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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kultivieren; Kultur; Kulturgeschichte

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Kultivieren - Kulturgeschichte.

schaltet. In dieser Weise ist z. B. der Sacksche Universalpflug konstruiert, welcher ebensowohl zum Pflügen wie zum Kultivieren benutzt werden kann.

Die Versuche, den Bodenbearbeitungsgeräten anstatt des geradlinig fortschreitenden Ganges eine rotierende Bewegung zu erteilen, sind bis jetzt durchweg gescheitert. Namentlich wurden diese Versuche bei den Kultivatoren angewendet, und es schien auch eine Zeitlang, als sollten einige derselben, z. B. der früher vielgenannte Comstocksche rotierende K., praktischen Erfolg erringen. Die Arbeit desselben war eine in jeder Hinsicht vollkommene; der Boden wurde derartig gekrümelt und gleichmäßig durchgearbeitet, wie dies durch kein andres Gerät erzielt werden konnte. Trotzdem konnte derselbe keine Verbreitung finden, da er zu kostspielig war und die Abnutzung der bewegenden Teile zu erheblich ausfiel.

^[Abb.: Fig. 3. Kultivator für Hackfrüchte.]

Kultivieren (lat.), anbauen, bearbeiten, urbar machen, pflegen; bilden, verfeinern.

Kultur (lat.), eigentlich Pflege und Vervollkommnung eines nach irgend einer Richtung der Verbesserung fähigen Gegenstandes, z. B. K. des Bodens, der Waldungen, einzelner Tiere, besonders aber die Entwickelung und Veredelung des geistigen Lebens der Menschen. Nur in diesem Sinn wird das Wort gebraucht, wenn von den Anfängen oder der Geschichte der K. die Rede ist. S. Kulturgeschichte.

Kulturgeschichte, die Geschichte des innern Lebens der Menschheit in seiner natürlichen Entwickelung sowohl nach der materiellen als besonders nach der geistigen Seite, im Gegensatz zu der früher schlechthin als Weltgeschichte bezeichneten politischen oder Staatengeschichte, ein jüngerer, aber in neuerer Zeit mit besonderer Vorliebe gepflegter Zweig der allgemeinen Geschichtschreibung. Man hatte früher allzusehr den Einfluß einzelner Persönlichkeiten auf die Geschicke der Völker und selbst der Gestaltung des intimen Lebens derselben in den Vordergrund gestellt, eine sehr natürliche Erscheinung, wenn man bedenkt, daß ehemals die Fürsten und Machthaber nicht nur häufig selbst (wie z. B. Julius Cäsar) die Geschichte ihrer Thaten geschrieben haben, sondern auch stets einen bedeutenden Einfluß auf die Geschichtschreibung behielten, indem sie dieselbe von besoldeten Staatshistoriographen besorgen ließen. Diese Art der Geschichtschreibung schlägt aber naturgemäß den Einfluß der einzelnen Persönlichkeit auf die Geschichte der Völker zu hoch an, sie vergißt, daß auch die leitende Persönlichkeit mehr oder weniger nur ein Kind ihrer Zeit zu sein pflegt, sie artet gar leicht in Heroenkultus oder Parteilichkeit aus und vernachlässigt das Studium der Völker nach ihrem allgemeinen sozialen und geistigen Zustand, als ob es sich bei ihnen um willenlose, nach jeder Richtung lenkbare Massen handelte, deren Auge und Verstand in der Regierung allein verkörpert wären, und denen fast jede Individualität abginge. Obwohl für eine solche Auffassung der Geschichte in den Anfängen der Kultur eine gewisse Berechtigung liegen mag, sofern wirklich die meisten Völker mit Zuständen in die Geschichte eintraten, in denen sie von einzelnen begabten Personen gelenkt und einer höhern Kultur entgegengeführt werden mußten, so zeigt sich die Schwäche der erstern Art von Geschichtschreibung sogleich in der Schilderung derjenigen