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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Konstantinopel

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Konstantinopel (Schiffsverkehr, Geldinstitute etc.; Geschichte).

Kohle, Eisen und Stahl, Kaffee, Bau- und Brennmaterialien, bearbeitete Felle, Gewebe, Tuche, Papier, Mehl, Wein, Bier, Zucker (überwiegend aus Österreich), Spiritus, Stearinkerzen, Zündwaren, Glas, Porzellan und Steingut, Bücher und Drucksachen, Fesse, Farben, Kurzwaren, Silber- und Goldwaren, Bijouterien, Arzneien, Parfümerien, Möbel, Waffen, Kleider- und Modeartikel.

Der Schiffsverkehr Konstantinopels hat sich im letzten Jahrzehnt in Bezug auf die Tonnenzahl erheblich vermehrt, während die Zahl der ein- und ausgelaufenen Schiffe abgenommen hat, da neuerdings die Segelschiffe durch die weit umfangreichern Dampfer verdrängt sind. Die Zahl der im Finanzjahr 1885 im Hafen von K. eingelaufenen Seeschiffe betrug 12,525 mit 7,300,207 Ton. Der Anteil der britischen Flagge war stärker als der der übrigen Staaten insgesamt. Außerdem liefen in der Küstenfahrt und im Lokalverkehr 19,146 Fahrzeuge mit 201,022 Ton. ein. Eine Börse besteht in Galata, ebenso seit 1882 eine Handelskammer. Außerdem haben die fremden Dampfschiffahrtsgesellschaften hier Agenturen. Die erste Bankanstalt der Türkei trat im Juni 1849 hier ins Leben, sie wurde 1853 mit einem Aktienkapital von 200 Mill. türk. Piaster in die Banque impériale ottomane umgewandelt. Der gesetzliche Zinsfuß beträgt (seit 1887) 9 Proz. im Jahr; doch zahlt in Wirklichkeit die Regierung bis 20 (früher bis 80), der Privatmann bis 25 (früher bis 40) Proz.

Geschichte.

