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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Karl

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Karl (Karolinger: K. der Kahle, K. der Dicke).

bildern. Ähnlich ist es in Italien; hier enthält nur die Chronik von Novalese (aus dem 11. Jahrh.) einheimische Sagen über K. und zwar meist von feindseliger Tendenz; die französischen Dichtungen wurden schon im 12. Jahrh. bekannt und haben ein Heer von Nachahmungen hervorgerufen, deren bedeutendste Ariosts "Rasender Roland" ist. Auch bei den übrigen oben genannten Nationen sind die zahlreichen Dichtungen über K. auf französische Vorbilder zurückzuführen, selbst die "Karlamagnus-Saga", welche im 13. Jahrh. in Island entstand (weiteres s. Karlssage). Den historischen K. haben neuere Dramatiker auf die Bühne zu bringen gesucht, wie die Tragödien von Märcker ("K. der Große", 1861), Kösting ("Zwei Könige", 1863) u. a. erweisen. Vgl. Einhard (s. d.), Vita Caroli Magni, in den "Monumenta hist. germ.", II, 55 (deutsch von O. Abel, 2. Aufl., Leipz. 1880); S. Abel, Jahrbücher des fränkischen Reichs unter K. d. Gr. (fortgesetzt von B. Simson, Berl. 1866-84, 2 Bde.); Dippoldt, Leben Kaiser Karls d. Gr. (Tübing. 1810); Vétault, Charlemagne (Tours 1876); Brosien, K. d. Gr. (Leipz. u. Prag, 1885); v. Döllinger, Das Kaisertum Karls d. Gr. und seiner Nachfolger (Münch. 1864); v. Wyß, K. d. Gr. als Gesetzgeber (Zürich 1869); Paris, Histoire poétique de Charlemagne (Par. 1865); Lorentz, Karls d. Gr. Privat- und Hofleben (in Raumers "Historischem Taschenbuch" 1832).

