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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mailand

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Mailand (Bevölkerung, Erwerbszweige, Wohlthätigkeits-, Bildungsanstalten).

In dem ehemaligen Cistercienserkloster des heil. Ambrosius befindet sich die berühmte Biblioteca Ambrosiana, 1609 durch den Kardinal Federigo Borromeo gegründet, mit über 160,000 gedruckten Werken, 15,000 Manuskripten (darunter der Homerische Kodex aus dem 4. Jahrh.), einer Sammlung von Kupferstichen, Kartons, Handzeichnungen und Gemälden (darunter L. da Vincis Bildnis der Bianca Maria, Raffaels Studienkarton zur Schule von Athen). Von Palästen sind noch zu erwähnen: Palazzo reale, das 1771 umgebaute ehemalige Schloß der Visconti mit altem Turm und Fresken von Bern. Luini, Andrea Appiani u. a.; der erzbischöfliche Palast, unter Carlo Borromeo 1570 durch Pellegrini umgebaut, mit schönem Hof; der Munizipalpalast, ein 1558 von Galeazzo Alessi erbautes Meisterstück der Spätrenaissance; der Palazzo della Ragione, ehemals Gerichtshalle, jetzt das Notariatsarchiv enthaltend; Palazzo Poldi-Pezzoli mit sehenswertem Museum, welches namentlich vorzügliche Gemälde aus der Schule Leonardo da Vincis, dann Waffen und kunstgewerbliche Objekte enthält; Palazzo Serbelloni-Busca, 1794 von Cantoni erbaut; Palazzo Ciani mit Reliefs aus der modernen Befreiungsgeschichte Italiens; Villa reale, 1790 erbaut und Napoleon I. geschenkt, gegenwärtig Eigentum des Königs; Broletto, einst der Palast des Generals Carmagnola, später Munizipalpalast, seit 1860 Finanzgebäude; das Museo Civico (mit reicher naturgeschichtlicher Sammlung) und der Salone (mit der städtischen Kunstsammlung, namentlich Münzen u. Gemälde enthaltend); das neue Sparkassengebäude. Ein großartiges Bauwerk ist die Galleria Vittorio Emmanuele, ein 1865-67 von Mengoni erbauter Bogengang, welcher ein 14,5 in breites Kreuz mit kürzern Seitenarmen (195 m zu 105,5 m) bildet und vier Paläste auseinander hält, die im Erdgeschoß mit Cafés und Kaufläden ausgestattet sind. Die elektrisch beleuchtete Halle ist einer der beliebtesten Spaziergänge der Mailänder. Unter den Theatern ist am bedeutendsten das 1777 von Piermarini erbaute Opernhaus della Scala, nach San Carlo in Neapel das größte Theater Italiens. Andre Theater sind: Canobbiana, Alessandro Manzoni, Dal Verme; dann 7 kleinere Theater und die 1806 für Volksspiele erbaute Arena, welche 30,000 Zuschauer faßt. Südlich davon liegt das Kastell, aus dem 15. Jahrh., jetzt Kaserne. Der beliebteste Spaziergang sind die Giardini pubblici mit reicher Baum- und Wiesenanlage, kleinem See und zoologischem Garten. Nördlich von der Stadt liegt der von Maciacchini angelegte Friedhof mit schönen Grabmälern. In neuester Zeit sind auf den Plätzen der Stadt mehrere Denkmäler errichtet worden, so die Standbilder Cavours (1865), des Kardinals Borromeo (1865), des Rechtsgelehrten Beccaria (1871) und des Leonardo da Vinci (1872), das Denkmal für das Gefecht von Mentana auf der Piazza Santa Marta (1880) und das Monument Manzonis auf der Piazza San Fedele (1883).

