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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Leder

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Leder (Vorbereitung der rohen Häute, Lohgerberei).

Riemen- und Sattlerleder, Kuhhäute dünneres, weniger dichtes, minder feinkörniges Vacheleder für leichte Sommersohlen, Oberleder, Kutschenverdecke etc.; dünne einheimische und fremde Rindshäute werden auf Schmal- oder Fahlleder, besonders dichte, kurzfaserige und geschlossene Rindshäute (wie sie namentlich England liefert) auf Sattler- und Geschirrleder und auf Maschinenriemenleder verarbeitet. Büffelhäute finden nur Verwendung für untergeordnete Ledersorten. Kalbfelle geben zähes, weiches, biegsames L. zu Oberleder, Lackleder etc.; Pferde-, Esel-, Maultierhäute sind dünn, werden aber viel verarbeitet und liefern Sohlledersurrogat für Kalbleder, L. zu Kutschenverdecken und Sattlerarbeiten; hauptsächlich werden sie aber zu Korduan verwandt. Schaf- und Lammfelle liefern L. von geringerer Stärke zu Handschuhen, Pantoffeln, Futterleder, auch farbiges L. für Buchbinderei etc. Lammfelle liefern vorzügliches Handschuhleder; aus Ziegenfellen macht man Maroquin, Saffian und genarbtes Oberleder für Damenschuhe; Schweinefelle liefern sehr festes Sattlerleder; Hirschfelle werden meist sämischgar gegerbt und auf waschlederne Handschuhe verarbeitet. Robben- und Seehundsfelle liefern L. zu Reisetaschen, Schurzfellen, Mützen und leichten Sommerschuhen. Ausnahmsweise werden auch Nilpferd-, Krokodil-, Rhinozeros- und einige Sorten Fischhäute (Thunfisch), zuweilen auch Hunde-, Katzen-, Gemsen-, Wildschweinsfelle verarbeitet.

Die rohen Häute unterliegen einer Reihe vorbereitender Operationen, welche für alle Gerbmethoden im wesentlichen übereinstimmen. Man weicht sie ein, am besten in fließendem Wasser, frische Häute nur wenige Stunden, gesalzene und getrocknete erheblich länger. Bei letztern wird das vollständige Erweichen durch Bearbeiten mit dem Streckeisen und durch Walken befördert. Man reinigt dann die Fleischseite der Haut auf dem Schab- oder Streichbaum mit dem Schab- oder Bestoßmesser oder auf Maschinen von anhängenden Fleisch- und Fettteilen und schreitet dann zum Schwellen und Enthaaren, wobei mit den Haaren auch die Epidermis entfernt wird. Dies geschieht nach verschiedenen Methoden. Beim Schwitzen werden die Häute mit der Fleischseite nach innen zusammengeschlagen, 30-40 Stunden in eine Grube oder in einen Schwitzkasten gelegt und dabei täglich mindestens zweimal auseinander gelegt, um die faule Gärung und Ammoniakentwickelung und damit die Schwellung und Lockerung der Haut zu regeln und zu unterbrechen. Man hängt auch die Häute in Kammern bei 20-26° auf und gelangt hierbei in 24 Stunden zum Ziel. In Amerika benutzt man unterirdische bedeckte Gruben, in welchen man durch herabtröpfelndes Wasser hinreichende Feuchtigkeit und durch Ventilation eine Temperatur von 8-14° erhält, bei welcher der Prozeß in 6-12 Tagen vollendet ist. Das Enthaaren mit Sauerbrühe beruht auf der schwellenden Wirkung der Säuren auf die Haarwurzeln und die Oberhaut. Man benutzt einen Auszug von gebrauchter Lohe, welcher Essigsäure, Milchsäure etc. enthält, bereitet daraus Bäder von verschiedener Stärke und bringt die Häute allmählich in immer stärkere Bäder, wobei sie am besten durch einen Haspel in beständiger Bewegung erhalten werden. Nach 8 Tagen lassen sich die Haare entfernen. Beim Kälken bringt man die Häute zunächst in mehrfach gebrauchte, dann in frischere, zuletzt in ganz frische Kalkmilch und läßt sie in jeder Grube 2-8 Tage unter täglich mindestens zweimaligem Herausnehmen. Außerdem benutzt man Bäder von Schwefelnatrium, teils rein, teils mit Kalk gemischt, Gaskalk, Sodarückstände, welche beide durch Gehalt an Schwefelcalcium wirken, zum Enthaaren. Der Kalk wirkt sehr energisch auf die Haut, und bei zu starker Einwirkung wird die Struktur des Leders undicht. Man vermeidet deshalb den Kalk, wo es sich um Darstellung eines festen, dichten Leders handelt, und bedient sich des Verfahrens nur bei der Oberlederfabrikation und für die Herstellung von leichtem Sohlleder (Vacheleder). Das Enthaaren (Abpälen) selbst wird durch Handarbeit oder auf Maschinen ausgeführt, worauf man die Blöße gründlich reinigt, auf der Narbenseite mit dem Glättstein glättet und mit Wasser spült. Zur Entfernung des Kalkes aus den Häuten bringt man dieselben in ein aus Tauben-, Hühner-, Hundeexkrementen und Wasser bereitetes Bad, welches man in neuerer Zeit durch mancherlei Surrogate, mineralische und organische Säuren, zu ersetzen gesucht hat. Die enthaarten Felle werden in der Regel einer Schwellung unterworfen, um die einzelnen Faserstränge des Bindegewebes der Haut voneinander zu trennen und sie dadurch für die Aufnahme von Gerbstoff zugänglicher zu machen. Man benutzt hierzu organische Säuren und zwar in Form der weißen Schwellbeize, die aus Gerstenschrot oder Kleie mit Sauerteig und Wasser hergestellt wurde, oder der roten Schwellbeize, welche durch Ausziehen gebrauchter Lohe mit Wasser erhalten wird. Die Blößen kommen dabei in 10-14 Tagen aus schwächern allmählich in immer stärkere Brühen. Auch Schwefelsäure, Salzsäure und Phosphorsäure werden häufig angewandt, erfordern aber größte Vorsicht.