3) K. II., der Kahle, einziger Sohn Ludwigs I., des Frommen, aus dessen zweiter Ehe mit Judith, der Tochter des bayrischen Grafen Welf, geb. 13. Juni 823 zu Frankfurt a. M., erhielt 829 Alemannien, was den Zwist Kaiser Ludwigs mit seinen ältern Söhnen zur Folge hatte, dann auf dem Reichstag zu Aachen 837 das mittlere Francien zwischen Weser und Loire und wurde auf der Reichsversammlung zu Kiersy sur Oise 838 zum König gekrönt. 839 zu Worms gab ihm der leicht bestimmbare Vater sogar ganz Westfrancien mit Ausnahme von Südburgund. Als jedoch nach Ludwigs des Frommen Tod (840) dessen ältester Sohn, Kaiser Lothar, das ganze Reich in Anspruch nahm, vereinigte sich K. 841 mit dem andern Stiefbruder, Ludwig dem Deutschen. Beide lieferten 25. Juni d. J. bei Fontenoy, unfern Auxerre, dem Lothar eine entscheidende Schlacht und erneuerten in Straßburg 14. Febr. 842 den Schwur gegenseitiger Treue, der in romanischer und deutscher Sprache noch erhalten ist. Dann zwangen sie Lothar zum Teilungsvertrag von Verdun 10. Aug. 843, welcher das Reich in drei fortan selbständige Teile trennte. Durch diesen Vertrag erhielt K. Westfrancien, d. h. Aquitanien, Septimanien nebst der spanischen Mark, das westliche Burgund, Neustrien, die Bretagne und Flandern. Damals begannen die Raubzüge der Normannen (aus Norwegen und Dänemark), welche mit kleinen Schiffen die Mündungen der Seine, Loire, des Rhône hinauffuhren und 845 sogar Paris plünderten. K., dem kriegerische Tüchtigkeit ganz fehlte, hat ihren Rückzug wiederholt durch schimpflichen Tribut erkaufen müssen. Dagegen trieb ihn die Ländergier oft zum Kampf gegen seinen tapfern Bruder, Ludwig den Deutschen. 861 fiel K. mitten im Frieden in die Provence, das Land seines Neffen Karl, ein, mußte aber unverrichteter Sache umkehren. Als dieser dann 863 starb, hat K. die Teilung des Landes durch Ludwig den Deutschen und Lothar II. ruhig geschehen lassen. Mit letzterm lebte er seit 860 fortwährend in Zwietracht, zu einem Krieg ist es jedoch nicht gekommen. Kaum war Lothar II. aber ohne legitime Erben gestorben (869), so fiel K. in sein Land ein und ließ sich 9. Sept. 869 in Metz zum König von Lothringen krönen. Doch schon eine Gesandtschaft Ludwigs des Deutschen genügte, ihn zur Räumung des angemaßten Landes zu bewegen. Darauf verabredeten die Brüder eine Teilung, die dann auch 8. Aug. 870 zu Mersen vollzogen wurde. Damals erhielt K. außer Südfriesland das Land westlich von der Maas, Ourthe, Mosel und dem Rhône. Die weltlichen Großen bemühte sich K. vergeblich unter seine Botmäßigkeit zu bringen. Er stützte sich in seinem Land auf die Geistlichkeit, der er als Mann von gelehrter, selbst theologischer Bildung sehr nahe stand. Dieselbe gewann damals durch Reichtum und die persönliche Bedeutung ihrer meisten Vertreter (Hinkmar von Reims) den größten Einfluß auf die Verwaltung des Landes. K. nahm auch ihre Partei gegen Rom, so 872 gegen die Anmaßungen Papst Hadrians II. Dieser suchte einen Bruch mit K. zu vermeiden; noch mehr schloß sich sein Nachfolger Johann VIII. an den König an. Als Kaiser Ludwig II. 875 starb, rief der Papst, von Mißtrauen gegen den energischen Ludwig den Deutschen erfüllt, K. nach Italien und setzte ihm 25. Dez. 875 in Rom die Kaiserkrone aufs Haupt. Die lombardischen Großen erkannten ihn (Februar 876) zu Pavia als König von Italien an, und auch die westfränkische Geistlichkeit erklärte sich auf der Synode zu Ponthion (Juni 876) mit dieser Rangerhöhung Karls einverstanden. Als dieser aber nach Ludwigs des Deutschen Tod in dessen Land einfiel, wurde er von dem jüngern Ludwig bei Andernach (8. Okt. 876) geschlagen. Karlmann, Ludwigs des Deutschen andrer Sohn, wollte ihn sogar aus Oberitalien vertreiben, wohin er sich, vom bedrängten Papst gerufen, 877 begeben hatte. Die bloße Nachricht von Karlmanns Herannahen bewog den unkriegerischen Kaiser zum schleunigen Rückzug über die Alpen; aber kaum hatte er den Mont Cenis überschritten, so ergriff ihn ein Fieber, dem er 6. Okt. 877 in einem Weiler im Thal des Arc erlag. K. war zweimal verheiratet: zuerst mit Irmintrud, der Nichte des Grafen Adalhard; nach deren Tod mit Richilda, der Witwe eines Grafen Buwin. In seiner ersten Ehe waren ihm acht Kinder geboren. Von seinen vier Söhnen hatte er Ludwig zum König von Neustrien, Karl zum König von Aquitanien krönen lassen; jedoch beide empörten sich gegen den Vater 862. Dieser unterwarf sie aber bald und ließ nur dem ältern sein Reich. Gegen seine Kinder war K. lieblos, ja grausam, am meisten gegen Karlmann, den er wider dessen Willen zum Geistlichen bestimmte und, als er sich empörte, blenden ließ. Da der jüngere Karl 866 starb, ging das Reich bei des Vaters Tod auf Ludwig über. Vgl. Voß, De Carolo Calvo (Halle 1844); Gfrörer, Geschichte der ost- und westfränkischen Karolinger von 840 bis 918 (Freiburg 1848, 2 Bde.).

4) K. III., seit dem 12. Jahrh. der Dicke genannt, Ludwigs des Deutschen und der Welfin Hemma dritter Sohn, geb. 839, erhielt 876 in der Teilung mit seinen beiden Brüdern Karlmann und Ludwig Alemannien und das Elsaß, erbte aber nach dem Tode dieser beiden (880 und 882) auch deren Länder, mit Inbegriff Lothringens, welches Ludwig der jüngere gewonnen, sowie er endlich 885 auch die Herrschaft über Westfrancien durch die Wahl der dortigen Großen erhielt. Vom Papst gegen die Sarazenen zu Hilfe gerufen, hatte er 879 das Königreich Italien erworben und war im Februar 881 in Rom zum Kaiser gekrönt worden. Dann war er heimgekehrt, ohne den Kampf gegen die Sarazenen überhaupt zu beginnen. Die Normannen, die damals die Gegenden am Niederrhein verwüsteten, umzingelte er 882 in ihrem Lager bei Elsloo an