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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Karthago

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Karthago (Staatsverfassung, Handel etc.).

zu ihrer Eroberung durch die Vandalen eine der ersten Stellen unter den Städten des römischen Reichs einnahm. Im Mittelalter wurden die Marmortrümmer derselben nach allen Seiten hin, selbst nach Italien, verschleppt; daher zeigt die weite Strecke, über welche sich die Stadt ausbreitete, nur noch einzelne, aber mitunter kolossale Bautrümmer; am besten erhalten sind die alten Zisternen und die Reste einer großen Wasserleitung. Vgl. Falbe, Recherches sur l'emplacement de Carthage (Par. 1835); Dureau de la Malle, Recherches sur la topographie de Carthage (das. 1835); H. Barth, Wanderungen durch die Küstenländer des Mittelmeers (Berl. 1849); Beulé, Nachgrabungen in K. (deutsch, Leipz. 1863); Davis, K. und seine Überreste (a. d. Engl., das. 1863).

Staatsverfassung, Handel, Religion.

Das wenige, was über die Verfassung des altkarthagischen Staats bekannt ist, verdanken wir hauptsächlich Aristoteles, der in seinem Werk über die Politik die karthagische Verfassung den besten Verfassungen der alten Staaten an die Seite stellt. Die Verfassung Karthagos war ursprünglich ihrem vorherrschenden Charakter nach aristokratisch. An der Spitze des Staats standen zwei Suffeten (die Schophthim der Hebräer), welche bald mit den spartanischen Königen, bald mit den römischen Konsuln verglichen und daher von den Römern Reges, Consules, Dictatores genannt wurden. Sie hatten den Vorsitz und Vortrag im Senat, den Vorsitz im Gericht und nicht selten auch den Oberbefehl im Krieg. Wie lange sie ihr Amt verwalteten, ist ungewiß. Wie die Suffeten, so wurden auch die Feldherren gewählt. In rein militärischen Sachen war die Gewalt der Feldherren in der Regel unbeschränkt; beim Abschluß von Bündnissen, Verträgen etc. aber waren sie an die Einwilligung von Senatoren gebunden, deren in der Regel eine Anzahl mit ins Feld ging. Charakteristisch ist die rücksichtslose Härte, mit welcher öfters gegen Feldherren, welche unglücklich gewesen waren, verfahren ward, wenn sie es nicht vorzogen, freiwillig zu sterben. Nächst den Suffeten und Feldherren genossen die Priester des höchsten Ansehens; doch gab es keinen eigentlichen abgesonderten Priesterstand, wie sich auch keine Spuren davon vorfinden, daß gewisse Priesterämter in einzelnen Familien erblich gewesen seien. Das höchste beratende und vollziehende Kollegium war der Senat, der in einen Großen und in einen Kleinen Rat zerfiel. Er hatte die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, die Oberaufsicht über das Kriegs-, Finanz- und Polizeiwesen sowie die gesetzgebende Gewalt; nur wenn Senat und Suffeten nicht einerlei Meinung waren, mußten die Gesetzvorschläge zur letzten Entscheidung an das Volk gebracht werden. Später (die Zeit ist nicht genau zu bestimmen) wurde dem Geschlechtersenat ein zweiter, der der Hundertmänner (die genauere Zahl war 104), an die Seite gesetzt, welchen Aristoteles mit dem Ephorat der Spartaner vergleicht, welcher wohl ein kontrollierender Gerichtshof war, und welcher demnach, obwohl er, wie ebenfalls von Aristoteles bezeugt wird, aus den reichsten Bürgern bestand, einen demokratischen Charakter gehabt zu haben scheint, was im Lauf der Zeit zu innern, den Staat zerrüttenden Parteikämpfen führte. Die Einkünfte Karthagos bestanden in den Tributen, welche die andern Handelsstädte in Geld, die Ackerbau treibenden Bewohner des flachen Landes in Naturalien entrichten mußten, in den Zöllen, welche sowohl in dem Hafen der Hauptstadt als auch in andern Hafenplätzen erhoben wurden, vornehmlich aber in dem Ertrag der Bergwerke, namentlich der spanischen seit Hamilkars Eroberungen in diesem Lande. Die vornehmsten Ausgaben wurden durch die Flotte und die Mietstruppen veranlaßt; die Magistratspersonen erhielten gesetzlich keine Besoldung. Die Kriegsmacht war vornehmlich Seemacht. Am stärksten war dieselbe während des ersten Punischen Kriegs; dann sank sie unter der Herrschaft der Barkiden, da diese zur Ausführung ihrer Eroberungspläne einer Seemacht weniger bedurften als einer tüchtigen Landmacht. Zur Zeit der Kriege mit Syrakus hatte K. eine Flotte von 150-200 Kriegsschiffen, im ersten Krieg mit Rom aber auf 350 Kriegsschiffen 150,000 Bewaffnete. Die trefflich eingeübten Ruderknechte waren gewöhnlich afrikanische Sklaven. Die Landmacht war größtenteils ein buntes Gemisch der verschiedensten Nationalitäten. Nur wenige karthagische Bürger zogen unter dem Namen der heiligen Schar teils als schwer bewaffnete Reiter, teils als Hopliten mit in den Krieg. Den Kern des Landheers machten aber die Libyer als schwere Reiterei und Hopliten aus. Angeworbene Söldner, namentlich Spanier und Gallier, auch Kampanier, Ligurier und Griechen, endlich die numidischen Reiter, bildeten die übrige Masse. Die Sitte, Elefanten zum Gebrauch im Krieg abzurichten, scheint erst seit dem Krieg mit Pyrrhos in K. aufgekommen zu sein.

