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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Jüdische Litteratur

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Jüdische Litteratur (16. Jahrhundert).

ihrer erklärenden Zusätze (Tossafot) wegen Tossafisten genannt werden. In erster Reihe derselben stehen Raschis Schwiegersöhne Juda ben Natan und Meir ben Samuel aus Ramerü und des letztern Söhne Samuel, der vorzügliche Bibelerklärer, und Jakob (gest. 1171), genannt Tam (s. Raschi), denen sich später anschließen: der Paitan Elieser ben Natan (Raben) aus Mainz (1140), Joseph Porat, Isak der Alte (Ri), Isak Halaban in Prag, Elieser aus Metz, Simson ben Abraham aus Sens (gest. 1230 in Akka), Elieser ben Joel Halevi (Rabia), in rheinischen Städten lebend, Moses ben Jakob aus Coucy (um 1236 in Spanien), Verfasser des "Sefer mizwot gadol" (S'mag), und Elieser aus Tuch. Exegetische Arbeiten liefern neben Samuel ben Meir: Tobia ben Elieser, Joseph Bechor Schorr, Chiskia ben Manoach (1260), Isak Halevi u. a.; populärer Ethik und zum Teil auch der Kabbala huldigen Juda der Fromme (um 1200), der die Reisenotizen Petachjas zusammenstellt, und dessen Schüler im "Sefer chasidim" treffliche Sittenlehren ihres Meisters mitteilen; Eleasar ben Juda (Rokeach) aus Worms, Moses ben Chisdai aus Tachau, der Fabeldichter Berachja ha-Nakdan in Burgund; der Polemik dienen Natan Offizial und der Verfasser des "alten Nizzachon" aus dem 13. Jahrh. Durch die Verfolgung der Juden und ihres Schrifttums (1242 verbrannte man 24 Wagen voll Talmudexemplare in Paris) ward die litterarische Thätigkeit in Frankreich nicht ganz unterdrückt. Isak aus Corbeil (gest. 1280), Perez ben Elia (gest. 1300), Simson aus Chinon (1300) und Isak de Latas (um 1390) in der Provence sind Gelehrte von geringerer Bedeutung. Fruchtreicher als in Frankreich entfaltete sich trotz allen Druckes die j. L. in Deutschland. An der großen Rabbinerversammlung in Mainz (1223) nahmen ausgezeichnete Gelehrte teil, die aber alle an Gelehrsamkeit und Ansehen Meir von Rothenburg überragte. Neben ihm sind noch zu nennen: Abigdor Hakohen in Wien, Chajim Paltiel in Erfurt, seine Schüler Ascher ben Jechiel (s. S. 297), Mordechai ben Hillel, dessen Talmudkompendium als "Mordechai" bekannt ist, Meir Hakohen und Simson ben Zadok. Gutachtensammlungen, Zusammenstellungen von Ritualien, Erbauungsbücher sind die letzten schwachen Ausläufer dieses Zeitraums. Aus der Reihe der zahlreichen rabbinischen Autoritäten nennen wir nur Liepmann aus Mülhausen, Verfasser des "Nizzachon". Ein großer Teil der mittelalterlichen jüdischen Litteratur liegt noch ungedruckt in den Bibliotheken zu Rom, Florenz, Parma, Turin, Paris, London, Cambridge, Oxford, Leiden, Wien, Berlin, München, Hamburg u. a. O.

Fünfter Abschnitt (16. bis 18. Jahrhundert).