[Lohgerberei.] Die Lohgerberei verarbeitet fast alle in der Gerberei überhaupt zur Anwendung kommenden Häute und benutzt als Gerbmaterialien mehrere gerbsäurehaltige Vegetabilien, besonders Eichenrinde mit 11-16 Proz., Fichtenrinde (Pinus sylvestris) mit 5-10. Proz., Tannenrinde mit 4-8 Proz., Hemlocktannenrinde (in Nordamerika), Erlen- und Weidenrinde mit 3-5 Proz., Sumach oder Schmack mit 12-16,5 Proz., Dividivi oder Libidibi mit 19-27 Proz., Kastanienrinde, Snoubarrinde, Quebracho, Mimosarinde, Algarobilla, Manglerinde, Galläpfel mit ca. 60 Proz., Knoppern und Ackerdoppen mit 25-40 Proz., Katechu mit 40-50 Proz., Kino mit 30-40 Proz. Gerbsäure, dann auch Bablah, Myrobalanen, chinesische Galläpfel, Rove etc. Die Lohgerberei liefert sehr mannigfaltige Produkte, hauptsächlich aber Sohl- und Oberleder, Saffian, Maroquin, Juchten etc. Zur Darstellung von Sohlleder werden Rinder- und Büffelhäute geweicht, zum Schwitzen in Kammern aufgehängt, enthaart, in frisches Wasser gebracht, zuerst auf der Fleischseite, dann auf der Narbenseite, welche durch die Einstülpungen der Epidermis, in welchen die Haare gesessen haben, ein eigentümlich genarbtes Ansehen besitzt, mit einem stumpfen Eisen gereinigt, gespült und in rote oder weiße Schwellbeize gebracht. Die so weit vorbereiteten Häute (Blößen) unterwirft man nun dem eigentlichen Gerbprozeß, wobei die Häute sehr viel (auf Trockengewicht berechnet etwa ⅓) Gerbstoff aufnehmen. Im allgemeinen braucht man zu 1 Ztr. Sohlleder 4,5-5, zu Schmalleder 3,6, zu Kalbleder 3,4 Ztr. Eichenrinde und zu Sohlleder 8 Ztr. Fichtenrinde. Man schichtet die Blößen in hölzernen oder gemauerten Gruben mit gemahlener Lohe, füllt alle leer bleibenden Ecken mit alter Lohe, bedeckt auch die oberste Haut mit solcher, pumpt die Grube voll Wasser und verschließt sie. Nach 8-10 Wochen packt