[Bevölkerung und Erwerbszweige.] M. zählt (1881) 214,004, mit den Corpi Santi, der die Vororte von M. umfassenden Gemeinde, 321,839 Einw. und steht mit seiner Bevölkerungszahl unter den italienischen Städten nur hinter Neapel zurück. Die Stadt ist ein bedeutender Industrie- und Handelsplatz und bildet das wichtigste Emporium für den lombardischen Handel in roher Seide, außerdem in Baumwollstoffen, Getreide, Reis und Käse. Der Wert der Wareneinfuhr über das Zollamt M. betrug 1885: 92 2/3 Mill. Lire. Auf die in M. befindlichen drei Trockenanstalten entfielen 1886 fast 4 Mill. kg Seide (etwa ¾ der gesamten Seidenbewegung Italiens). Hervorragende Gegenstände der Fabrikation sind Samt und Seidenstoffe, Bänder, Posamentierwaren, Hüte, Papier, Spielkarten, Gold-, Silber- und Bronzearbeiten, Eisenwaren, Maschinen, wissenschaftliche Instrumente, Tischler- und Drechslerarbeiten, Wagen, Leder, Fayence, Porzellan (Fabrik im Vorort San Cristoforo); chemische Produkte, Seife, Zündwaren; außerdem hat M. eine Tabaksfabrik, eine Münze und 36 Buchdruckereien, welche mit einem sehr ausgebreiteten Buchhandel in Verbindung stehen. Die Großindustrie, namentlich die Fabrikation von Garnen und Geweben in Baumwolle, Schafwolle und Leinen, hat ihre Produktionsstätten meist auf das Land verlegt, behielt aber in der Stadt ihren geschäftlichen Mittelpunkt. Den Interessen des Verkehrs dienen große Lagerhäuser, eine Handels- und Gewerbekammer, eine Börse, Hauptstellen der italienischen Notenbanken, mehrere Kredit- und Volksbanken, ein großes Leihhaus, eine bedeutende Sparkasse (mit 112 Filialen und Einlagen von über 300 Mill. Lire), zahlreiche gewerbliche Unterstützungsvereine, Versicherungsanstalten und Aktiengesellschaften, endlich als Verkehrsmittel das reichverzweigte Eisenbahnnetz mit Linien nach Lecce, Como, dem St. Gotthard, Arona, Turin, Alessandria, Genua, Piacenza, Venedig und Bergamo sowie die Dampftramways nach den benachbarten lombardischen Städten. Bei den meisten Neuerungen, welche der moderne Verkehr ins Leben gerufen hat, ist M. für Italien tonangebend geworden. So liefert es das größte Kontingent zum Postverkehr; Telephone, städtische Pferdebahnen und elektrische Beleuchtung haben in keiner andern Stadt Italiens so rasche Verbreitung gefunden wie hier. In der Feuerbestattungsfrage ist es allen Ländern vorangeeilt, indem es 1876 den ersten Verbrennungsofen aufstellte.

[Öffentliche Anstalten.] Unter den Wohlthätigkeitsanstalten (zusammen 360, welche über nahezu 170 Mill. Lire verfügen) sind die bedeutendsten: das allgemeine Krankenhaus (Ospedale maggiore), ein kolossaler Bau mit schöner Fassade (1448 gegründet), mit 2500 Betten, nebst einem Gebär- und Findelhaus; ein Spital der Barmherzigen Brüder, mit besonders schöner innerer Einrichtung, und ein solches der Barmherzigen Schwestern; ein königliches Taubstummeninstitut, Blindeninstitut, Irrenhaus, 2 Waisenhäuser und ein großes Armenversorgungshaus. An Unterrichts- und Bildungsanstalten besitzt es eine wissenschaftlich-litterarische Akademie, welche ihrem Wesen nach einer philosophischen Universitätsfakultät gleichsteht, aber schwach (von ca. 45 Hörern) besucht wird, ein höheres technisches Institut, eine Ackerbauschule, eine Tierarzneischule, eine Hebammenschule, ein Seminar, 2 Lycealgymnasien, ein städtisches Kollegium, ein Nationalkonvikt, 3 technische Schulen, die sehr zahlreich besuchte Akademie der schönen Künste, eine Kunstgewerbeschule, ein Gewerbeinstitut, ein Militärkollegium, 2 Kollegien für Mädchen, das Musikkonservatorium, zahlreiche Elementarschulen und viele Privatlehranstalten, mehrere öffentliche Bibliotheken (darunter die bereits erwähnte Biblioteca Ambrosiana und die Biblioteca Nazionale im Palast Brera), die beiden städtischen Museen, einen botanischen Garten, das königliche lombardische Institut der Wissenschaften und Künste, das Athenäum, die Italienische Gesellschaft der Naturwissenschaften, die physikalisch-medizinisch-statistische Akademie, die Patriotische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften und Künste und den Lombardischen Verein für politische Ökonomie. M. besitzt