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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Marasmĭus; Marásmus; Marat; Marathen

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Marasmius - Marathen.

setzt und den Rosoglio abdestilliert. Nach Versüßung mit Raffinade wird der M. endlich durch Baumwolle sorgfältig filtriert. Die berühmteste Fabrik ist die von Drioli in Zara; doch kommt jetzt auch guter M. aus Triest, Wien, Pest und Graz. Nachgeahmt wird der M. durch eine mit Zucker und Spiritus versetzte Mischung von Himbeerwasser, Bittermandelwasser und Orangenblütenwasser.

Marasmĭus, Pilzgattung, s. Agaricus I.

Marásmus (griech.), im allgemeinen s. v. w. Auszehrung, besonders (M. senilis) Altersschwäche (s. d.).

Marat (spr. -rá), Jean Paul, eins der berüchtigtsten Häupter der französischen Revolution, geb. 24. Mai 1744 zu Boudry bei Neuchâtel von protestantischen Eltern, studierte Medizin und erwarb sich sodann, meist auf Reisen befindlich, die Mittel zu seiner Existenz durch Schriftstellerei und bei einem längern Aufenthalt in Edinburg 1774 durch Unterricht in der französischen Sprache. In dieser Zeit erschien von ihm die revolutionäre Schrift "The chains of slavery" (Edinb. 1774; franz., Par. 1792). Die philosophische Schrift "De l'homme, ou des principes et des lois de l'influence de l'âme sur le corps et du corps sur l'âme" (Amsterd. 1775, 3 Bde.) wurde die Veranlassung zu einem Streit mit Voltaire, der sie in der "Gazette littéraire" besprach. In seinen an paradoxen Behauptungen reichen physikalischen Schriften aus dieser Zeit: "Découvertes sur le feu, l'électricité et la lumière" (1779), "Recherches physiques sur le feu" (1780), "Découvertes sur la lumière" (1792), "Recherches physiques sur l'électricité" (1782) trat er namentlich gegen Newton auf; in Deutschland wurden dieselben durch eine Übersetzung von Weigel (Leipz. 1782-84) bekannt. Hierauf ließ er sich in Paris nieder, verband mit seinen Studien die medizinische Praxis und erhielt eine Anstellung als Arzt der Leibgarde des Grafen von Artois. Nach dem Ausbruch der Revolution trat M. bald als einer der extremsten Demagogen hervor. Gemein und roh wie sein Äußeres war auch sein Inneres. Ohne den Mut, die Waffen zu führen, und ohne Geschick, einen Aufstand zu leiten, wußte er durch seine ungezügelten Worte und durch seine Gabe niedrig populärer Darstellung das Volk zu Raub und Mord aufzureizen und sich zum Schrecken aller Parteien zu machen. In Zeiten der Gefahr verschwand er. Genußsüchtig und sittenlos, führte er mit dem auf unrechtmäßige Art erworbenen Geld ein üppiges Leben; er wohnte mit einer Mätresse in einem eignen, wohleingerichteten Haus. Sein Organ war seit 12. Dez. 1789 der "Publiciste parisien", später der "Ami du peuple", endlich das "Journal de la République", welche die ungereimtesten Gerüchte brachten und sich namentlich durch Denunziationen auszeichneten, aber beim niedern Volk als Orakel galten. Danton führte ihn in den Klub der Cordeliers, und bei ihnen fand er Schutz, als Malouet ihn wegen seiner Aufforderung, 800 Deputierte, vorab Mirabeau, an den Bäumen des Tuileriengartens aufzuknüpfen, in Anklagestand versetzte und der Stadtrat von Paris ihn darauf verfolgen ließ (22. Jan. 1790). M. verbarg sich in den Kellern der Cordeliers und wagte sich erst nach dem Fluchtversuch des Königs wieder an die Öffentlichkeit, um von neuem die maßlosesten Artikel gegen die Girondisten zu schleudern. Er war einer der Haupturheber der Septembermorde und setzte auch unter dem Eindruck derselben 1792 in Paris seine Wahl zum Mitglied des Konvents durch. Er wurde hier allgemein verabscheut; so oft er das Wort ergriff, übertäubte ein wilder Tumult seine Stimme, während ihm die Tribünen Beifall zujauchzten. Während des Prozesses des Königs, für dessen sofortige Hinrichtung er stimmte, rief er dem Volk in seinem Blatt zu: "Schlachtet, schlachtet 200,000 Anhänger des alten Regiments und reduziert den Konvent auf ein Viertel". Wegen einer tollen Adresse, in der er die Bürger gegen den Konvent zu den Waffen gerufen hatte, wurde er 13. April verhaftet und von dem Revolutionstribunal eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet; doch sprach ihn dasselbe 24. April einstimmig frei. Mit Kränzen von Eichenlaub geschmückt, ward er von Bürgern und Bürgerinnen auf ihren Schultern in den Konvent zurückgetragen. Von nun an erstrebte M. mit allen Mitteln die Vernichtung der Gironde, welche er durch Aufwiegelung des Pöbels 2. Juni durchsetzte. Doch wurde er zuletzt den Führern des Wohlfahrtsausschusses selbst lästig. Daß Robespierre den Genossen nicht dem Beil des Henkers überlieferte, verhinderte nur die That der Charlotte Corday (s. d.), die M. 13. Juli im Bad erstach. Während bei längerm Leben seine Erbärmlichkeit zu Tage getreten wäre, wurde er nun vom Volk als Märtyrer der Freiheit verehrt. Seine Leiche wurde mit Pomp im Garten der Cordeliers begraben und sein von David gemaltes Bild auf einem Altar im Hof des Louvre erst öffentlich ausgestellt, dann im Konvent aufgehängt. Marats Mätresse wurde aus Staatsmitteln ernährt. Der Konvent ließ durch einen Beschluß den Überresten Marats die Ehre des Panthéons zuerkennen (4. Nov. 1793), aber schon im Februar 1795 wurde die Leiche wieder hinausgeworfen und gleichzeitig sein Bild aus dem Konvent entfernt.

