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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Johannes

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Johannes (Apostel etc.) - Johannes (byzantinische Kaiser).

ßen Zügen einerseits ein Gemälde des Widerstreits der Welt gegen die in dem menschgewordenen Gottessohn geoffenbarte Wahrheit, anderseits ein Bild der innern Beseligung der Auserwählten, welche sich ihm als dem Lichte des Lebens hingeben. Nicht Thaten und Aussprüche, vom Gedächtnis bewahrt, sind dem Verfasser die Hauptsache, sondern Ideen, von der Spekulation erzeugt, vom Gefühl empfangen und als Glaube geboren. Soll J. dieses Buch überhaupt geschrieben haben, so müßte dies erst gegen Ende seines Lebens in Ephesos geschehen sein, woselbst eine Berührung mit der alexandrinischen Spekulation, wie sie die Ausführung über den Logos (s. d.) im Anfang des Evangeliums voraussetzt, denkbar wäre. Freilich weisen innere Zeitspuren das Werk in das 2. Jahrh., vielleicht schon in die Blütezeit der Gnosis. Jedenfalls wird es seit der sogen. Tübinger Schule in immer weitern Kreisen sogar als rein ideale Komposition betrachtet. Vgl. Thoma, Die Genesis des Johannesevangeliums (Berl. 1882). Dagegen vom herkömmlichen Standpunkt aus lieferten neuerdings Kommentare zu dem Evangelium: Lücke (3. Aufl.: Bonn 1840, 1843, 1856, 3 Tle.), Tholuck (7. Aufl., Gotha 1857), Meyer (7. Aufl. von Weiß, Götting. 1886), De Wette (5. Aufl. von Brückner, Leipz. 1863), Hengstenberg (2. Aufl., Berl. 1867-70, 3 Bde.), Ewald (Götting. 1862, 2 Bde.), Luthardt (2. Aufl., Nürnb. 1875), Keil (Leipz. 1881) u. a. S. Evangelium und Jesus Christus.

Von den Briefen des J. ist der erste der bei weitem bedeutendere. Derselbe bildet ein untrennbares Seitenstück zu dem Johanneischen Evangelium und führt insonderheit die praktische Seite der dort niedergelegten Ideen aus. Er knüpft weit mehr als das Evangelium an die Verhältnisse der Wirklichkeit an, aber der Grundgedanke ist auch hier die Realität des im Fleisch erschienenen Heils und die durch die Gemeinschaft des Glaubens und der Heiligung bedingte Liebe der Gläubigen untereinander. Die zweite und dritte Epistel sind kleine Handschreiben mit vieldeutigen Adressen. Ihr Verfasser nennt sich Presbyter, was auf die oben besprochene Hypothese vom Presbyter J. zurückweist.

Die Offenbarung des J. (Apokalypse) ist entstanden, als die Nähe der über Jerusalem hereinbrechenden Katastrophe und die blutige Christenverfolgung unter Nero in den Gemütern, besonders der ehemaligen Juden, die ganze Farbenglut der messianischen Hoffnungen wieder erweckten und man zuversichtlich einer in der nächsten Zukunft eintretenden allgemeinen Umwälzung entgegensah, welche mit der Läuterung Jerusalems und Roms Untergang beginnen und mit Christi Wiederkunft, der Auferstehung der Toten und dem Weltgericht endigen sollte. Unsre Offenbarung ist die treue dichterische Darstellung dieser Erwartungen. Kleidet der Verfasser dieselben auch in Visionen nach der Art der alttestamentlichen Propheten, namentlich Daniels, ein und entlehnt von denselben seine Farben, Symbole und Bilder, so bleibt ihm doch das Verdienst einer vollkommenen Einheit in der Zusammensetzung des Ganzen, einer großen Kunst in der symmetrischen Anordnung der Bilder und in der stufenmäßigen Entwickelung der Szenen. Als poetisches Werk hat diese Apokalypse alle Eigenschaften morgenländischer Dichtung. Der brennende Hauch des Ostens belebt ihre Bilder, eine üppige Phantasie opfert die Schönheit der Kühnheit, und das Menschlich-Ansprechende weicht dem Gigantisch-Abstoßenden. Das Buch ist höchstens zwei Jahre vor der Zerstörung Jerusalems geschrieben und setzt die Sage von dem aus dem Tod zum Leben zurückgekehrten Nero voraus. Der Verfasser nennt sich J., und die Überlieferung sieht in diesem den Apostel J., während Neuere den sogen. Presbyter als den Begründer der judaistisch-apokalyptischen Reaktion gegen die Paulinische Fortbildung der kleinasiatischen Gemeinden darstellen. Sprachliche und sachliche Gründe verbieten, dies Werk und das sogen. Evangelium des J. Einem Verfasser zuzuschreiben. Kommentare schrieben neuerdings Ewald (Götting. 1862), De Wette (3. Aufl. von Möller, Leipz. 1862), Düsterdieck (3. Aufl., Götting. 1877), Hengstenberg (2. Aufl., Berl. 1862), Bleek (das. 1862), Volkmar (Zürich 1862), Kliefoth (Leipz. 1874) u. a. S. Chiliasmus und Apokalyptik.

