Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ludwig

967

Ludwig (Frankreich: L. X., L. XI.).

aber die Lehnshuldigung und den Verzicht auf die Normandie und das Loiregebiet empfing; er schaffte die Gottesurteile ab, gewöhnte die Großen an die Oberaufsicht der königlichen Gerichte (Parlamente) und ordnete sie seiner königlichen Autorität völlig unter, brachte selbst ein Gesetzbuch, die "Établissements de saint Louis", zu stande und ordnete die Verhältnisse der Kirche zum Staate durch eine Pragmatische Sanktion. 1270 unternahm er auf Anregung seines Bruders Karl von Anjou einen neuen Kreuzzug gegen Tunis. Nach der Landung des Kreuzheers an der afrikanischen Küste machte L. auch sogleich Anstalt zur Belagerung von Tunis. Eine Seuche raffte jedoch einen großen Teil des Heers weg, und L. selbst ward ein Opfer derselben 25. Aug. 1270. Seine Gebeine wurden in einer von L. gestifteten Kapelle in Paris beigesetzt. Der Papst Bonifacius VIII. kanonisierte L. wegen seiner Frömmigkeit, die ihn allerdings auch die Albigenser grausam hat ausrotten lassen, 1297; sein Tag ist der 25. August. Vermählt war er seit 1231 mit Margarete von Provence, die ihm zehn Kinder gebar. L. ist durch seine Weisheit und konsequente Politik der eigentliche Begründer der erblichen französischen Monarchie geworden, der erste König von Gottes Gnaden; die Krone Frankreichs hieß seitdem die Krone des heil. L., und ihm war der höchste Orden geweiht, den die Könige vor der Revolution verliehen. Sein Nachfolger war sein Sohn Philipp III. Sein Leben beschrieben sein Zeitgenosse und Freund Jean Joinville (s. d.), in neuerer Zeit Villeneuve-Trans (Par. 1839, 3 Bde.), Le Nain de Tillemont (das. 1846-51, 6 Bde.), Scholten (Münst. 1850-55, 2 Bde.), Faure (Par. 1866, 2 Bde.) und Wallon (2. Aufl., das. 1878, 2 Bde.).

28) L. X., der Zänker (le Hutin), König von Frankreich, Urenkel des vorigen und ältester Sohn Philipps des Schönen und der Johanna von Navarra, geb. 1289, folgte 1305 seiner Mutter als König von Navarra und Graf von Champagne und 1314 seinem Vater auf dem Thron Frankreichs, opferte die Räte desselben dem Haß der Großen, begünstigte jedoch auch die untern Stände, namentlich durch Aufhebung der Leibeigenschaft, starb aber schon 4. Juni 1316. Vermählt war er erst mit Margarete von Burgund, die ihm Johanna, die Erbin von Navarra, gebar, nach deren Ermordung im Gefängnis mit Klementia von Ungarn. Der nachgeborne Sohn derselben starb alsbald wieder, daher L. sein Bruder Philipp V. folgte.

