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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Menschenrassen

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Menschenrassen (psychische Merkmale; Einteilung der M.).

insofern gewisse Rassen sich gegen bestimmte Seuchen einer größern Widerstandsfähigkeit, bez. Immunität erfreuen (Neger gegen Gelbfieber, Sumpffieber etc.), als andre.

Unter den psychischen Rassenmerkmalen steht die Sprache obenan, nächstdem kommen die Kultur- und Gesellschaftsform, die religiösen Anschauungen, Überlieferungen etc. in Betracht. Die Sprache ist indes kein sicheres Zeichen der Abstammung, weil durch Eroberung, höhere Kultur etc. den Angehörigen einer Rasse eine fremde Sprache aufgedrängt worden sein kann. Trotzdem geben oft geringe Reste eines fremden Sprachstammes, die einer andern Sprache z. B. in Gestalt von Wurzelwörtern beigemischt sind, wichtige Fingerzeige über die Zusammensetzung des Volkes, und in einzelnen Fällen, wie bei den Basken, ermöglicht die eigentümliche Sprache allein den Schluß auf die ethnische Sonderstellung des Volksstammes. Man unterscheidet in der Regel einsilbige Sprachen (Chinesisch, Siamesisch etc.), dann Agglutinations- (oder polysynthetische) Sprachen (Amerikanisch, Australisch, Drawidisch etc.) und schließlich Flexionssprachen (Sanskrit und die demselben verwandten Idiome). Eine vor allem den formalen Bau der Sprachen berücksichtigende, für die Rassenlehre besonders verwertbare Übersicht der Sprachen hat Steinthal aufgestellt. Vgl. die Litteratur bei Sprache, besonders die Werke von Pott, Steinthal, Schleicher, Fr. Müller.

Brauch und Sitte der Völker haben eine mehr untergeordnete Bedeutung für die Rassenlehre. Die Wiederkehr einzelner charakteristischer Züge bei verschiedenen Völkern (z. B. die Stellung der Weiber im Familienleben, die Art der Leichenbestattung, die Zeremonien bei der Geburt eines Kindes, bei der Eheschließung, Feste beim Mannbarwerden, religiöse und abergläubische Handlungen etc.) kann oft auf gegenseitigen Austausch hindeuten; doch wird man noch häufiger wahrnehmen, daß unter gleichen Umständen und Verhältnissen die verschiedensten Völker zu gleichen Vorstellungen und Sitten gelangen. Die Übereinstimmung der Sitten mag, wie Tylor hervorhob, der gleichen Thätigkeit des menschlichen Geistes unter gleichen Bedingungen zuzuschreiben sein, bisweilen ist sie ein Beweis der Blutsverwandtschaft oder des Verkehrs zwischen den Rassen, unter denen sie gefunden wird. Die Sage, Geschichte und Mythologie gestatten endlich, unter Umständen den verborgenen Beziehungen zwischen scheinbar weit getrennten Völkern nachzugehen, ihre Wanderungen zu verfolgen und die Gemeinschaft der Abstammung zu erkennen.

Einteilung der Menschenrassen.

(Vgl. beifolgende "Ethnographische Karte", mit Textblatt: Übersicht der Menschenrassen.)