3) Bischof von Ephesos im 6. Jahrh., beteiligte sich an den monophysitischen Streitigkeiten und schrieb syrisch eine "Kirchengeschichte" seiner Zeit, deren noch vorhandener Teil von Cureton (Oxf. 1853; deutsch von Schönfelder, Münch. 1862) herausgegeben wurde.

4) J. der Priester, nach der Überlieferung des Mittelalters ein christlicher Fürst eines Reichs im östlichen Asien im 12. Jahrh., der auch Indorum rex genannt wird, von dem durch mittelalterliche Chronisten Briefe, die wahrscheinlich apokryph sind, mitgeteilt werden, der aber auch nach Ostafrika und Äthiopien versetzt wird, wo ihn später die Portugiesen aufsuchten. Endlich befestigte sich die Ansicht, daß Abessinien das Reich J.' sei, und noch im 17. Jahrh. hieß es Regnum Presbyteri Johannis. Die im Lauf der Zeit vielfach ausgeschmückte Sage, die zu vielen Reisen, um das Reich des J. zu entdecken, Anlaß gab, bezieht sich (nach Oppert, Der Priester J. in Sage und Geschichte, 2. Aufl., Berl. 1870) auf das Reich des Kurchans (Volkschans) von Karakitai (der schwarzen Kitan), das im 12. Jahrh. von dem aus Nordchina vertriebenen Stamm der Kitan unter Jeljutaschi in der Großen Bucharei gegründet wurde, und dessen Residenz Kaschgar war. Der letzte Abkömmling Jeljutaschis wurde von Kutschluk gestürzt, der 1208 Dschengis-Chan erlag. Die Karakitaier waren wahrscheinlich nestorianische Christen. Kurchan verwechselte man mit dem syrischen Juchan ("Johann"). Doch ist diese Deutung angefochten und die indische Heimat und die Echtheit der Briefe des priesterlichen Fürsten verteidigt worden. Vgl. Zarncke, Der Priester J. (Leipz. 1876-79, 2 Tle.).

Johannes, Kaiser von Byzanz: 1) J. I. Tzimisces, s. Tzimisces.

2) J. II. Komnenos, Sohn des Alexios Komnenos, regierte von 1118 bis 1143. Er führte den Beinamen Kalojohannes (schöner J.) wegen seines edlen, milden Charakters. Er kämpfte mit Glück gegen die Feinde des Reichs, namentlich gegen den Sultan von Ikonion und gegen die Petschenegen, bestätigte 1126 den Venezianern, mit denen er vorher in Krieg geraten, die von seinem Vater verliehenen Freiheiten, unterwarf 1137 auch Kilikien, nötigte den Fürsten Raimund von Antiochia, ihm den Lehnseid zu leisten, und beteiligte sich darauf an den Kämpfen in Syrien gegen den Sultan Zenki. Er starb auf der Jagd 8. April 1143.

3) J. III. Dukas Vatatzes, Schwiegersohn und Nachfolger des Theodor I. Laskaris, regierte während des lateinischen Kaisertums in Konstantinopel zu Nikäa 1222-54, eroberte den größten Teil von Thrakien und Makedonien, namentlich 1246 Thessalonich, und bereitete so die Wiederherstellung des byzantinischen Kaisertums vor.

4) J. IV. Laskaris wurde nach seines Vaters