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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Korrespondenzblatt zum neunten Band.

tung des Gesetzentwurfs eingesetzte Kommission hatte sich im wesentlichen für denselben entschieden. Im Plenum gelangte der Kommissionsbericht jedoch nicht mehr zur Beratung; doch wird die Sache voraussichtlich von der Reichsregierung wieder aufgenommen werden.

Albert S. in Elberfeld. Sie haben recht; auf das Steuerwesen können wir ganz vorzüglich die Worte eines bekannten griechischen Philosophen anwenden, nach welchem sich alles in beständigem Fluß befindet. Die preußische Klassensteuer hat seit 1820 mehrfache Wandlungen durchgemacht. Anfänglich wurde die ganze steuerpflichtige Bevölkerung durch die Klassensteuer getroffen; erst seit 1851 hat man zwischen einer klassifizierten Einkommensteuer (Einkommen von 3000 Mk. und mehr) und einer Klassensteuer, welche von geringern Einkommen erhoben wurde, unterschieden. Ursprünglich war die Steuer sehr ungleichmäßig, und man sah sich deshalb veranlaßt, schon 1821 eine größere Zahl von Abstufungen zu bilden, nämlich vier Klassen mit je drei Stufen. In die erste Klasse wurden die besonders wohlhabenden und reichen Einwohner eingereiht mit den Steuersätzen von 144, 96 und 48 Thlr., in die zweite Klasse die wohlhabenden mit 24, 18 und 12 Thlr., in die dritte der geringere Bürger- und Bauernstand mit 8, 6 und 4 Thlr., in die vierte gehörten alle übrigen steuerpflichtigen Bewohner, nämlich: gewöhnliche Lohnarbeiter, gemeines Gesinde und Tagelöhner, ganz kleine Grundbesitzer und Gewerbtreibende, die hauptsächlich vom Tagelohn leben, mit 3, 2, 1½ und ½ Thlr. Die Steuer wurde von jeder Haushaltung erhoben; selbständige Personen (alle über 14 Jahre alte, seit 1827 alle über 16 Jahre alte) zahlten die Hälfte, jedoch mit der Beschränkung, daß in der untersten Stufe höchstens drei solcher Personen auf einen Haushalt gerechnet werden durften. 1851 wurde, wie erwähnt, zwischen Klassen- und Einkommensteuer unterschieden. Für erstere behielt man die Zahl von drei Klassen mit je vier Stufen bei und zwar mit den Steuersätzen in der ersten von ½, 1, 2, 3, in der zweiten von 4, 6, 8, 10, in der dritten von 12, 16, 20, 24 Thlr. Die Veranlagung sollte nach äußern Merkmalen der Wohlhabenheit und Leistungsfähigkeit ohne spezielles Eindringen in die Vermögensverhältnisse erfolgen. Dabei sollte die "Notorietät" die Stelle der speziellen Abschätzung vertreten. Durch Gesetz vom 25. Mai 1873 wurde die Klassensteuer in der Art umgestaltet, daß sie mehr den Charakter der Einkommensteuer annahm. Es wurden jetzt zwölf Einkommenklassen gebildet für die Einkommen von weniger als 3000 Mk., das geringste steuerpflichtige Einkommen wurde auf 420 Mk. bemessen, die Steuersätze stuften sich ab von 3-72 Mk. Die Veranlagung sollte jetzt nach Maßgabe der Schätzung des jährlichen Einkommens erfolgen, so daß in dieser Beziehung auch formell kein Unterschied mehr zwischen der Klassen- und der klassifizierten Einkommensteuer bestand. Ferner wurde 1873 das gesamte Soll der Klassensteuer auf 42 Mill. Mk. kontingentiert, so daß, wenn die Einschätzungen zu einem höhern Betrag führten, eine verhältnismäßige Herabsetzung der Steuern eintreten sollte. Das Gesetz vom 16. Juli 1880 bestimmte, daß die Summen, welche dem preußischen Staat aus dem Ertrag der Zölle und Tabaksteuern oder infolge weiterer Reformen des Reichs jährlich überwiesen würden, zum Erlaß eines entsprechenden Teils an Klassen- und Einkommensteuer zu verwenden seien, insoweit darüber nicht zur Deckung des Staatsbedarfs oder zum Zweck der Überweisung eines Teils der Grund- und Gebäudesteuer an die Kommunalverbände verfügt werde. Nach dem Gesetz vom 10. März 1881 sollten in Zukunft drei Monatsraten der Klassensteuer und der fünf untersten Stufen der Einkommensteuer (also bis 6000 Mk.) "außer Hebung" gesetzt werden. 1882 forderte die Regierung die Aufhebung der vier untersten Stufen der Klassensteuer, also eine Steuerbefreiung für alle Einkommen von 420-1200 Mk., und zwar mit der Begründung, daß die Einbringung bei kleinen Leuten besonders in Städten mit großen Schwierigkeiten verbunden sei und viele Pfändungen im Gefolge habe. Die Befreiung erfolgte jedoch nach dem Gesetz vom 26. März 1883 nur für die zwei untersten Klassen (420-660 Mk. und 660-900 Mk.). Dagegen wurde jetzt der 1881 eingeführte Steuererlaß auf die Klassensteuer und auf die zwei untersten Stufen der Einkommensteuer in der Art beschränkt, daß ein Viertel der Klassensteuer, von den Einkommen von 3600-4200 aber ein Sechstel mit 15 Mk. und von denjenigen von 4200-4800 Mk. ein Zwölftel mit 9 Mk. erlassen bleiben sollte. Die 1873 angeordnete Kontingentierung auf 42 Mill. Mk. wurde jetzt aufgehoben. 1883 forderte die Regierung abermals eine Steuerbefreiung auch für die Einkommen von 900-1050 Mk. und 1050-1200 Mk. mit den normalen Steuersätzen von 9 und 12 und den wirklichen von 6¾ und 9 Mk. und dem normalen Gesamtsteuerbetrag von etwa 6,4 Mill. Mk. (wirklicher Eingang etwa 4,8 Mill. Mk.); doch ist sie mit dieser Absicht nicht durchgedrungen.

