Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Maria

235

Maria (M. Theresia).

Bayern eroberte und auch nach Böhmen vordrang, wo zwei französische Heere unter zwieträchtigen Anführern standen. Damit diese nicht einen Hinterhalt an den Preußen hätten, willigte M. Theresia, obwohl mit großem Schmerz, nach der Niederlage ihres Schwagers Karl von Lothringen bei Chotusitz (17. Mai) in den Frieden von Breslau, worin beinahe ganz Schlesien an Preußen abgetreten wurde (Juni 1742). In kurzem war der größte Teil von Böhmen wieder in den Händen der Österreicher, und im Frühjahr 1743 wurde M. Theresia in Prag gekrönt. Zu gleicher Zeit erlangte sie einen mächtigen Bundesgenossen an Georg II. von England. In der Folge waren die österreichischen Waffen in Italien und Deutschland meist glücklich. Am 22. April 1745 schloß Karl Alberts Nachfolger Maximilian III. Joseph mit M. Theresia den Frieden zu Füssen. Friedrich II. nahm zwar den Krieg von neuem auf und schlug die Österreicher bei Hohenfriedberg und Soor, doch bestätigte der durch englische Vermittelung zu stande gekommene Friede zu Dresden 25. Dez. 1745 die Bestimmungen des Breslauer Traktats. Aber erst der Friede von Aachen (18. Okt. 1748) beendete den Erbfolgekrieg vollständig. M. Theresia mußte in demselben dem spanisch-bourbonischen Prinzen Philipp das Herzogtum Parma mit Piacenza und Guastalla abtreten und an Sardinien einige zum Herzogtum Mailand gehörende Länderstrecken überlassen, wurde dagegen allgemein als Erbin der ganzen väterlichen Monarchie anerkannt. Schon während des Kriegs, 4. Okt. 1745, war ihr Gemahl unter dem Namen Franz I. zum Kaiser gekrönt worden. Die nun folgenden Friedensjahre wurden von der jungen Kaiserin, welche sich, von ihrem angebornen Herrschertalent unterstützt, durch energische Arbeitskraft in die Details der Staatsverwaltung vertieft hatte, ohne den Blick für das Große und Ganze einzubüßen, zur Abstellung vieler Mißbräuche in der Verwaltung, zur Ordnung und Verbesserung der Finanzen, zur Herstellung einer tüchtigen Kriegsmacht und zur Abschließung folgenreicher Bündnisse benutzt. Nachdem sie schon bei ihrem Regierungsantritt das Verschwendungssystem ihres Vaters in der Hofhaltung abgestellt, gründete sie jetzt Normalschulen und Erziehungsanstalten und förderte den Handel und den Ackerbau, den letztern namentlich auch durch die Minderung der Frondienste. Die Staatslasten wurden durch die neue Kameraleinrichtung auf alle Staatsbürger möglichst gleich verteilt. Durch diese Maßregeln erreichte sie, daß ohne Erhöhung der Steuern die Einnahmen, die in den letzten Jahren Karls VI. 30 Mill. Gulden betragen hatten, 1756 auf 57 Mill. stiegen. Das ganze Kriegswesen ward unter Dauns Leitung neu organisiert, die Stärke des Heers auf 108,000 Mann erhöht; es wurden Kadettenhäuser gegründet und von Zeit zu Zeit größere Manöver abgehalten. Außer ihrem Gemahl standen der Kaiserin, die sich übrigens nicht gern leiten ließ, in den innern Angelegenheiten Graf Friedrich Wilhelm von Haugwitz, in den äußern hauptsächlich der Graf Wenzel Kaunitz (s. d.) als Geheimer Haus-, Hof- und Staatskanzler zur Seite. Seinem Einfluß ist es namentlich zuzuschreiben, daß M. Theresia, um Schlesien wiederzugewinnen, sich um ein Bündnis mit Frankreich, Österreichs Erbfeind, bewarb, welches im Mai 1756 wirklich zu stande kam und Österreich vor einem französischen Angriff im Fall eines Kriegs mit Preußen sicherte. Letztere Macht wollte M. Theresia im Bund mit Rußland vernichten und 1757 den Krieg beginnen; jedoch Friedrich II. kam ihr bereits 1756 