Das Hauptgebiet des karthagischen Handels war das westliche Mittelmeer, und hier bildeten besonders die sizilischen und süditalischen Seestädte die Stapelplätze für denselben. Die Karthager holten hier Öl und Wein und versahen damit teils ihre Hauptstadt, teils andre Gegenden; dagegen brachten sie schwarze Sklaven aus dem innern Afrika, Edelsteine, Gold, afrikanische Früchte und karthagische Manufakturwaren, von denen besonders die Webereien sehr berühmt waren. Malta lieferte den Karthagern baumwollene Gewänder für den Handel mit den afrikanischen Völkerschaften, die Liparischen Inseln Alaun, Corsica Wachs und Honig und besonders geschätzte Sklaven, Äthalia (Elba) Eisen. Den Bewohnern der Balearischen Inseln brachten sie gegen Lasttiere und Früchte Sklavinnen und Wein; zugleich dienten diese Inseln als Stationsplätze für den Handel mit Spanien, von wo sie außer edlen Metallen auch Wein und Öl bezogen haben mögen. Mit der ängstlichsten Sorgfalt wirkten sie jeder möglichen Konkurrenz mit andern Völkern entgegen und legten selbst ihren Kolonien Beschränkungen in Bezug auf die Handelsfreiheit auf. Während daher der Hafen der Hauptstadt allen fremden Kaufleuten offen stand, wurden die Häfen der Kolonien diesen, so lange es nur möglich war, verschlossen oder doch nur unter lästigen Bedingungen geöffnet. Gleich den Phönikern, hatten die Karthager auch an der Westküste Europas Kolonien und besuchten, um Zinn zu holen, die britischen Inseln (Kassiteriden). Es ist ferner wenigstens wahrscheinlich, daß sie des Bernsteins wegen auch den Kanal und den Sund durchsegelten und die Küsten der Ostsee besuchten. An der Westküste von Afrika, an der sie bis zum Grünen Vorgebirge vordrangen, tauschten sie gegen Putzsachen und allerlei Gerätschaften sowie gegen Wein und ägyptische Leinwand Elfenbein und Felle ein; auch fingen sie hier den Thunfisch, der ihnen so wertvoll erschien, daß sie die weitere Ausfuhr desselben verboten. Was den Landhandel anlangt, so hören wir von Herodot, daß sich in dem ägyptischen Theben Libyer und Karthager, unzweifelhaft des Handels wegen, aufhielten, wohin