29) L. XI., aus dem Haus Valois, der älteste Sohn Karls VII. und der Maria von Anjou, geb. 3. Juli 1423 zu Bourges, zeigte von Jugend auf einen herrschsüchtigen, dabei tückischen Charakter, trat als erklärter Feind von seines Vaters Ministerium und der Geliebten desselben, Agnes Sorel, auf und stellte sich 1440 sogar an die Spitze der Praguerie, einer Verbindung der Großen gegen die Günstlinge seines Vaters. Die Empörer wurden von Karl bald unterworfen, L. aber begnadigt und 1442-43 mit dem Kommando gegen die Engländer und Schweizer betraut, in welchen Kämpfen er Tapferkeit und Klugheit bekundete. Auch die Teilnahme an einer neuen Verschwörung gegen den König ward ihm von diesem verziehen; gleichwohl kam es 1456 wiederum zum Bruch zwischen Vater und Sohn, und L. lebte fortan am Hof des Herzogs von Burgund. Als ihm nach seines Vaters Tod 1461 die Krone zufiel, traf die alten Räte schwere Verfolgung und die Großen rücksichtslose Demütigung, namentlich die Häuser Burgund und Bretagne, was 1465 zu einer Koalition des Adels (la ligue du bien public) führte, an deren Spitze sein Bruder Karl von Berri und Karl der Kühne, der spätere Herzog von Burgund, standen. Nach der unentschiedenen Schlacht bei Monthléry mußte L. den Großen erhebliche Zugeständnisse machen. 1468 fiel L. zu Péronne in die Gefangenschaft Karls des Kühnen und mußte sich durch einen demütigenden Vertrag befreien und der blutigen Unterdrückung des Aufstandes von Lüttich, den er selbst angestiftet, beiwohnen. Kaum wieder frei, erneuerte er mit dem Herzog von Burgund die Händel, die nun bis 1472 dauerten. In diesem Jahr trat Comines (s. d.) in des Königs Dienste und wurde fortan das Hauptwerkzeug von dessen Politik. Während Karl der Kühne mit Eduard IV. von England ein Bündnis zur Eroberung Frankreichs schloß, verband sich L. mit den Schweizern und dem Herzog Renatus von Lothringen. Nach dem Tod Karls des Kühnen (1477) nahm L. die burgundischen Städte in Picardie, Artois, Flandern, Hennegau und das Herzogtum Burgund als eröffnetes Mannslehen; die übrige Erbschaft entging ihm durch die Vermählung Marias von Burgund mit Maximilian. Einige andre wichtige Erwerbungen machte L., indem er den Titularkönig von Neapel und Grafen von Provence, Renatus von Anjou, bestimmte, den kinderlosen Grafen Karl von Maine zum Erben einzusetzen. Letzterer starb 1481, und nun nahm L. die Grafschaft Provence und Forcalquier sowie Anjou und Maine als heimgefallene Lehen in Beschlag. In den letzten Jahren von schreckenden Phantasiegebilden gefoltert, schloß er sich in die Feste Plessis les Tours ein und starb hier 30. Aug. 1483. L. war einer der unterrichteten Männer seines Jahrhunderts, klug und fest, unermüdlich thätig und gerecht, wo nicht die Interessen seiner Macht im Spiel waren, dann aber grausam, wie er denn seinen des Verrats beschuldigten Minister, den Kardinal La Balue, elf Jahre in einen Käfig sperrte; dabei war er jedoch im höchsten Grad abergläubisch (er glaubte durch Verehrung von Reliquien sein Leben zu verlängern), mißtrauisch und heuchlerisch. "Wer nicht heucheln kann, kann nicht herrschen", pflegte er zu sagen. Er umgab sich, um sich von den Großen unabhängig zu machen, mit Vorliebe mit Dienern niedern Standes, wie Oliver le Dain, seinem Barbier, seinem "Gevatter" Tristan u. a. Seine Verdienste um Frankreich sind aber sehr bedeutend. Er vernichtete die großen Vasallenstaaten innerhalb des Reichs und dehnte die königliche Herrschaft bis zu den Pyrenäen, Alpen und Jura aus. Er beförderte Handel und Industrie, insbesondere den Acker- und Bergbau, richtete regelmäßige Posten ein, berief zu den Sitzungen des Staatsrats einsichtsvolle Männer, ließ die Stände des Reichs in einer einzigen Versammlung, den dritten mit den beiden privilegierten vermischt, sich beraten, gab den Gemeinden die freie Wahl ihrer Vorsteher, war äußerst sparsam in der Verwendung der Staatsgelder und lebte sehr einfach. Unter seiner Regierung stiegen die Steuern von 2 auf beinahe 5 Mill. Livres. Die Aufhebung der von seinem Vater hergestellten Pragmatischen Sanktion erwarb ihm von seiten des Papstes den Titel Rex christianissimus. Als Freund der Wissenschaften bekundete er sich durch Errichtung von Buchdruckereien, Reformation der Pariser Universität, Gründung andrer und Berufung griechischer Gelehrten. Vermählt war er seit 1436 mit Margarete von Schottland, sodann seit 1451 mit Charlotte von Savoyen, die ihm drei Söhne, darunter seinen Nachfolger Karl VIII., und drei Töchter gebar. Vgl. Duclos, Histoire de Louis XI (Par. 1745); Comines, Mémoires (das. 1524; neue Ausg. von Dupont, 1840,