Marathen (Maratha, Mahratten), Volk in Britisch-Indien, welches die Gegenden östlich von den Westghats, von der Tapti im N. bis zum Oberlauf der Kistna im S. und westlich bis zu den Grenzen der Besitzungen des Nizam von Haidarabad bewohnt, also außer dem letztgenannten Staat vornehmlich Indor und den mittlern Teil der Präsidentschaft Bombay. Die ethnologische Stellung der M. läßt sich mit Sicherheit nicht bestimmen; nach ihrer Sprache (s. Marathi) und Überlieferung sind sie Arier, nach ihrem Äußern aber weit mehr Drawida (s. d.); jedenfalls hat sich hier eine Mischung vollzogen. Die Traditionen der M. vermögen uns über diesen Punkt nicht aufzuklären. Frühzeitig zum Brahmanismus bekehrt, betrachten sie sich selber als zu den Hindu gehörig und haben keine andern Überlieferungen als die Mythenbildungen der Brahmanen. Indessen beweist die niedrige Stellung, welche den M. in der Hierarchie der indischen Kasten angewiesen ist, zur Genüge, daß sie zu den Bekehrten oder Unterworfenen gehören. Dennoch kann die Herrschaft der Arier nur eine nominelle gewesen sein; sie erhoben zwar Abgaben, rührten aber nicht an der politischen Organisation der M., die eine durchaus republikanische, also von dem arischen Staatssystem völlig verschiedene war, und die auch unter der britischen Regierung bestehen geblieben ist. Das Land hatte keine einheitliche Regierung, bestand vielmehr aus einer Kollektivgenossenschaft von Gemeinden, regiert von erwählten Oberhäuptern (Patel) und einer Gemeindeversammlung (Pantschajet). Man hat danach die M. auch für Dschat angesehen, beeinflußt durch eine längere Berührung mit Ariern, Bhil, Drawida. Wie jene haben sie trotz aller Wandlungen ihre politischen Institutionen aufrecht zu erhalten gewußt, das Joch der Eroberer abgeschüttelt, das Mongolenreich gestürzt und die Macht der Radschputen gebrochen.