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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kreisverfassung; Kreittmayr

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Kreisverfassung - Kreittmayr.

schlüsse des Kreistags werden im Kreisblatt veröffentlicht. Den Vorsitz auf dem Kreistag führt der Landrat. Die laufende Kreisverwaltung führt der Kreisausschuß, welcher aus sechs vom Kreistag gewählten Mitgliedern, ebenfalls unter dem Vorsitz des Landrats, besteht. Der Kreisausschuß bildet den Mittelpunkt der kommunalen Selbstverwaltung des Kreises, indem ihm als Organ der Kreiskorporation die Verwaltung der Kreiskommunalangelegenheiten, als Organ des Staats die Wahrnehmung von Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung obliegt. Zu den letztern gehören die armen-, wege-, feld-, gewerbe-, bau- und feuerpolizeilichen und die Dismembrationsangelegenheiten, die Gemeindesachen, insbesondere das Schulwesen der Landgemeinden und die Angelegenheiten der öffentlichen Gesundheitspflege. Als einer Kommunalbehörde liegt dem Kreisausschuß die Ernennung und Beaufsichtigung der Kreisbeamten, z. B. der Kreisbaumeister, die Vorbereitung und Ausführung der Beschlüsse des Kreistags und die Erledigung der Kreisangelegenheiten überhaupt ob. Außerdem bildet der Kreisausschuß das Verwaltungsgericht erster Instanz. In dieser letztern Hinsicht und als Beschlußbehörde in Landesverwaltungssachen entspricht ihm in Stadtkreisen der Stadtausschuß. Zur Vertretung des Landrats, insbesondere auch auf dem Kreistag und im Kreisausschuß, werden von dem Kreistag auf jeweilig sechs Jahre zwei Kreisdeputierte gewählt; für kürzere Verhinderungsfälle tritt der Kreissekretär als Stellvertreter ein. Der Landrat selbst wird zwar vom König ernannt, doch kann der Kreistag geeignete Personen aus der Zahl der Grundbesitzer und der sonstigen Personen, welche dem Kreis durch Wohnsitz und zwar mindestens seit einem Jahr angehören, in Vorschlag bringen, wofern dieselben die gesetzliche Qualifikation besitzen. Die Staatsaufsicht über die Landkreise wird von dem Regierungspräsidenten, in höherer und letzter Instanz von dem Oberpräsidenten ausgeübt. Die K. ist nunmehr, allerdings mit einigen Abweichungen, auch für die Provinzen Hannover (Kreisordnung vom 6. Mai 1884), Hessen-Nassau (Kreisordnung vom 7. Juni 1885), Westfalen (Kreisordnung vom 31. Juli 1886) und die Rheinprovinz (Kreisordnung vom 30. Mai 1887) ins Leben getreten. In der Provinz Posen sind, ebenso wie in der Rheinprovinz, aus den drei Ständen der Rittergutsbesitzer, Städte und Landgemeinden (Kreisstände) auf Grund königlicher Verordnung Kreistage zusammengesetzt. Für Schleswig-Holstein wurden durch Verordnung vom 22. Sept. 1867 gleichfalls Kreisstände berufen. In Hohenzollern sind die vier Amtsverbände mit Amtsversammlungen als kommunalen Vertretungskörpern versehen.