Geht man mit Hilfe dieser Merkmale an den Versuch, eine natürliche Rasseneinteilung des Menschengeschlechts zu begründen, so stößt man auf große Schwierigkeiten. Dieselben liegen darin, daß überall die verschiedenen Rassentypen durch allmähliche Übergänge miteinander verbunden sind, und daß somit nur die extremen Formen sich scharf abheben. Die mannigfachen Versuche einer Klassifikation seit Linné, Blumenbach, Cuvier u. a., die zum größten Teil nur noch ein geschichtliches Interesse haben, beweisen dies. Die Zahl der aufgestellten Gruppen schwankt zwischen 2 und 60, obgleich sich immer die Neigung geltend macht, zu den vier von Linné angenommenen Urtypen: dem Europäer, Asiaten, Afrikaner und Amerikaner, zurückzukehren. Blumenbach fügte diesen noch den Malaien hinzu, während Cuvier nur drei Rassen annahm: die weiße (kaukasische), die gelbe (mongolische) und die schwarze (äthiopische). Ch. Pickering nahm 11, Morton sogar 22 Rassen an. Von den neuern Systemen verdienen nur noch die von Huxley und von E. Häckel aufgestellten Erwähnung, bei denen die Beschaffenheit der Haare das Einteilungsprinzip abgibt. Huxley nimmt Wollhaarige (Ulotriches) und Schlichthaarige (Leiotriches) an. Zu erstern rechnet er die Neger und Papua, zu letztern die Australoiden (Australier, Drawida), die Mongolen (Mongolen, Chinesen, Polynesier, Amerikaner, Eskimo), die Xanthochroiden (Slawen, Germanen, Kelten) und die Melanochroiden (Iberer, Berber). Nach Häckel zerfällt das Menschengeschlecht je nach der Beschaffenheit des Kopfhaars in zwei Abteilungen: Wollhaarige (Ulotriches) und Schlichthaarige (Lissotriches). Erstere zerfallen in Büschelhaarige (Lophocomi), wo die Haare in getrennten Büscheln wachsen, und Vlieshaarige (Eriocomi), wo sie gleichmäßig verteilt sind. Die Schlichthaarigen unterscheiden sich in Straffhaarige (Euthycomi) und Lockenhaarige (Euplocami). Friedrich Müller bildet aus diesen Abteilungen zwölf Rassen, während Peschel, unter Benutzung aller Merkmale, nicht bloß der Haare, zur Aufstellung von sieben Gruppen kommt: 1) Australier, 2) Papuaner, 3) Mongoloiden (darunter auch die Malaiopolynesier und Amerikaner), 4) Drawida oder die Bewohner Vorderindiens von nichtarischer Abkunft, 5) die Hottentoten und Buschmänner, 6) die Neger, 7) die mittelländischen Völker, welche den Kaukasiern Blumenbachs entsprechen. Nach Flower hat sich der Urstamm des Menschen im Lauf der Zeit in drei Zweige gespalten, drei extreme Typen, die durch den Kaukasier in Europa, den Mongolen in Asien und den Äthiopier in Afrika vertreten werden; alle andern Stämme lassen sich nach ihm zwischen diese drei ein- und anordnen und sind entweder das Ergebnis von Kreuzungen oder direkte Nachkommen des gemeinschaftlichen Grundstammes, ehe dieser noch in die drei scharf geschiedenen Zweige sich getrennt hatte. In folgender Übersicht schließen wir uns der Einteilung Flowers an.

1) Äthiopier (Neger, Negroide, Melanier, Schwarze): Schwarze oder schwärzliche Hautfarbe, schwarzes, krauses, uneigentlich wollig genanntes Haar, jedes derselben ist dicht in sich aufgerollt und immer von flachem oder elliptischem Querschnitt; mäßig oder dürftig entwickelter Bart, fast ausnahmslos dolichokephaler Schädel (?), kleine und mäßig zurückweichende Wangenbeine (mesopisch), sehr breite, flache Nase, am Skelett mit breitem Eingang (platyrrhin), mäßige oder niedere Augenhöhlen, hervorstehende Augen, dicke, aufgeworfene Lippen, hervorstehende Kiefer (prognath), große Zähne (makrodont), enges Becken, langer Vorderarm (Humeroradial-Index 80) und noch weitere weniger sichergestellte Unterschiede.

2) Mongolen (Xanthoi, Gelbe): Gelbe oder bräunliche Hautfarbe, grobes, straffes Haar ohne jede Neigung zur Lockenbildung, fast rund im Querschnitt, nur am Kopf reichlich, sonst spärlich. Schädel von wechselnder Gestalt, meist meso- oder brachykephal; breites, flaches Gesicht mit hervorstehenden, nach vorn ragenden Backenknochen (platyopisch), kleine (meso- oder leptorrhine) Nase, hohe, runde Augenhöhlen, sehr geringe Entwickelung der Glabella und der Augenbrauenbogen (arcus superciliares), tief liegende Augen mit enger Lidspalte, im typischten Fall mit einer senkrechten Hautfalte über dem innern (Mongolenfalte) und mit leicht emporgezogenem äußern Augenwinkel. Kiefer mesognath, Zähne mittelgroß (mesodont). Über Becken- und Gliederform sind die Akten noch nicht geschlossen.