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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Karl

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Karl (Spanien).

wigs XIV. von Frankreich, zum Nachfolger bestimmte, wodurch der Spanische Erbfolgekrieg (s. d.) entstand.

66) K. III., Sohn Philipps V. und der Elisabeth Farnese, geb. 20. Jan. 1716, bekam 1730 durch die Bemühungen seiner Mutter von Kaiser Karl VI. das Herzogtum Parma, fiel 1734 infolge des zwischen Österreich und Frankreich entbrannten Kriegs in Neapel ein und erhielt 1738 im Wiener Frieden das Königreich beider Sizilien vom Kaiser förmlich abgetreten, welches er als K. IV., unterstützt von dem Minister Tanucci, gut regierte. Nach dem Tod seines Halbbruders Ferdinand VI. (1759) bestieg er den spanischen Thron, legte jedoch zuvor die neapolitanische Krone in die Hände seines Sohns Ferdinand nieder und trat sofort dem sogen. bourbonischen Familientraktat (15. Aug. 1761) bei, welcher ihn in einen verlustreichen Krieg mit England und Portugal verwickelte, in dem Spanien 1763 Florida verlor. In dem zweiten Krieg, 1778-83, erhielt K. dies wieder, aber erst nach großen Opfern. Im Innern dagegen bewies sich K. als thätigen, einsichtsvollen und für das Wohl seines Landes besorgten Regenten, hob den gesunkenen Staatskredit wieder, beförderte Handel und Ackerbau durch Anlegung von Brücken, Kanälen, Kunststraßen, Manufakturen und Fabriken; außerdem kultivierte er die bisher öde Sierra Morena. Ihn unterstützten dabei die Minister Aranda, Campomanes und Floridablanca. Der Inquisition in Spanien setzte er heilsame Schranken, verringerte die Macht der Kirche, und den Jesuiten verschloß er, da sich dieselben in die politischen Angelegenheiten mischten, 1. April 1767 sein Land. 1771 stiftete er den Orden Karls III. Er starb 14. Dez. 1788. K. war vermählt mit der Prinzessin Maria Amalie von Sachsen. Vgl. Ferrer del Rio, Historia del reinado de Carlos III de España (Madr. 1856-58, 4 Bde.).

67) K. IV., Sohn des vorigen, geb. 12. Nov. 1748 zu Neapel, gelangte nach dem Tod seines Vaters (1788) zur Regierung und führte dieselbe anfangs ganz im Geist seines Vorgängers, besonders seitdem Aranda an die Spitze der Geschäfte getreten war. Derselbe ward jedoch bald durch Karls Günstling Manuel Godoy (s. d.), den Geliebten seiner sittenlosen Gemahlin Maria Luise von Parma, die ihn ganz beherrschte, verdrängt, der K. 1793 zu einem höchst unklugen und unglücklichen Kriege gegen Frankreich und nach dem Baseler Frieden (1795) gegen Portugal und England verleitete, welch letzteres 1805 bei Trafalgar Spaniens Seemacht vernichtete. Ein Spielball in der Hand Napoleons, mußte er dessen Einmischung in die Verhältnisse seines Königreichs dulden, und als ihn sein Sohn Ferdinand durch den Aufstand von Aranjuez 18. März 1808 zur Thronentsagung gezwungen hatte, welche er aber Sofort widerrief, ließ er sich in Bayonne von Napoleon bewegen, 5. Mai 1808 zu dessen gunsten auf die Krone zu verzichten. Er begab sich darauf nach Fontainebleau, von da nach Compiègne und Marseille, 1811 nach Rom und von hier an den Hof seines Bruders, des Königs Ferdinand IV. von Neapel, wo er 19. Jan. 1819 starb. Sein zweiter Sohn war Don Carlos, der sich als Thronprätendent späterhin Karl V. nannte (s. unten 69).