durch den Einfall in Sachsen zuvor, und so begann der Siebenjährige Krieg (s. d.), in welchem M. Theresia zwar 1757 eine große europäische Koalition zu stande brachte, um Friedrich zu zermalmen, und trotz aller Wechselfälle des Kriegsglücks standhaft ihr Ziel verfolgte, endlich aber nach ungeheuern Opfern an Geld und Menschen 15. Febr. 1763 den Hubertusburger Frieden schließen und darin ihren großen Gegner im Besitz Schlesiens anerkennen mußte. Nach dem Mißlingen ihrer ehrgeizigen Hoffnungen und nach dem Tod ihres zärtlich, wenn auch mit etwas Eifersucht geliebten Gemahls (18. August 1765) beschloß sie, in Frieden nur dem Wohl ihres Staats zu leben, und widmete sich wieder mit allem Eifer der innern Verwaltung. Sie hatte zwar ihren ältesten Sohn, Joseph, der 1764 zum römischen König gewählt und gekrönt worden war, 18. Aug. 1766 zum Mitregenten ernannt; aber sie gestattete ihm wenig Anteil an der innern Regierung, nur das Heerwesen blieb ganz seiner Leitung überlassen. Josephs Ungeduld veranlaßte daher manche Mißhelligkeiten zwischen Mutter und Sohn. Mit unermüdlicher Thätigkeit sorgte die Kaiserin für Verminderung der Staatsschulden, förderte die Landwirtschaft durch Erleichterung der Leibeigenschaft, unterstützte die Gewerbe, vermehrte und verbesserte die Unterrichts- und Wohlthätigkeitsanstalten, schuf die Volksschule in Österreich, gründete Akademien und beseitigte die Tortur und die grausamen Todesstrafen. Obgleich fromm, der katholischen Kirche ganz ergeben und intolerant gegen Andersgläubige, zeigte sie doch nie tyrannische Härte, sondern Gerechtigkeit und Milde, aber auch Festigkeit, wo es galt, die Eingriffe des Papsttums in ihre Kronrechte zurückzuweisen und bestehende Mißbräuche der Kirche und Übergriffe des Klerus abzustellen. Die Leitung der auswärtigen Politik überließ sie Kaunitz und ihrem Sohn, und nur mit dem größten Widerstreben willigte sie 1772 in die Beteiligung Österreichs an der ersten Teilung Polens, da ihr kein andrer Ausweg blieb. Die Aussicht, 1777 einen Teil Bayerns zu erwerben, erfüllte sie mit Freude; aber nur ungern wich sie dem ungestümen Drängen ihres Sohns und entschloß sich zum Krieg, der jedoch hauptsächlich mit der Feder geführt wurde, und den schon 1779 unter Vermittelung Frankreichs und Rußlands der Friede von Teschen beilegte, worin dem österreichischen Haus das Innviertel mit Braunau zuerkannt wurde. M. Theresia starb 29. Nov. 1780 und hinterließ das österreichische Kaiserreich, welches bei ihrem Regierungsantritt dem Zerfallen nahe war, geachtet und nach außen durch eine Armee von 260,000 Mann geschützt. Sie ist die Begründerin des österreichischen Gesamtstaats, der unter ihrer bewußten Mitwirkung den Übergang vom mittelalterlichen zum modernen Staat vollzog. Sie war eine geborne Herrscherin und widmete sich mit allen Kräften dem Staat. Ihre Gestalt war majestätisch, ihre Züge schön, ihr Wesen liebenswürdig und bezaubernd. Liebevoll und dankbar, gewann sie sich die Herzen aller, die sie umgaben. Sie hatte 16 Kinder geboren, von denen 10 sie überlebten. Ihre Söhne waren, außer ihrem Nachfolger, dem Kaiser Joseph II.: Leopold, Großherzog von Toscana und nach seines Bruders Tod Kaiser; Ferdinand, Schwiegersohn des Herzogs von Modena und dessen Nachfolger, und Maximilian, Kurfürst von Köln und Münster. Von ihren sechs Töchtern war Anna Äbtissin zu Prag und Klagenfurt, Marie Christine Gemahlin des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen, des Sohns König Augusts III. von Polen, Elisabeth Äbtissin zu Innsbruck, Maria Amalie Gemahlin des