroti (gest. 1564), welcher, fast gleich groß als Maler, Bildhauer und Architekt, auch als Dichter durch Gedankenfülle und Tiefe einen hervorragenden Platz einnimmt. Außer diesen gab es damals noch viele Dichter zweiten Ranges: Francesco Beccuti (mit dem Zunamen il Coppetta), Antonio Broccardo, Galeazzo di Tarsia, die Gebrüder Lodovico und Vincenzo Martelli, Bernardo Cappello, Claudio Tolommei, Luca Contile, Bernardino Rota, Domenico Veniero, Gabriele Fiamma u. a. Auch die Frauen blieben nicht zurück, und zwar zählt dies Jahrhundert unter seinen Dichterinnen drei, welche genannt zu werden verdienen: die berühmte Vittoria Colonna (gest. 1547), deren Gedichte alle religiösen und ernsten Inhalts sind, ihre Freundin Veronica Gambara (gest. 1550), endlich Gaspara Stampa (gest. 1554), die italienische Sappho, welche in wenig gefeilter, aber natürlicher Sprache eine unglückliche Liebe besungen hat.

Die Zahl der Prosaiker dieser Periode steht nicht hinter derjenigen der Poeten zurück. Der Roman fehlt eigentlich der italienischen Litteratur bis auf die Neuzeit. Zwar hatten Boccaccio in seinem "Filocopo" und vor ihm schon Bosone da Gubbio im "Avventuroso Ciciliano" sowie die früher erwähnten Volksbücher, vorzüglich der "Guerrino il Meschino", diese Bahn betreten; aber die poetische Bearbeitung der Sagenwelt in den allgemein beliebten Ritterromanen einerseits und die ebenso beliebte Zersplitterung des Stoffes in der Novelle anderseits befriedigten das Bedürfnis der poetischen Mitteilung vollständig und erstickten jene frühern Keime, welche erst in unsern Tagen durch fremde Anregung sich wieder entwickelt haben. Unter den höchst zahlreichen Novellendichtern dieses Jahrhunderts steht Matteo Bandello (gest. 1560) obenan, dessen Stil zwar nachlässig und oft inkorrekt, aber nicht ohne Anmut ist; Agnolo Firenzuola (gest. 1548) schrieb in sehr eleganter, echt florentinischer Sprache zehn schlüpfrige Novellen, eine Bearbeitung des "Goldenen Esels" des Apulejus, worein er viel von den lustigen Abenteuern seines eignen Lebens verwebte, und eine Sammlung von Fabeln, "I discorsi degli animali", die zu einer Art von Roman verbunden sind. Gianfrancesco Straparola aus Caravaggio (starb nach 1557) veröffentlichte unter dem Titel: "Le piacevoli notti" eine Sammlung Novellen, welche besonders dadurch wichtig ist, daß sich in derselben auch die ersten in italienischer Sprache aufgezeichneten Märchen befinden. Wertvoll sind auch die 17 Novellen Girolamo Paraboscos (1550), der auch als Musiker berühmt war; sie führen den Titel: "I diporti" ("Unterhaltungen"), sind in drei "Tagewerke" (giornate) geteilt und mit Gedichten und Gesprächen untermischt. Von geringerm Interesse, aber in reiner Sprache geschrieben sind die "Sei giornate" des Sebastiano Erizzo (gest. 1585), welche 36 Novellen enthalten. Er sowie der bereits erwähnte Giraldo Cinzio (gest. 1573) in seinen "Hecatommiti" haben wenigstens das Verdienst, daß sie die in fast allen Erzählungen dieser Art herrschende Unsittlichkeit einigermaßen vermieden haben. Durch anmutige Darstellung nicht minder als durch ausschweifende Lustigkeit zeichnet sich die "Cene" betitelte Novellensammlung des schon wiederholt genannten Fr. Grazzini aus. Sonst sind als Verfasser von Novellen noch zu nennen: Machiavelli, dessen einzige Novelle: "Belfagor", zu dem Besten in dieser Gattung gehört, Giovanni Brevio, Luigi da Porto, Marco Cademosto aus Lodi (1543), Antonio Cornazzano, Niccolò Granucci, Pietro Fortini, Scipione Bargagli, Giustiniano Nelli, Antonio Mariconda, Franc. Maria Molza, Doni u. a. Während aber die genannten