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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: La Manche; Lamanskij

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La Manche - Lamanskij.

nen über sich hat), bei den Buddhisten in Tibet und in der Mongolei Titel der Priester, vorzugsweise der Äbte der Klöster. Schon 100 Jahre nach dem Tod Sâkjamunis, des Stifters des Buddhismus, gaben Disziplinarstreitigkeiten Anlaß zu Spaltungen. Dann bahnte die Ausbreitung des Buddhismus nach Ceylon, Kaschmir und den Kabulländern, am Himalaja und im Dekhan die Scheidung des Buddhismus in eine nördliche und eine südliche Kirche an. Vollendet ward die Trennung unter dem indoskythischen König Kanischka (Kanerkes), dessen Regierung eine Glanzperiode für den nördlichen Buddhismus bezeichnet. Derselbe erhob die Indusländer zu Zentralpunkten der Buddhareligion und ließ auf einem Konzil im Kloster Dschâlandara in Kaschmir den Kanon der heiligen Schriften definitiv abschließen und bei dieser Gelegenheit auch Dogmen jüngern Datums zu orthodoxen stempeln, während die südliche Kirche nicht über die ältere Gestalt der Lehre hinausging. Von diesem Mittelpunkt aus gelangte der Buddhismus in die Oxusländer und die Kleine Bucharei. In China ward er 65 n. Chr. durch den Kaiser Mingti eingeführt; von hier ging er gegen Ende des 4. Jahrh. nach Korea und seit der Mitte des 6. Jahrh. nach Japan über. Vornehmlich aber fand er, während er in Indien vor dem Brahmanismus und im Westen vor dem Islam weichen mußte, seit 632 in Tibet eine neue Heimat, um hier eine neue, vorzugsweise hierarchische Entwickelungsphase zu beginnen und sich zum L. zu gestalten. Unter der Mongolenherrschaft wurde der Abt des Sâkjaklosters, seitdem unter dem Namen Paspa bekannt, tributärer Herrscher von Tibet und Haupt der lamaischen Hierarchie. Da dieselbe bald übermächtig wurde, suchte die Mingdynastie in China sie durch Erteilung der Königswürde an mehrere andre tibetische Patriarchen zu schwächen. Im Gegensatz zu dieser hierarchischen Erbfolge begründeten die Schüler eines gewissen Tsongkhapa (geb. 1357, gest. 1417 oder 1429), der bei den Lamaisten fast ebenso hoch gefeiert war wie Buddha, ein neues, gleichfalls dem ursprünglichen Buddhismus fremdes System. Tsongkhapa selbst war Gründer der Geluppa oder Tugendsekte gewesen (nach ihrem Heimatskloster auch Galdanpa genannt), welche als unterscheidendes Merkmal die ursprüngliche gelbe Mütze im Gegensatz gegen die mit der Zeit üblich gewordene rote annahm. In der Folge führte diese Reform zu einer neuen Entwickelung der Hierarchie und zur Gründung eines neuen doppelten Papsttums mit eigentümlicher Nachfolge. An der Spitze der lamaischen Kirche stehen nämlich seitdem zwei oberste Bischöfe, der Dalai Lama zu Lhassa und der Bogdo Lama zu Taschi Lhunpo, beide an Heiligkeit und Würde einander gleich. Sie sterben nicht, sondern wechseln nur die körperliche Hülle und werden stets für dieselbe Stellung wiedergeboren, d. h. die beiden Stellen werden mit Jünglingen besetzt, die für Wiedergeburten der frühern Inhaber dieser Würden und damit zugleich für inkarnierte Buddhas gelten. Als unter dem fünften Dalai Lama die Rotmützen die geistliche Herrschaft der Gelbmützen bedrohten, rief jener den Beistand der Kalmücken an, die ihm sodann auch die weltliche Herrschaft über Tibet eroberten und ihn als politisches und kirchliches Oberhaupt anerkannten. Über die spätern Dalai Lamas s. Tibet, Geschichte.

