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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kanada

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Kanada (Bodengestaltung, Bewässerung, Klima).

zum Huronsee und umfaßt den gesegnetsten Teil der Dominion. Es ist ein ebenes oder wellenförmiges Gebiet, reichlich bewässert und, abgesehen von den bei Montreal und in der Umgegend ansteigenden isolierten Trapphügeln, ohne jegliche Gebirge. Nur wo die sanft geneigten paläozoischen Schichten zu Tage treten (wie bei den Niagarafällen), bilden sie hügelähnliche Terrainstufen. Die dritte und ausgedehnteste Region erstreckt sich vom untern St. Lorenzstrom und dem Huronsee und Obern See bis an die Gestade des Arktischen Ozeans. Es ist ein wildes, felsiges Land, reich an Flüssen und Seen, meist dicht bewaldet oder versumpft, wo laurentische Gneise, kristallinischer Kalkstein und der kambrischen (huronischen) Formation angehörige Grünsteine, Sandsteine und Granit vorherrschen. Die durchschnittliche Erhebung dürfte wohl 300 m erreichen, aber nur selten steigen die Höhen über 600 m an. Durchbrochen wird diese laurentische Seenplatte von den Flüssen Nelson (aus dem Winnipegsee kommend) und dem Churchill. Gegen W. tritt sie an den Winnipegsee heran und umfaßt teilweise den Athabascasee, den Großen Sklaven- und Großen Bärensee, die nördlicher liegen. Ackerbau ist in diesem Gebiet nur an wenigen begünstigten Stellen möglich. Ganz und gar ausgeschlossen ist er in den nordöstlich von ihm gelegenen Barren Grounds, wo der unebene, felsige Boden nur Sträucher und zwerghafte Weiden, Birken und Erlen, Gräser, Binsen, Moose und Flechten trägt. Westlich von der laurentischen Seenplatte, bis zum Fuß des Felsengebirges, liegt die große Ebene Kanadas, an der Südgrenze 2000 km, am Arktischen Ozean nur 500 km breit, im S. der Saskatschewan-Prärie, im N. Waldland. Silurische, devonische und zur Kreideformation gehörige Gesteine treten hier der Reihe nach bis zum Fuß des Felsengebirges auf, vielfach von Gerölle bedeckt. Das Land steigt in drei Stufen an, durch Höhenzüge getrennt, die da, wo sie die Flüsse durchsetzen, Stromschnellen bilden. Auf der untersten Stufe liegt der Winnipegsee (215 m), dem von S. der Red River zuströmt, und in welchen der Saskatschewan einmündet, um als Nelson seinen Weg in die Hudsonbai fortzusetzen. Diese Stufe bildet einen Teil des jetzt verschwundenen Agassizsees der amerikanischen Geologen, welcher südlich in den Missouri abfloß. Ausgedehnte Wälder kommen vor. Die zweite Stufe erstreckt sich am Saskatschewan bis zu den Eagle Hills und hat bei ziemlich mannigfaltiger Oberflächengestaltung eine mittlere Höhe von 880 m. Die dritte und ausgedehnteste Stufe endlich reicht bis ans Felsengebirge, ist im S. fast waldlos und hat hier eine mittlere Erhebung von 900 m. Die sechste Region Kanadas umfaßt den nördlichen Teil der amerikanischen Kordilleren, die hier, etwa 600 km breit, den pazifischen Teil der Dominion einnehmen und drei mit der Küste ziemlich parallel verlaufende Höhenzüge bilden. Das östlichste dieser Gebirge, das eigentliche Felsengebirge, gehört vorwiegend der devonischen und der Kohlenformation an, ist namentlich auf dem Westhang dicht bewaldet, hat Gletscher und soll im Mount Brown auf 4880 m ansteigen. Die Pässe sind indes von mäßiger Höhe (Kicking Horse Paß 1588 m, Yellow Head oder Lederpaß 1140 m). Gegen N. nimmt das Gebirge an Höhe ab, und anstatt steil über die Ebene anzusteigen, wird es von Vorhügeln eingefaßt. Jenseit des Felsengebirges haben wir noch die Gold Range und das Zentralplateau Britisch-Columbias zu überschreiten, ehe wir das Küsten- oder Kaskadengebirge erreichen. Endlich durchzieht die Inseln, welche der Küste vorlagern, ein Gebirgszug, der, wie die vorhergehenden, aus metamorphischen, vielfach von Granit durchbrochenen Gesteinen zusammengesetzt ist. Auch im Küstengebirge kommen Gletscher vor.

