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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Leder

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Leder (Weißgerberei, Mineralgerberei).

leichtesten Schaffell und liefert ein L., dessen Fasern zwar zunächst schwach aneinander haften, aber durch einfache mechanische Bearbeitung voneinander gelöst werden können, worauf dann das L. den höchsten Grad von Weichheit und Geschmeidigkeit zeigt. Niemals aber ist das Gerbmaterial in dem weißgaren L. so fest gebunden wie in dem lohgaren; es läßt sich mit Wasser ausziehen, und das L. ist dann wieder in Haut verwandelt. Beim Kochen mit Wasser wird es in Leim verwandelt, während das lohgare L. viel widerstandsfähiger ist. Das weißgare L. hatte früher größere Bedeutung als jetzt, es ist vielfach durch lohgares und in manchen Fällen auch durch sämischgares L. verdrängt worden; das Glaceeleder und in neuerer Zeit das Kidleder sowie die Chevreaux für Fußbekleidung sind gegenwärtig die wichtigsten Artikel der Weißgerberei. Bei der gemeinen Weißgerberei werden Schaf- und Ziegenfelle verarbeitet und, sofern erstere noch mit Wolle versehen sind, durch ein eigentümliches Verfahren (Anschwöden) enthaart, um die Wolle (Gerberwolle, Raufwolle) zu schonen. Man bestreicht sie auf der Fleischseite mit einem Brei aus Kalk, Asche und Wasser, legt sie so zusammen, daß die Wolle mit dem Kalk nicht in Berührung kommt, bringt sie in einen Behälter und packt sie um, sobald Erwärmung eintritt. Nach hinreichender Lockerung der Wolle wird dieselbe ausgerauft und der Kalk durch Waschen und mechanische Arbeit entfernt. Nachdem die Häute dann eine weiße Schwellbeize passiert haben, bringt man sie in die Gerberbrühe. Letztere besteht aus 0,75 kg Alaun (auch schwefelsaure oder essigsaure Thonerde), 0,30 kg Kochsalz und 22,5 Lit. Wasser, und man zieht die Felle ein- oder zweimal hindurch, um sie dann aufeinander zu legen und nach 2-3 Tagen auszuringen und zu trocknen. Sie zeigen sich dann ziemlich steif, werden aber durch das "Stollen", wobei man sie der Breite nach über eine stumpfe, bogenförmige Schneide hinwegzieht, sehr steif. Diese Ware dient als Weißleder besonders zu Schuhfutter. Die ungarische Weißgerberei wird auf Büffel-, Rinds- und Roßhäute angewandt und liefert besonders Riemen- und Sattlerleder. Man weicht dieselben ein, enthaart sie dann sofort mit einem scharfen Putzmesser und bringt sie ohne weiteres in die Alaunbrühe, in welcher sie durchgetreten werden und im Sommer 8 Tage, im Winter 1-2 Monate liegen bleiben. Nach dem Trocknen wird dies L. gereckt, in der Wärme auf beiden Seiten mit Talg getränkt, über Kohlenfeuer hin- und hergezogen und dann aufgehängt. Auch hier verbindet sich das Fett mit der Faser, und das L. wird gewissermaßen zweimal gegerbt. Dasselbe zeichnet sich durch große Stärke und Zähigkeit aus. Zu Glaceeleder verarbeitet man Zickel- und Lämmerfelle, welche angeschwödet oder auf gewöhnliche Weise mit Kalk, bisweilen unter Zusatz von Auripigment, Gaskalk oder Schwefelnatrium, behandelt, enthaart, gewaschen und wiederholt abwechselnd im Wasser mit hölzernen Stampfen behandelt und auf der Narben- und Fleischseite bearbeitet werden. Dann bringt man sie in eine Kleienbeize, reinigt sie nach 24 Stunden und schreitet nun zur Gerbung. Hierzu dient ein Brei (Nahrung) aus 85 kg Mehl, 700 Eidottern, 10,5 kg Alaun, 2,6 kg Kochsalz und der erforderlichen Menge Wasser (auf 1000 Felle oder 300 kg). Die Felle werden in dem Brei bei 35° getreten und bleiben schließlich 24 Stunden darin liegen. Aus dem Alaun tritt, wie bei der gewöhnlichen Weißgerberei, schwefelsaure Thonerde in die Haut ein und verbindet sich mit der Faser; auch das Kochsalz wirkt stark gerbend, das Weizenmehl liefert vielleicht eine Verbindung von Kleber mit Thonerde, welche in die Haut eingeht, und das Eigelb wirkt durch seinen Gehalt an Fett, welches das L. geschmeidig macht und durch Emulsionen fetter Öle ersetzt werden zu können scheint. Das gare L. wird langsam getrocknet, durch Wasser gezogen, auf Haufen gebracht, nach gleichmäßigem Durchfeuchten auf der Kurbelwalke bearbeitet und dann in der Länge und Breite über eine stumpfe, halbrunde Klinge gezogen (gestollt). Schließlich läßt man die Felle abermals etwas trocknen, bearbeitet sie auf der Kurbelwalke und egalisiert sie in der Dicke auf einer dem Stolleisen ähnlichen, aber scharfen Klinge. In der Regel wird nun das Glaceeleder gefärbt und zwar entweder durch Eintauchen in die Farbebrühe oder durch Auftragen der letztern mit einer Bürste (Fixfärberei). Früher färbte man nur mit Pflanzenfarben, jetzt fast ausschließlich mit Anilinfarben. Die gefärbten Felle werden schnell getrocknet und dann durch Treten und Stollen zugerichtet. Das Kidleder wird aus Kalb- und Ziegenfellen hergestellt und für Beschuhungszwecke verwendet. Die Kidgerberei weicht von der Glaceegerberei nur in einigen Punkten ab, die Bearbeitung in der Nahrung erfolgt hier mit einer durch Dampfkraft bewegten Walke. In der Regel werden die Felle mit Blauholz und chromsaurem Kali schwarz gefärbt und erhalten zarten, milden Glanz, indem man sie mit einer Emulsion aus Seifenlösung, Wachs und Talg bestreicht, dann wie Wäsche bügelt und auf der Narbenseite mit Fett einreibt. Die Glanz-Chevreaux aus Zickelfellen werden nach dem Färben getrocknet und auf der Glanzmaschine geglänzt.