Auch außerhalb Preußens bestehen fast in allen deutschen Staaten Organisationen der kommunalen Selbstverwaltung. In verschiedenen Kleinstaaten, Anhalt, Braunschweig und Waldeck, sind nach Analogie der preußischen K. Kreisversammlungen, die einen Kreisausschuß erwählen, zur Wahrnehmung der kommunalen Interessen der Kreise konstituiert, während in verschiedenen Thüringer Staaten keine Kreis- oder Bezirksversammlungen, sondern lediglich Bezirks- oder Kreisausschüsse, in Reuß ältere Linie ein Landesausschuß, existieren. In Bayern wird der Kommunalverband des Distrikts als Distriktsgemeinde bezeichnet und von einem Distriktsrat vertreten, welch letzterer sich nach dem Gesetz vom 28. Mai 1852 aus Großgrundbesitzern und aus Abgeordneten der Gemeinden zusammensetzt, zu denen noch ein Vertreter des Fiskus (Staatsärars) hinzutritt, wenn der letztere bei der Ausschreibung von Umlagen beteiligt ist. Zum Zweck der laufenden Verwaltung wählt der Distriktsrat einen Distriktsausschuß von sechs Mitgliedern. Das Organ der kommunalen Selbstverwaltung der bayrischen Regierungsbezirke ist der Landrat mit einem Landratsausschuß. Im Königreich Sachsen bildet jede Amtshauptmannschaft einen Bezirksverband, welcher durch die Bezirksversammlung vertreten wird. Diese setzt sich aus den Vertretern der Höchstbesteuerten und der Stadt- und Landgemeinden zusammen. Diese Bezirksversammlung wählt einen Bezirksausschuß. Für die Regierungsbezirke oder Kreishauptmannschaften ist ein Kreisausschuß vorhanden. In Württemberg stehen den Oberamtmännern Amtsversammlungen als kommunale Vertretungen der Bezirke zur Seite. In Baden bestehen für die Verwaltungsbezirke Bezirksräte, auch können mehrere Bezirke zu einem "Kreis" vereinigt werden, der durch eine Kreisversammlung vertreten wird, die den Kreisausschuß wählt. In dem Großherzogtum Hessen bilden die Kreistage die kommunale Vertretung der Kreise. Aus den Kreistagen gehen die Provinzialtage für die Provinzen hervor. Der Kreisrat, als Kreisvorstand, bildet mit sechs gewählten Mitgliedern den Kreisausschuß, der Provinzdirektor mit acht gewählten Mitgliedern den Provinzialausschuß. In Elsaß-Lothringen bestehen für die Bezirke, Kreise und Gemeinden in den Bezirkstagen, Kreistagen und Munizipalräten besondere Vertretungen, welche aus den Wahlen der Bezirks-, Kreis- und Gemeindeangehörigen hervorgehen. Vgl. außer den Lehrbüchern des gemeinen und partikulären Staatsrechts: v. Brauchitsch, Die neuen preußischen Verwaltungsgesetze (9. Aufl., Berl. 1886, 3 Bde.); Ausgaben der Kreisordnung von Höinghaus (4. Aufl., das. 1881), Parey (3. Aufl., Magdeb. 1875), Wachler (2. Aufl., Bresl. 1875) u. a.; Parey, Die neuen preußischen Verwaltungsorganisationsgesetze (Magdeb. 1881, 3 Bde.); Stengel, Die Organisation der preußischen Verwaltung (Leipz. 1884); Illing, Handbuch für preußische Verwaltungsbeamte (Berl. 1886, 2 Bde.); Bornhak, Die Kreis- und Provinzialordnungen des preußischen Staats (das. 1887).

Kreittmayr, Wiguläus Xaver Aloys, Freiherr von, bayr. Staatsmann und Rechtsgelehrter, geb. 14. Dez. 1705 zu München, studierte in Salzburg, Ingolstadt, Utrecht und Leiden, praktizierte in Wetzlar am Reichskammergericht und ward 1725 Hofrat in München. 1741 als pfalzbayrischer Hofgerichtsbeisitzer des Reichsvikariats in den Reichsadelstand, 1745 in den Reichsfreiherrenstand erhoben und zum Hofratskanzler und Geheimrat ernannt, wurde er 1749 Geheimrats-Vizekanzler und Konferenzminister, welches Amt er bis an seinen Tod bekleidete. Er starb 27. Okt. 1790. Ihm verdankt Bayern die Kodifikation der wichtigsten Rechtszweige: "Codex juris bavarici criminalis" (Münch. 1751, 3. Aufl. 1785), "Codex juris bavarici judiciarii" (das. 1753, neueste Aufl. 1813), "Codex Maximilianus bavaricus civilis" (das. 1756, neueste Aufl. 1844), denen er "Anmerkungen" zu sämtlichen Stücken (1752-68) folgen ließ. Noch schrieb er: "Grundriß des allgemeinen deutschen und bayrischen Staatsrechts" (Münch. 1770, 3 Bde.; 2. Aufl. 1789). 1845 ward ihm auf dem Promenadeplatz in München ein Denkmal (modelliert von Schwanthaler) errichtet. Seine Biographie gab J. A. Kalb (Münch. 1825).