[Bewässerung.] Ungemein groß ist die Zahl der schiffbaren Flüsse und Seen, und wenn auch die Schiffahrt vielfach durch Stromschnellen unterbrochen und die Flüsse meist während der Hälfte des Jahrs mit Eis bedeckt sind, so leisten sie dennoch dem Verkehr die wesentlichsten Dienste. Vom gesamten Gebiet gehören zum Becken des Atlantischen Ozeans 1,321,400 qkm, zu demjenigen der Hudsonbai und des Arktischen Ozeans 6,617,200 qkm, und dem Stillen Ozean sind tributär 884,000 qkm. Der wichtigste Fluß ist der St. Lorenzstrom, der Ausfluß der großen Kanadischen Seen (s. d.). An Größe des Stromgebiets wird er indes sowohl von dem Saskatschewan, der als Nelson in die Hudsonbai mündet (1,165,000 qkm), als von dem dem Eismeer zuströmenden Mackenzie (1,424,000 qkm) übertroffen.

[Klima, Naturprodukte.] Das Klima des ganzen Gebiets, vom Atlantischen Ozean bis zum Felsengebirge, zeichnet sich aus durch strengen Winter, kühlen Frühling, kurzen, aber heißen Sommer und ungemein angenehmen Herbst, den sogen. Indianersommer, wo die Wälder in vielfachen Tinten prangen, der Himmel blau und wolkenlos ist und nur die Nachtfröste an den nahen Winter erinnern. Die Sommerisotherme von 16° C. (welche das Reifen des Weizens bestimmt) umschließt ganz Neuschottland (mit Ausnahme der Halbinsel von Cape Breton), kreuzt den St. Lorenzstrom unterhalb von Quebec, läuft dann nach Nordwesten über den Athabascasee und Großen Sklavensee nach Fort Simpson am Mackenzie (62° nördl. Br.) und erreicht schließlich das Stille Meer gegenüber der Vancouverinsel. Die Temperaturen einiger Orte für Januar, Juli, den Sommer und das Jahr haben wir in der folgenden Tabelle zusammengestellt (Grade C.):

^[Liste]

Breite Seehöhe Januar Juli Sommer Jahr

Halifax 46° 39' 2 m -5,3 17,7 16,4 6,0

Quebec 46° 49' 91 " -11,2 20,2 16,8 4,2

Montreal 45° 41' 20 " -8,4 22,3 18,6 6,8

Toronto 43° 39' 104 " -4,9 19,6 18,4 6,8

Windsor 42° 20' 170 " -2,8 20,9 19,7 8,8

Winnipeg 49° 55' 226 " -19,2 19,1 16,0 0,6

Neuwestminster 49° 12' 10 " 1,6 16,6 15,9 8,7

Um die den größern Teil des Jahrs mit Eismassen angefüllte Hudsonbai ist das Klima unfreundlich, die York Factory (Port Nelson) hat eine Sommertemperatur von nur 11,1° und eine Jahrestemperatur von -6,8°, und der Fluß Nelson, der dabei in die Bai mündet, ist nur vom 19. Mai bis zum 20. Nov. eisfrei, während der St. Lorenz bei Montreal meist erst 11. Dez. zufriert und schon 19. April wieder aufgeht. Im westlichen Teil der großen Ebene wird das Klima durch vom Felsengebirge herabsteigende Föhnwinde gemäßigt, so daß bei der geringen Schneedecke das Vieh im Freien überwintern kann. Die Gegend am Stillen Ozean endlich hat ein ausgesprochenes Seeklima, mit milden Wintern und mäßig warmem Sommer. Der Niederschlag nimmt von der Ostküste ins Innere ab; während er in Neuschottland noch jährlich 112 cm beträgt, vermindert er sich in Quebec auf 100 cm, in Ontario auf 86 cm und in Manitoba auf 58 cm, steigt jedoch an der Westküste auf 159 cm. Die Niederschläge am Atlantischen Ozean haben ein Maximum im Herbst, in Ontario verteilen sie sich gleichmäßig über das Jahr, im W. aber tritt das Maximum im Sommer, an der pazifischen Küste im Winter ein.