Die geistliche Macht der Lamas erstreckt sich über Tibet hinaus auf Bhutan, Sikkim, Teile von Nepal und Kunamar, Ladak, Sifan oder Tangut, die Mongolei, die Provinz Thianschan Pelu, die Buräten und Kalmücken und die Lamaklöster in Peking. Die Stellvertreter der Großlamas in den einzelnen Provinzen sind die sieben oder zehn Chutuktu (tibet. Paspa, "ehrwürdig"), die ebenfalls für wiedergeborne Heilige gelten und zugleich die ganze Zivilverwaltung in Händen haben. Die dritte Rangklasse bilden die zahllosen Chubilchane, einfache Wiedergeborne. Die Auffindung und Wahl der Inkarnationen aller drei Rangstufen, d. h. die Besetzung der höchsten geistlichen Stellen, lag früher lediglich in der Hand der Hierarchie, wird gegenwärtig aber bedeutend von der chinesischen Regierung beeinflußt. Das Mönchtum im L. hat vier Rangstufen: Khanpo, etwa s. v. w. Abt; Gelong, der mit den Weihen versehene Priester; Gethul, der angehende Mönch, und Bandi (Banta), der Laienbruder. Die drei Hauptklassen des höhern, nicht wiedergebornen Klerus sind: die Khanpo, die Tschoidsche (die Schriftgelehrten) und die Rabdschampa, etwa unsern Doktoren der Theologie entsprechend. Ein Weltpriestertum kennt der L. nicht, die Geistlichen aller Grade sind Ehelose und leben fast sämtlich in Klöstern. Auch bestehen Nonnenklöster unter der Leitung inkarnierter Äbtissinnen. Die Gesamtheit aller lamaischen Religiosen konstituiert den Verein der Priesterschaft oder die Kirche (Gedun). Die Kleidung ist für jede Klasse genau vorgeschrieben. Obgleich alle Priester das Gelübde ablegen, nur von Almosen zu leben, haben sie dies doch bei den bedeutenden Einkünften der Klöster nicht nötig. Der Lama ist überdies nicht allein Fürsprecher bei Gott, sondern auch Arzt, Astrolog, Wahrsager und Exorzist, beschäftigt sich auch mit dem Abschreiben oder Drucken von Büchern, der Fabrikation von Heiligenbildern und Reliquien und treibt wohl selbst Handwerk, Viehzucht und Ackerbau. Zugleich sind die Priester die alleinigen Inhaber und Überlieferer der Gelehrsamkeit, d. h. der Theologie. Diese ist im wesentlichen der ältere buddhistische Heiligenkultus, doch versetzt mit der Verehrung zahlreicher, namentlich siwaitischer, Götter, ja selbst mit schamanischem Geisterdienst. Die Tempel bilden stets ein nach den Himmelsgegenden orientiertes Rechteck und zerfallen im Innern in den Vorhof, die Tempelhalle und das Allerheiligste mit den Heiligenbildern. Andre religiöse Stätten und Bauwerke sind: Kapellen in der Nähe der Tempel und an den Steppenwegen; buddhistische Türme oder Pyramiden (Manis); steinerne Mauern oder Säulen, auf denen die heilige Gebetsformel eingegraben ist, an den Straßen; Gebetmaschinen (s. d.), Segensbäume, Masten und Stangen mit Gebetsflaggen. Auch der Rosenkranz wird fleißig gehandhabt. Den Höhepunkt des lamaischen Gottesdienstes bezeichnet das Sakrament, d. h. die Einsegnung und Verteilung des heiligen Wassers und Getreideopfers. Als höchste Festtage gelten: das Neujahrsfest, das mit ausgelassenster Fröhlichkeit begangen wird; das Fest der Menschwerdung des Buddha Sâkjamuni, mit Bilderprozessionen; die Wasserweihe, bei Beginn des Herbstes, und das Lampenfest, zugleich das Himmelfahrtsfest des Tsongkhapa. Außerdem opfert der Lamaist täglich an seinem Hausaltar und läßt die strafenden Gottheiten durch Seelenmessen mit sich versöhnen. Vgl. Köppen, Die lamaische Hierarchie und Kirche (Berl. 1859).

La Manche (spr. mangsch, "Ärmel"), franz. Name des Kanals (Ärmelmeer); danach benannt das französische Departement Manche (s. d.).

Lamanskij, Wladimir Iwanowitsch, russ. Slawist, geb. 1833 zu Petersburg, bekleidet seit 1865 die Professur der slawischen Sprachen an der Uni-^[folgende Seite]