Das alte Byzantion (s. d.), um 658 v. Chr. gegründet, blieb, durch Kriege und von wilden Nomadenhorden heimgesucht, lange unbedeutend, bis Kaiser Konstantin d. Gr. (s. d.) die Stadt wegen der Vorzüge ihrer Lage unter dem Namen Konstantinopolis oder auch Roma nova (Neurom) an Stelle des alten Rom zur Hauptstadt des römischen Reichs erhob; 326 fand die Grundsteinlegung der westlichen Ringmauer statt, 11. Mai 330 die feierliche Einweihung der neuen Stadt: zwei große Plätze im Innern waren mit Säulengängen und Statuen geschmückt, und im Hippodrom stand die Schlangensäule, die aus Delphi hierher verpflanzt ward, wie denn das ganze Reich seiner besten Kunstschätze beraubt wurde, um die neue Residenz zu zieren. Der kaiserliche Palast war ein großartiger Gebäudekomplex. Die Ansiedelung von Bewohnern wurde befördert, indem die Bürger von Neurom die Vorrechte Altroms erhielten: die Ratsherren hießen Senatoren, das Bürgerrecht gewährte dieselben Vorteile an Spenden und Belustigungen. Bald zählte K. 14 Regionen, aber es fehlte der Bevölkerung, einem Völkergemisch, jede nationale Einheit, alle geschichtliche Erinnerung. Auch Mittelpunkt der Bildung sollte K. werden. Die dortige Rechtsschule gelangte bald zu hoher Blüte. Der Bischof von K. erlangte den Rang eines Patriarchen und beanspruchte eine Superiorität über die morgenländische Kirche. In K. wurden viele Konzile gehalten, von denen die namhaftesten sind: das von 381 gegen die Macedonianer, 553 zur Beilegung des Dreikapitelstreits, 680 gegen die Monotheleten, 692 zur Bestätigung der ältern kirchlichen Observanzen, 754 gegen die Bilderverehrung, 869 gegen den Patriarchen Photius, 879 zu gunsten des Photius. Seit der Teilung des Reichs 395 war K. die Residenz der Kaiser des oströmischen Reichs (s. d.). Unter dem Einfluß eines prunkliebenden, sittenlosen, ränkevollen Hofs entartete die Bevölkerung von K.; müßig von Brotspenden lebend und nur der Befriedigung der Sinnenlust in der Rennbahn frönend, spaltete sie sich in zwei Parteien, welche sich nach der Farbe der Wagenlenker die Blauen und Grünen nannten und, obwohl ohne höhere Ziele, einander mit leidenschaftlichem Haß bekämpften. Unter Justinian I. steigerte sich die Parteiwut zu dem furchtbaren Ausbruch des Nikaaufstandes (s. d.) 532, welcher vom 13. bis 20. Jan. wütete und mit der Niedermetzelung von 30,000 Menschen in der Rennbahn durch Belisar endete. Justinian baute die durch Feuer halb zerstörte Stadt prachtvoll wieder auf und schmückte sie durch zahlreiche reichverzierte Kirchen, vor allen durch die neue Kathedrale, die Sophienkirche. Ihre starken Befestigungen schützten die Stadt vor der Gewalt der Feinde. Die Avaren drangen mehrmals bis in die Vorstädte von K. ein; 616 und 626 erschienen die Perser unter Chosroes vor der Stadt. Berühmt sind namentlich die beiden Belagerungen durch die Araber: 668-675, wo die Stadt durch das griechische Feuer gerettet wurde; 717-718, wo sie Leo der Isaurier tapfer verteidigte. 1203 zogen die Kreuzfahrer des vierten Kreuzzugs vor die Stadt, um den durch Alexios entthronten Isaak Angelos wieder einzusetzen. Längere Zeit verteidigten sich die Bürger unter dem tapfern Theodor Laskaris; als aber Alexios 18. Juli feig entfloh, wurde Isaak aus dem Gefängnis wieder auf den Thron geführt, worauf die Führer des Kreuzzugs in K. einzogen und Galata besetzten. Indes die Erbitterung der Byzantiner gegen die Franken, welche sich auch durch eine von ihnen veranlaßte Feuersbrunst, die einen großen Teil der Stadt zerstörte, verhaßt machten, führte im Februar 1204 zu einer Empörung, bei der Isaak und sein Sohn Alexios ihren Tod fanden. Der neue Kaiser Murzuphlos wurde sofort von den Kreuzfahrern bekriegt, welche K. nach hartnäckigem Kampf 12. April erstürmten. Furchtbar wüteten nun die rohen Sieger, mordeten und plünderten, selbst die Kirchen; die herrlichsten Kunstschätze wurden mit rohem Vandalismus zerstört, andre weggeführt, um Venedig und seine Markuskirche damit zu schmücken, und eine ungeheure Beute gemacht. Am 16. Mai wählten die Kreuzfahrer den Grafen Balduin von Flandern zum Kaiser von K. Aber auch das unter so kühnen Hoffnungen gegründete lateinische Kaisertum sank bald infolge innerer Streitigkeiten und der Kriege mit den Bulgaren und Kumanen, die unter Asén 1234 die Stadt belagerten, und durch die Fortschritte des griechischen Kaisertums von Nicäa, das der aus K. entflohene Theodor Laskaris gestiftet hatte, zu einem Schattenreich herab. Doch erlangten die italienischen Handelsstädte seitdem in K. einen großen Einfluß, namentlich die Genuesen und Venezianer, welche sich in Galata dauernd festsetzten. Nur schwächten sie sich durch Eifersucht und Streitigkeiten. Nach Wiederaufrichtung des griechischen Kaiserthrons durch die Paläologen 1261 kam es 1295 zu offenen Feindseligkeiten zwischen den Genuesen und Venezianern. Am 22. Juli erschien eine venezianische Flotte von 75 Schiffen vor K., verbrannte die Wohnungen der Genuesen in Galata und beschoß sogar die Stadt. Als Schadenersatz dafür ließ der Kaiser, als in den letzten Tagen des Dezembers die Genuesen alle Venezianer ermordet hatten, die Güter der Erschlagenen in Besitz nehmen.

Um die Mitte des 14. Jahrh. begannen die Osmanen sich in die Thronstreitigkeiten des byzantinischen Reichs einzumischen und auch K. mehr und mehr zu bedrohen. Nach der Schlacht bei Nikopolis 1396 bedrängte Sultan Bajesid ernstlich die Stadt, welcher der französische Marschall Boucicault zu Hilfe kam, mußte aber 1401 die Belagerung wegen Timurs An-^[folgende Seite]