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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kreideformation

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Kreideformation.

und die Korallenkreide, wie der Name besagt, ein Korallenkalk. Der weißen Kreide sind häufig Feuersteinknollen, mitunter in bizarren Formen, eingelagert, die, grob lagenweise verteilt, der an sich ungeschichteten Kreide eine Art Schichtung erteilen. An floristischen Resten ist die K., sowie man nicht die Wealdenformation ihr zuzählt, sehr arm; die betreffenden Einschlüsse sind an wenig Lokalitäten (Aachen, Haldem, einzelne Punkte des Harzes, Schlesiens und Mährens, Niederschöna i. S.) geknüpft und nur in den Schieferthonen etwas häufiger, hier freilich gelegentlich sogar zu kleinen Kohlenflözen angehäuft. Charakteristisch für die Flora der K. ist das Auftreten der angiospermen Dikotyledonen (Credneria, Eiche, Weide, Ahorn etc.). Viel mannigfaltiger sind die Tierreste. Schwämme und Korallen (s. Siphonia, Cyclolites und Cyathina auf der Tafel "Kreideformation") treten in einzelnen Etagen in zahlreichen Exemplaren auf, übertroffen freilich an Formenreichtum durch die Rhizopoden, welche nicht nur an der Zusammensetzung der Kreide selbst einen hervorragenden Anteil nehmen, sondern auch häufig in den übrigen Gesteinen der Formation gefunden werden; sind doch namentlich die oben als Beimengungen der Gesteine erwähnten Glaukonitkörner oft nichts andres als Steinkerne solcher Rhizopoden. Eine Mehrzahl der zierlichen Gestalten ist, stark vergrößert, auf unsrer Tafel dargestellt: Flabellina, Chrysalinida, Bulimina, Lituola, Textularia und Dentalina. Von Echinodermen sind Seeigel besonders formenreich entwickelt; als Beispiel führt unsre Tafel eine Discoidea-Art auf. Unter den Mollusken finden die Brachiopoden und Konchiferen (s. Exogyra, Inoceramus und Trigonia auf der Tafel) zahlreiche Vertreter; als besonders charakteristische Formen aber sind aus der letztern Ordnung die der eigentümlichen, auf die K. ausschließlich beschränkten Familie der Hippuriten (Rudisten, Kaprotinen) zu erwähnen, von denen die Tafel Hippurites und Caprina zur Darstellung bringt. Wie im Silur und Devon, zeigen die Cephalopoden eine große Mannigfaltigkeit der Aufwickelungsformen (Baculites, Toxoceras, Crioceras und Ancyloceras der Tafel); aber im Gegensatz zu den paläozoischen Repräsentanten des Typus mit den einfachen Suturlinien besitzen alle hierher gehörigen Genera mit einziger Ausnahme des auch in der K. vertretenen Genus Nautilus die komplizierten Suturlinien der Ammoniten (eingezeichnet in die Abbildung des Baculites auf der Tafel). Hierher zählt auch Rhynchoteuthis, mit welchem Namen die Schnäbel von Nautilus- oder Sepia-Arten bezeichnet werden. Endlich gehen von den zu den Cephalopoden gehörenden Sippen die Belemniten zahlreich in die K. über, in der obern Abteilung repräsentiert durch das Genus Belemnitella, welches an dem Schlitz am obern und dem knopfartigen Ansatz am untern Ende der Scheide leicht erkennbar ist. Von Wirbeltierresten bringt unsre Tafel die breiten Pflasterzähne von Ptychodus (vorzügliches Leitfossil für die K.), die spitzen Haifischzähne von Otodus, die Schuppen eines cykloiden Fisches mit glattem Hinterrand und diejenigen eines ktenoiden mit gezähneltem Hinterrand (welche sich zuerst in der K. in Übereinstimmung mit der großen Mehrzahl der heutigen Fische neben denen mit rhombischen Schuppen einstellen), ferner den Kopf eines Sauriers (Mosasaurus) und eine Schildkröte (Chelonia) zur Darstellung. Gerechtes Aufsehen erregten neuerdings die von Marsh aus der K. von Kansas beschriebenen Odontornithen (Hesperornis, Ichthyornis etc.): Vögel, welche im Übergang zu den Reptilien eine vollständige Bezahnung, die Zähne in eine Rinne oder in einzelne Alveolen eingelassen, besitzen.