H. Schütz in Dresden. Unter Leberkraut versteht man Marchantia polymorpha, auch wohl Parnassia palustris; doch wird gegenwärtig namentlich das Kraut des Leberblümchens, Hepatica triloba, als Leberkraut gesammelt. Tausende armer Bewohner Thüringens und der Rhön erwerben sich einen schönen Verdienst durch Sammeln der von den Droguisten teuer bezahlten Blätter der Hepatica, welche in ganz kolossalen Quantitäten nach Nordamerika exportiert und daselbst angeblich zur Bereitung eines Geheimmittels benutzt werden.

R. Kaplowski in Berlin. Die fabrikmäßige Herstellung des Buntpapiers datiert erst aus dem Anfang unsers Jahrhunderts, und ihre Entwickelung ging langsam von statten. Erst vor etwa 30 Jahren nahm sie einen Aufschwung, und dieser steigerte sich in den letzten 10 Jahren so bedeutend, daß gegenwärtig in Deutschland, welches die Führung in diesem Industriezweig stets besessen hat und auch jetzt noch behauptet, etwa 60 Fabriken bestehen, die einen sehr großen Teil ihrer Erzeugnisse exportieren. Die Handarbeit ist so ziemlich der Maschinenarbeit gewichen, wenn es auch immerhin noch zahlreiche Buntpapiersorten gibt, welche nur durch geschickte Handarbeit herzustellen sind. Jedes Jahr bringt Neuheiten, und die jüngsten Erzeugnisse, das Lederpapier und das Kalikopapier, legen für die Strebsamkeit der Fabrikanten sehr günstiges Zeugnis ab. Die Litteratur über Buntpapier und dessen Fabrikation ist sehr spärlich. Die Kunst der Herstellung beruht auf Können und Wissen der einzelnen, welche dieselbe als Geheimnis bewahren. Hauptsitze der Buntpapierfabrikation sind Sachsen und Bayern.

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Druck vom Bibliographischen Institut in Leipzig

(Holzfreies Papier.)