68) (Don Carlos) Infant und Kronprinz von Spanien, Sohn König Philipps II. aus dessen erster Ehe mit Maria von Portugal, geb. 8. Juli 1545 zu Valladolid, wurde nach dem frühen Tod seiner Mutter von Johanna, der Schwester seines Vaters, erzogen, 1560 von den Ständen als Thronfolger anerkannt und bezog hierauf die Universität zu Alcalá de Henares. Seine Entwickelung erregte schon früh Bedenken und Besorgnisse bei dem Vater; seine Gesundheit war von früher Jugend an eine schlechte, sein geistiges Wesen zeigte Spuren von Geistesstörung und Gehirnkrankheit. Die Hoffnung aber, daß eine Besserung eintreten könnte, wurde deshalb nicht sogleich aufgegeben; erst als sich diese als unwahrscheinlich herausstellte, ergab sich für den Vater der Gedanke, einer Thronfolge Karls vorbeugen zu müssen. Er ließ schon 1563 seine Neffen, die Erzherzöge Rudolf und Ernst von Österreich, nach Spanien kommen, um ihnen die Succession in diesem Reich zuzuwenden. Doch wurde noch mehrere Jahre hindurch äußerlich der Prinz als Thronerbe betrachtet; er wurde verlobt mit seiner deutschen Kousine Anna und auch in den Staatsrat aufgenommen. Doch je länger, desto mehr häuften sich seine Exzesse und die Beweise seiner geistigen Verkehrtheit. Später entdeckte man, daß er aus Spanien zu entfliehen sich vorgesetzt. Ein heftiger Auftritt zwischen Juan d'Austria und K., in welchem letzterer den Degen zog, beschleunigte den Gang der Ereignisse. In der Nacht des 18. Jan. 1568 begab sich Philipp II. mit einer Bedeckung in Karls Gemächer, bemächtigte sich der Papiere desselben und übergab ihn selbst der strengsten Bewachung. Von da ab war K. dem Verkehr mit der Welt entrückt. Er blieb im Gefängnis. Erzählt wurde, daß der Vater die Absicht gehabt, ihn seiner Beschaffenheit wegen der Thronfolge für verlustig zu erklären; doch kam es dazu nicht, denn vorher erkrankte K. und starb 24. Juli 1568. Die Feinde des spanischen Königs haben diesen Vorfall eifrig ausgebeutet, Philipp zu verleumden und als moralisches Ungeheuer zu malen, und da Philipp selbst die letzten Monate seines Sohns in geheimnisvolles Dunkel eingehüllt, hatte die Phantasie alle Freiheit, ihn zum Mörder des Sohns zu machen. Über die Motive des Zerwürfnisses zwischen Vater und Sohn wurden die verschiedensten Ansichten geäußert. Einige haben die Hauptursache desselben darin finden wollen, daß sich jener mit Elisabeth, der Tochter Heinrichs II. von Frankreich, vermählt habe, welche dem Prinzen schon 1556 zugesagt und von demselben leidenschaftlich geliebt worden sei. Andre Schriftsteller stellen ihn auch als einen Freund der Niederländer und einen Feind der despotischen Regierungsgrundsätze seines Vaters, namentlich auch der Inquisition, dar. Noch andre Berichterstatter hielten ihn eines selbständigen Urteils gar nicht für fähig. Am meisten Beifall fand die Version, welche Saint-Real ("Don Carlos; nouvelle historique", 1672) vortrug; sie wurde allgemein geglaubt und diente auch Schiller als Stoffsammlung für sein ergreifendes Drama "Don Karlos". Erschüttert wurde die Glaubwürdigkeit dieser Fabel 1817 durch den Spanier Llorente und 1829 durch Ranke ("Wiener Jahrbücher der Litteratur", Bd. 46). Seitdem wurde viel über dies Problem geschrieben. Das wichtigste archivalische Material verdankt man Gachard ("Don Carlos et Philippe II", 2. Aufl., Par. 1867). Neue Aufschlüsse fügte Maurenbrecher hinzu (in Sybels "Historischer Zeitschrift" 1864 u. 1874 und in den "Grenzboten", Oktober 1874). Eine abweichende Ansicht hat neuerdings A. Schmidt vertreten ("Epochen und Katastrophen", Berl. 1874), ein geistreicher, aber unkritischer Versuch, der Maurenbrechers Ergebnisse, daß K. körperlich und geistig unfähig, durch eigne Schuld zu Grunde gegangen sei, nicht in Frage stellen dürfte. Vgl. Maurenbrecher, Don Carlos (2. Aufl., Berl. 1876).