Der fünfte Zeitraum, das 16., 17. und 18. Jahrh. umfassend, gibt ein trübes Bild des Verfalls geistiger Thätigkeit; man zehrt von den litterarischen Schätzen der Vergangenheit, die man mit Hilfe der Buchdruckerkunst zu erhalten und zu verbreiten eifrig bestrebt ist. Der Trieb zum Studium ward unterstützt durch die Kunst Gutenbergs; aber zu schwach, die Erbschaft Spaniens anzutreten, flüchtete er sich in die Regionen des Talmuds und der Kabbala. Im türkischen Reich, wo früh schon in Konstantinopel, Salonichi u. Adrianopel hebräische Druckereien entstehen, wirken am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrh. Moses Kapsali (1480), der Mathematiker und Exeget Mordechai Komtino, Elia Misrachi (1520), Samuel Serillo, der Kabbalist Meir ibn Gabbai, der Verfasser einer Predigtsammlung, Moses. Almosnino, Isak Akrisch, Israel Nagara, Juda ibn Verga, dem die Anlage des die Verfolgungen der Juden schildernden Werkes "Schebet Jehuda" zugeschrieben wird, des letztern Sohn Salomo, der Fortsetzer, und Enkel Joseph, der Vollender erwähnter Leidensgeschichte. Die bedeutendsten talmudischen Autoritäten des 16. Jahrh. sind: Joseph Karo in Palästina, Jakob ibn Chabib (Zusammensteller des "En Jacob"), Salomo und Joseph Taitazak, Meir Arama in Salonichi, Benjamin ben Matitja in Arta, Bezalel (Verfasser von "Schitta mekubbezet") und Jakob Castro in Ägypten; des 17. Jahrh. Joseph ibn Esra in Salonichi, Joseph und David Pardo, später in Amsterdam, Abraham di Boton, David ibn Schoschan, Mordechai Kalai, David Conforte (gest. 1680 in Ägypten), Salomo Algafi und Chajim Benveniste in Smyrna und Samuel Lamirdo in Aleppo. - In Jerusalem wirkte seit 1488 der geschätzte Mischna-Erklärer Obadja Bertinoro; in Zafet waren thätig: Jakob Berab, der Erklärer des jerusalemischen Talmud Salomo Serillo, Moses ben Josef Trani, die Kabbalisten Salomo Alkabez, Dichter des Sabbatliedes "Lecho dodi", Moses Alscheich, der weitschweifige, homilienartige Bibelkommentare verfaßte, Moses Cordovero, ferner Moses Galante, der Italiener Menachem di Lonsano, der frühere Frankfurter Rabbiner Jesaias Halevi Hurwitz (gest. 1626), Verfasser des "Sch'loh", einer eigenartigen Encyklopädie des jüdischen religiösen Wissens. Der Kabbala schuf Isak Luria (gest. 1572) zahlreiche Anhänger und ebnete dadurch den spätern Betrügereien Sabbatai Z'wis (s. d.) indirekt die Wege. In Palästina treffen wir im 17. Jahrh. Hiskia de Silva aus Livorno (Verfasser des "Prichadasch"), Jakob Chagis aus Italien (gest. 1674) und im 18. Jahrh. den verdienstvollen Litterarhistoriker David Asulai (gest. 1807), Verfasser zweier bibliographischer Werke. Isak Abravanel wirkte von 1493 an in Neapel mit gleichstrebenden Söhnen (s. Abravanel). Elia Levita (s. d.), Grammatiker und Lexikograph, vermittelte den Christen hebräische Sprachkunde, Abraham de Balmes (gest. 1550) verfaßte eine hebräische Grammatik und übersetzte arabisch geschriebene philosophische Werke, der Arzt Obadja Sforno (gest. 1550), Lehrer Reuchlins, erklärte die Bibel, und David Vital schrieb über Religionsgesetze. Die hebräische Typographie fand zahlreiche Pflegstätten. In Venedig, wo seit 1516 Daniel Bomberg aus Antwerpen mit enormen Kosten die rabbinischen Bibeln und den Talmud druckte, in Cremona, Fano, Ferrara, Genua, Livorno, Padua, Rimini, Riva di Trento, Rom, Sabionetta, Verona waren gut geleitete Druckereien. Bald aber zertrat der Fanatismus diese Blüte, zündete wie für die Juden, so auch für deren Litteratur den Scheiterhaufen an (von 1553 an in Rom, Venedig, Ancona, Bologna, in Kandia und 1559 in Cremona) und unterdrückte die freie Meinungsäußerung durch die Zensur. Trotzdem zeigte Italien auch ferner emsige ernste Litteraten. Der aus Frankreich stammende Joseph Hakohen (1496-1575), Verfasser einer "Geschichte der fränkischen und ottomanischen Herrscher", schilderte in seinem "Emek habacha" die Leiden des jüdischen Volkes; Samuel Usque in Ferrara (1551) schrieb "Consolacao as tribulacoens de Israel"; Asarja de Rossi (1511-1578) lieferte im "Meor enajim" Beiträge zur Philosophie, Exegese, Chronologie und Archäologie. Weniger bedeutend waren die Brüder Provençale, der Prediger Moscato, Gedalja ibn Jachja, der Autor des "Schalschelet Hakkabala", der Lexikograph David de Pomis, Abraham Portaleone (geb. 1542 zu Mantua), Doktor der Philosophie und der Medizin, welcher ein Werk über jüdische Altertümer hinterließ. Um 1660 hatte Italien zwei jüdische Dichte-^[folgende Seite]