[Mineralgerberei.] Der Weißgerberei schließt sich die Mineralgerberei an, welche speziell die Lohgerberei ersetzen soll, bereits sehr beachtenswerte Resultate erzielt hat und in der Zukunft noch bedeutungsvoller werden dürfte. Die in üblicher Weise gereinigten Blößen werden bei der Mineralgerberei in eine kalte Lösung von basisch schwefelsaurem Eisenoxyd gehängt und, nachdem sie in 2-4 Tagen die Gare erreicht haben, mit Fetten in gelöster Form und mit Eisenseife im Walkfaß behandelt. Das so erhaltene L., welches in 8-14 Tagen hergestellt werden kann, ist wohlfeil, sehr dauerhaft und wird durch Wasser nicht verändert. Ein ähnliches Fabrikat wird erhalten, indem man geschwellte Blößen in eine viertelprozentige Lösung von Chromsäure oder in eine halbprozentige Lösung eines Chromoxydsalzes, beide mit Alaun und Kochsalz versetzt, bringt und nach einiger Zeit in immer stärkere Lösungen überträgt. Nach 4-14 Tagen knetet man das L. in einer 4-8prozentigen Lösung von Chlorbaryum, Bleizucker oder Seife, wäscht, trocknet oberflächlich, wirkt gut aus und bringt es 36 Stunden in eine Lösung von Stearin, Paraffin, Wachs, Harz etc. in Benzin. Ober- und Riemenleder wird dann mit Talg, Thran oder Dégras geschmiert und an einen warmen Ort gehängt oder gewalkt. Das chromgare L. ist viel wasserdichter als lohgares, und seine Gare kann ihm durch Wasser nicht entzogen werden.

Das in England als Crown leather bekannt gewordene L. wurde zuerst von Klemm nach einem ihm 1849 in Württemberg patentierten Verfahren hergestellt und ist jetzt in England, Deutschland, der Schweiz, in Nordamerika (als Eurekaleder) sehr verbreitet. Nach dem ursprünglichen Verfahren werden die enthaarten trocknen Häute auf der Fleischseite mit einer Mischung aus Mehl, Rindshirn, But-^[folgende Seite]