Bei der Gliederung der K. bedient man sich fast ganz allgemein einer wesentlich von d'Orbigny herrührenden Einteilung in fünf Etagen, zu deren unterster, dem Neocom (Neocomien nach Neocomum, Neuchâtel, genannt) oder Hils (nach dem gleichnamigen Höhenzug in Braunschweig), neben den Hilsthonen die Sandsteine des Teutoburger Waldes, der Schratten- und Spatangenkalk der Alpen, das Urgonien (nach Orgon, Departement Bouches du Rhône) in Frankreich und der Lower Greensand der Engländer zu zählen sind. Zum Gault (englischer Provinzialismus für einen fetten Thon) gehören die Schichten von der Aube (Albien) und von Apt (Aptien) in Frankreich, die Flammenmergel Norddeutschlands und der Speetonclay Englands. Diese zwei Etagen werden gewöhnlich als untere K. der dreietagigen obern K. entgegengestellt, die sich ihrerseits gliedert in Cenoman (Cenomanien, nach Cenomanum, Le Mans, genannt), Turon (Touronien, nach Tours) und Senon (Sénonien, nach Sens, Departement Yonne). Der untersten dieser drei Etagen, dem Cenoman, gehören unter anderm die Grünsande aus der Essener Gegend, die sogen. Tourtiabildungen in Frankreich und Belgien, der untere Pläner und der untere Quadersandstein Sachsens, Böhmens und Schlesiens, die oben erwähnten pflanzenführenden Schichten von Niederschöna, der Upper Green-Sand der englischen Geologen an, der mittlern Etage, dem Turon, die mittlern und obern Plänermergel und der mittlere Quadersandstein Sachsens, in England die untere Kreide ohne Feuersteineinlagerungen und von der alpinen Facies die Seewenschichten und Gosaubildungen mit dem Hauptlager der Hippuriten. Zum Senon endlich stellt man den sächsischen obern Quadersandstein samt den darunterliegenden Bakulitenschichten, die Feuersteine führende Kreide Englands und Rügens, die Faxekreide Dänemarks (Danien), die Haldemer Schichten und die Kreidetuffe von Maastricht. Nur zum Teil sind gewisse Flyschbildungen sowie der Wiener Sandstein (Karpathensandstein) der obersten K. zuzuzählen, zum andern Teil sind sie vielmehr Äquivalente des Eocäns, der untersten Etage der Tertiärformation.

Abgesehen von der oben schon angedeuteten Faciesbildung, welche auf einem Unterschied in den die Schichten der K. zusammensetzenden Gesteinen (ob wesentlich aus Kreide oder aus Sandsteinen bestehend) beruht, spielt sich noch eine Faciesverschiedenheit in der Ausbildung der K. ab, welche auf klimatischen Differenzen, in der K. zuerst unter allen Formationen nachweisbar, beruht: eine südliche und nördliche Faciesbildung. Die erstere ist durch das massenhafte Auftreten der Rudisten (Hippuriten) charakterisiert, während die nördliche Facies neben vorwaltenden Ammoniten und Belemniten diese eigentümlichen Konchiferenformen nur ganz sporadisch enthält. Die Kreidegebiete Englands, Nordfrankreichs, Deutschlands (Rügen, Westfalen, Harz, Sachsen, Regensburg) und Südschwedens gehören der nördlichen Facies an, Portugal, Spanien, Südfrankreich und die Alpen der südlichen, mit welcher auch die außereuropäischen Gebiete (Kleinasien, Ostindien, Nordafrika, Texas und andre Gegenden Nord- sowie Südamerikas) die größten Analogien zeigen. - Nur für weniges vulkanisches Material läßt sich die Gleichzeitigkeit der Bildung mit der Ablagerung der Schichten der K. nachweisen: für Pikrite und Teschenite in Mähren, für dioritische, syenitische und porphy-^[folgende Seite]